Großmufti Shawki Allam Gast der Uni Bonn Der Herr der Fatwas

Bonn · Großmufti Shawki Allam, oberster islamischer Rechtsgelehrter Ägyptens, gilt als großer Befürworter des interreligiösen Dialogs. Doch liberale Muslime werfen ihm vor, dem notwendigen innerislamischen Dialog auszuweichen.

 Großmufti Shawki Allam zu Gast in Bonn beim Center for International Security and Governance.

Großmufti Shawki Allam zu Gast in Bonn beim Center for International Security and Governance.

Foto: Frank Vallender

Als Großmufti Shawki Allam Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon zusammenkam, brachte das dem obersten islamischen Rechtsgelehrten Ägyptens weltweite positive Aufmerksamkeit. „Wir sind in einem Boot: Christen, Hindus, Juden, Muslime“, sagte der sunnitische Theologe.

Allam gilt als Freund des Dialogs der Religionen und Kulturen. So lobte er noch jüngst in einem Interview der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) Papst Franziskus als wichtige historische Figur, die „ein starkes Interesse hat, auf die muslimische Welt zuzugehen“. Auch als er am Donnerstagabend zu Gast beim Center for International Security and Governance (CISG) der Universität Bonn war, zog sich das Thema Dialog wie ein roter Faden durch den Abend.

Tausende von Fatwas für die Rechte der Frau

Als Leiter des ägyptischen Fatwa-Amtes, des Zentrums für islamische Rechtsfragen, rängen er und seine Kollegen „ständig mit der Frage der kritischen Auseinandersetzung des Islams mit der Moderne“, sagte er der KNA.

Man veröffentliche „Tausende von Fatwas und Erlassen, die die Rechte von Frauen auf Würde, Bildung und Arbeit bekräftigen und religiös motivierte Gewalt und Terror verurteilen“. So hatte es Allam schon 2014, ein Jahr nach seinem Amtsantritt, in die Schlagzeilen geschafft, als er mit 120 namhaften islamischen Gelehrten einen offenen Brief an „Dr. Ibrahim Awwad al-Badri alias “Abu Bakr al-Baghdadi„“ und an dessen Anhänger des selbst ernannten Islamischen Staates schrieb.

Darin listen die Gelehrten 24 Vergehen auf, deren sich der IS schuldig macht. Auch in Bonn erhielt Allam Applaus für seine Aussage, dass Gewalt und Extremismus keine Basis in der traditionellen Lehre des Islams hätten.

„Trotz alledem ist der Großmufti ein konservativer Vertreter des Mainstream-Islams“, gibt Ahmad Mansour zu bedenken, der auch am Donnerstag auf dem Podium des CISG saß. Der Berliner Experte für Extremismusprävention kennt sich bestens in seinem Metier aus, war der arabische Israeli in seiner früheren Heimat doch selbst für einige Jahre Islamist.

Extremismusexperte Mansour: "Wir brauchen mündige Muslime"

Heutzutage ermutigt der Diplom-Psychologe junge Muslime, sich ein eigenständiges Bild vom Islam zu machen und nicht auf Fatwas zu bauen. „Wir brauchen mündige Muslime“, sagt der 40-Jährige und fordert einen innerislamischen Dialog. Man müsse endlich offen über die Benachteiligung von Frauen im Islam, über Homosexuellenfeindlichkeit und Antisemitismus reden. Von allen anerkannten Rechtsgelehrten hält Mansour Großmufti Allam für den „harmlosesten“ – ein zweifelhaftes Lob.

Allam tue nicht genug als prominenter Gelehrter, so Mansour. „Er redet zwar von Dialog, aber er spricht nicht mit den Muslimen über die Gründe, warum der Islam solche Ungeheuer wie den “Islamischen Staat„ hervorgebracht hat“, kritisiert der Psychologe. Die friedlichen Muslime müssten endlich mutig ein Gegennarrativ schaffen.

Kein gemeinsames Foto mit einem Israeli

Und so bleiben bei aufgeklärten Muslimen Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer obersten Repräsentanten. Zumal Mansour in Bonn nach der Veranstaltung ein Erlebnis der besonderen Art hatte, wie er am Freitag dem GA schilderte: „Als wir Fotos machen wollten, lehnte der Großmufti es ab, sich mit mir gemeinsam fotografieren zu lassen.“ Zur Begründung habe Allam gesagt, Mansour sei israelischer Staatsbürger.

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