Bonner Römerlager Demonstration von Macht und Stärke

BONN-CASTELL · Wo hat die Stadt ihren Ursprung? Da gibt es die einen, die sagen, dass Bonn rund um einen Ort gewachsen ist, an dem heute das Münster steht, dass eine frühe christliche Kultstätte der Nukleus der heutigen Stadt ist. Und dann gibt es Menschen wie den Bonner Althistoriker Professor Konrad Vössing, dem diese These eher ein verächtliches Schnauben und deutliche, einordnende Worte entlockt: "Das war eine Friedhofsecke, und gestunken hat es da vermutlich auch."

 Professor Konrad Vössing (links) erläutert den Studenten Janico Albrecht (Mitte) und Ulf-H. Meyer das Modell des Römerlagers. Im Hintergrund liegen die Reste von Bonns erster Kirche.

Professor Konrad Vössing (links) erläutert den Studenten Janico Albrecht (Mitte) und Ulf-H. Meyer das Modell des Römerlagers. Im Hintergrund liegen die Reste von Bonns erster Kirche.

Foto: Martin Ochmann

Für Vössing ist klar: Die Stadt hat ihren Ursprung im Legionslager castra bonnensia. Nur eines von vielen Argumenten: Wonach hat man Straßen wie die Kölnstraße benannt? Nach dem Ort, zu dem sie hinführen. "Und der Name “Bonngasse„ ist uralt. Und wo führt diese Straße hin?", fragt der Professor. Richtig, in Richtung des alten Römerlagers.

"Hier war Bonn", sagt Vössing. Genau genommen, "Bonna", diesen Namen gaben die Ubier, ein Rom freundlich gesonnener Germanenstamm, ihrer Siedlung, die ungefähr am heutigen Bertha-von-Suttner-Platz lag. Dort sei auch ein erstes Hilfstruppenlager gebaut worden, keltische Gallier seien dort stationiert gewesen, etwa 1000 Mann.

Vermutlich um 43 nach Christus begann man dann mit dem Bau des Römerlagers, das sich sehr genau lokalisieren lässt. Es lag zwischen Rhein, Rosental, der Graurheindorfer Straße und dem Augustusring, auf einem überschwemmungssicheren Hochplateau. Zunächst seien Erde ausgehoben und Holzpalisaden eingerammt worden, später Mauern aus Stein gebaut worden. Mit den Fingern fährt der Professor über das bronzene Römerlagermodell, das im Innenhof einer Wohnanlage an der Graurheindorfer Straße steht.

"Manches ist hier aus der Fantasie geboren, aber diese abgerundeten Ecken, so hat das wirklich ausgesehen." Wo die Mauer des Lagers einst entlanglief, markieren rote Steine im Bürgersteig an der Ecke Rosental/Graurheindorfer Straße.

"Es war ein aus vielen Gründen einzigartiges Lager", sagt Vössing. Schon die Größe sei ungewöhnlich gewesen. Es war ein Lager für eine ganze Legion, Soll-Stärke 6000 Mann. Eine eindeutige Erklärung für die Dimensionen gebe es nicht. Eine sei, dass neben den Legionären, bestehend aus römischen Bürgern, dort auch lokale Hilfstruppen untergebracht wurden. "Wahrscheinlich hatte es auch eine erhebliche logistische Funktion", so der Professor. Und: "Es muss einen Hafen gegeben haben", sagt Vössing. Denn dass die praktisch veranlagten Römer auch nur einen einzigen der Steinquader, die sie am Drachenfels holten, über den Landweg transportiert hätten, sei äußert unwahrscheinlich. Gefunden sei der Hafen allerdings noch nicht. "Ich habe mich schon bei Niedrigwasser umgesehen, gesehen habe ich nichts."

Typisch für jedes Römerlager seien die beiden Hauptachsen gewesen, schnurgrade Verbindungsstraßen von Nord nach Süd und Ost nach West, cardo und decumus genannt. Auch sie sind heute noch lokalisierbar als Römerstraße und Nordstraße.

Die Legion, die dort einst untergebracht war, hieß "Legio I Minervia". Auch sie sei eine relativ ungewöhnliche Legion gewesen. Während es ansonsten üblich war, dass die Legionen immer wieder zeitweise an Krisenherde im Reich verlegt wurden, blieb "LIM", so das Kürzel der Legion, aufgedruckt auf jeden Ziegel, immer in Bonn. Nur einmal sei die Legion während der Partherkriege verlegt worden.

Insgesamt konnten die Legionäre des castra bonnensia über lange Zeiträume wohl eine relativ ruhige Kugel schieben. Eine große Schlacht habe es während der Bataveraufstände 69/70 nach Christus gegeben, die Soldaten mussten sich aber nicht alle Nase lang mit kriegerischen Germanen herumschlagen. "Die Stärke eines Legionslagers waren seine Insassen. Mehrere Tausend trainierte Soldaten auf reichlich Vorräten. Es ging zu einem guten Teil immer auch um Demonstration von Macht", sagt Vössing.

Bemerkenswert findet er, dass sich das Leben außerhalb des Lagers fast nur im Süden abgespielt hat, wohingegen man nach Norden hin nur wenige Funde macht. Im Süden lag die zivile Siedlung (vicus), in der unter anderem die Händler lebten, aber auch die Frauen oder Kinder der Legionäre.

Über das Ende des Lagers sei wenig bekannt. Vermutlich sei es ein schleichender Prozess gewesen, nach Truppenreduzierungen zogen Zivilisten ins Lager, immer wieder überrannten Germanen, darunter die Franken, das Lager. Die sollen unter anderem im 4. Jahrhundert ein Massaker unter den Bewohnern angerichtet haben. Aus den Resten des Römerlagers bauten die frühen Bonner dann ihre erste Kirche. Ihre Fundamente liegen heute neben dem bronzenen Modell des Lagers.

Der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland bietet jeden 3. Sonntag eine kostenlose Führung zum römischen Bonn an. Treffpunkt ist jeweils 15 Uhr am Collegium Albertinum, Adenauerallee 17-19. Weitere Infos im Internet auf www.av-rheinland.de.

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