Aufführung in Bonner Kreuzkirche Der Chor steht im Publikum

Bonn · Im April wird Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion in der Kreuzkirche auch szenisch umgesetzt. Vier Aufführungen sind geplant. Die Zuschauer werden mit einbezogen.

 Proben für die Matthäuspassion: Die Vorbereitungen für die Aufführungen von Bachs Monumentalwerk im April sind bereits im vollen Gange.

Proben für die Matthäuspassion: Die Vorbereitungen für die Aufführungen von Bachs Monumentalwerk im April sind bereits im vollen Gange.

Foto: Barbara Frommann

Der Innenraum der Kreuzkirche ist zurzeit kaum wiederzuerkennen, denn in knapp zwei Wochen ist es soweit: Unter der Mitwirkung zahlreicher Solisten, dem Kammerchor Vox Bona und dem Orchester der Kreuzkirche unter der Leitung von Karin Freist-Wi-ssing wird ab 7. April in vier Aufführungen eine szenische Fassung von Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion zu erleben sein. An ein ähnliches Projekt hatte Freist-Wissing sich bereits 2011 gewagt mit der szenischen Umsetzung der Johannespassion, die vom Publikum begeistert gefeiert wurde.

Nun also Bachs große Passion, die zu seinen monumentalsten Werken gehört. Mit den ersten szenischen Proben ist auch der Großteil der Bänke aus dem Mittelschiff der Kirche verschwunden. „Die Gottesdienste werden weiterhin hier gefeiert; den Altar versetzen wir nach Bedarf“, so Karin Freist-Wissing. Sie freut sich über die Rückenstärkung der Gemeinde, die ein solch aufwendiges Projekt überhaupt erst möglich macht.

Der Aufbau der Chortribüne vor dem Altarraum täuscht, denn die ist lediglich für das Publikum gedacht und nicht etwa für die Sänger. „Im Gegensatz zu unserer Umsetzung der Johannespassion machen wir dieses Mal kein Handlungstheater. Es geht uns um die tieferen Aussagen in Bachs Matthäuspassion, die hochphilosophisch und schon fast tiefenpsychologisch sind“, so Freist-Wissing. „Es geht um die Frage, wie man schuldig wird – durch Schweigen, Nichtstun, Angst, fehlende Zivilcourage – eine Frage, die jeden Einzelnen betrifft.“ Deshalb gibt es dieses Mal auch keine erhöhte Bühne, das Geschehen findet mitten im Publikum statt. Solisten, Sänger und Publikum sollen sich ohne Barriere vermischen. Dies betrifft musikalisch vor allem die Choräle und Arien, die immer wieder die Schuldfrage thematisieren.

Durch die Verteilung des Chores im Kirchenraum und Hin- und Abwendung vom Publikum werden die Zuhörer einbezogen. Neben der hochkomplexen Musik steht der Chor somit vor einer weiteren Herausforderung: Er muss ohne Noten auskommen und zusätzlich agieren. Mit ihrem Ansatz, Bachs Werk auf die zeitlosen Fragen nach dem Schuldigwerden abzuklopfen, reiht die Kreuzkirche sich in eine Reihe großer Namen ein, die die Bedeutung des Werks für das Hier und Jetzt betonen: Neben dem englischen Bach-Spezialisten Sir John Eliot Gardiner schrieb auch der Musikwissenschaftler Hans Heinrich Eggebrecht: „Das alles ist nicht Vergangenheit, nicht Geschichte [...]. Durch Bachs Musik wird es zur Gegenwart, zu unserer Teilhabe hier und jetzt. Ich bin gemeint. Ich bin es, der kommen soll, der fragt, der weiß und doch wieder fragt und dem der Choral zugehört.“ Die Besucher können sich also auf eine besondere Umsetzung der Matthäuspassion freuen.

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