Trudel Ulmen, der Fall Anna und Walid S. Der Bonner Richter für die spektakulären Fälle

BONN · In seinem Gerichtssaal saßen Drogenbosse, Mörder und Gewalttäter. Er urteilte in einigen der spektakulärsten Kriminalfälle aus Bonn und der Region. Jetzt geht Richter Josef Janßen in den Ruhestand. Ein Rückblick auf eine Karriere, die in einem Urteil für Walid S. endete.

Josef Janßen hatte in den 1970er Jahren mit dem Jurastudium begonnen, um in den höheren Dienst bei der Polizei einzusteigen. Herausgekommen sind am Ende seines Berufslebens 38 Jahre im Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen, die meiste Zeit davon als Strafrichter am Bonner Landgericht. Nun geht der gebürtige Bonner im Alter von 67 Jahren in den Ruhestand. Am Freitag übergab ihm Landgerichtspräsident Stefan Weismann in einer Feierstunde die Entlassungsurkunde.

Janßen hat in fast vier Jahrzehnten Aufsehen erregende Fälle verhandelt. Da wäre etwa der Prozess gegen den SS-Hauptsturmführer Modest-Alfred Graf von Korff. Das Landgericht hatte ab 1988 aufzuklären, ob Korff wissentlich aus dem besetzten Frankreich Juden zur Deportation ins Konzentrationslager Auschwitz geschickt hat. Ob er wusste, dass sie dort eines qualvollen Todes sterben würden. Der Prozess endete mit einem Freispruch. „Korff war nicht nachzuweisen, dass er in Frankreich davon Kenntnis hatte, was in Auschwitz vor sich ging“, erinnert sich Janßen.

Der Fall der Mauer lag fünf Jahre zurück, da wurde der Jurist für drei Jahre zur Bundesanwaltschaft Karlsruhe abgeordnet. In dieser Zeit ermittelte er gegen Spione der ehemaligen DDR. Ab 1998 übernahm Janßen dann den Vorsitz verschiedener Bonner Strafkammern. Dass der Richterberuf mit Einschränkungen der eigenen Freiheit verbunden sein kann, erlebten er und seine Familie, als der Prozess um den Drogenboss Nizamettin B. im Jahr 2000 begann.

Killerkommando auf Janßen angesetzt

Anonyme Morddrohungen erreichen die Prozessbeteiligten. Nach einem den Fall betreffenden Aufenthalt in der Türkei sickert über Geheimdienstquellen durch, dass ein Killerkommando auf Janßen angesetzt war. Nur ein Hotelwechsel auf Anraten des Sicherheitsdienstes habe den Plan verhindert. Während seine Frau, GA-Redakteurin Katrin Janßen, im Kreißsaal die erste Tochter zur Welt bringt, stehen die Leibwächter vor der Tür. Zwei Jahre dauert die Verhandlung. Sie endet mit einer Verurteilung zu 15 Jahren Höchststrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Die Liste der Prozesse mit bundesweiter Resonanz ließe sich verlängern. Da wäre der Fall Anna, deren Pflegemutter das Kind ertränkte. Das Gericht verurteilte sie wegen Mordes. Oder der Tod von Trudel Ulmen. 1996 wurde die Rheinbacher Arzthelferin getötet, vier Monate später ihre Leiche zufällig von einem Radfahrer in einem Waldstück in Bad Honnef-Rottbitze entdeckt. Identifiziert wurde die Leiche erst 2012, kurz danach gesteht ihr Mann die Tat. Er wurde wegen Totschlags schuldig gesprochen.

Der „Bananenkönig“ bekam 15 Jahre Haft. Die 1. Große Strafkammer sah es seinerzeit als erwiesen an, dass der Geschäftsmann statt Früchten Kokain in großem Stile geschmuggelt hatte (das Kilo „Bananen“ zweiter Wahl kostete 20.000 Dollar).

reichte die Beweislage aus Sicht von Janßens Kammer für eine Verurteilung nicht aus. Der Bundesgerichtshof sah Mängel in der Urteilsbegründung. Ein Kollege Janßens verurteilte in einem neuen Verfahren die damals 59-Jährige wegen Mordes.

"Ein Urgestein dieses Gerichts"

Deutliche Worte fand Janßen, als Polizisten nachgewiesenermaßen falsche Angaben machten in ihren Aussagen, wie es zum Abdrängen eines Autos vom Fahrbahnrand gekommen war. Der Richter hatte klar gemacht, was es aus seiner Sicht bedeutet, wenn die Exekutive lügt und damit Vertrauen verspielt. Die Polizeigewerkschaft sprach von einer Generalabrechnung und legte bei der damaligen Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Für den unabhängigen Richter blieb sie folgenlos.

Weismann, seit zwei Jahren Bonner Landgerichtspräsident, sieht in Janßen „ein Urgestein dieses Gerichts. Einen mit viel Tiefgang und Empathie, so sehen ihn auch die Kollegen“. Letzteres verbarg er manches Mal im Gerichtssaal. Janßen redete Tacheles. Er suchte klare Worte jenseits der schwer verständlichen Juristensprache. Er konnte mit der Faust auf den Tisch hauen, wenn er es für nötig hielt.

Walid S. war das letzte Urteil

Wer mit Anwälten über ihn spricht, bekommt zu hören, dass er robust war in der Verhandlungsführung, aber fair und offen. Janßen selbst sagt: „Ich wollte immer genau wissen, was passiert war. Dafür habe ich manchmal auch zwei oder drei Verhandlungstage länger gebraucht.“ Wenn das Bild einer mutmaßlichen Tat während der Verhandlung nicht zusammengepasst habe, „versetzte mich das in Unruhe“.

Sein letztes Urteil verkündete Janßen am Donnerstag gegen Walid S. Sechs Jahre Haft wegen versuchten Totschlags für einen Mann, von dem viele der Überzeugung sind, er habe vor drei Jahren Niklas Pöhler mit Tritten gegen den Kopf getötet. Nicht wenige forderten Sühne für einen Fall, in dem der Angeklagte freigesprochen wurde, über den die Strafkammer aber gar nicht zu verhandeln hatte. Janßen versuchte in der Urteilsbegründung herauszuarbeiten, dass die Öffentlichkeit den jungen Mann vorverurteilt habe. Er kleidete ein Rechtsempfinden in Worte, dass in den Untiefen der sozialen Netzwerke allzu gerne verloren geht. Geschehen war Folgendes: Das Schwurgericht hatte unter der Führung von Josef Janßen den Filter der Strafprozessordnung über den Verlauf der Verhandlung gelegt und war zu einem Ergebnis gekommen.

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