Schweigeminute für die Ertrunkenen im Mittelmeer Demo in Bonn für das Recht auf Asyl

Bonn · Die Migration nach Europa und ihre Folgen – nicht nur auf höchsten politischen Ebenen, auch im lokalen und privaten Umfeld bleiben sie ein Dauerthema und garantieren Kontroversen. 150 Teilnehmer kamen am Freitagabend zu einer Kundgebung auf dem Münsterplatz.

 Susanne Rohde hängt Namenslisten von bestätigten Todesopfern im Mittelmeer auf.

Susanne Rohde hängt Namenslisten von bestätigten Todesopfern im Mittelmeer auf.

Foto: Benjamin Westhoff

An mehreren Ständen tauschten die Besucher derweil ihre Erfahrungen aus. Und ein Mitsing-Ensemble brachte ein wenig Kirchentagsatmosphäre an die zugige Ecke vor dem Leffers-Kaufhaus. Angemeldet hatten die Versammlung Organisationen aus der Flüchtlingshilfe, Menschenrechtsorganisationen, linke Gruppen und Vertreter der Kirchen.

Man wolle, so hatten sie es in ihrem Aufruf formuliert, „ein Zeichen setzen für die humane und solidarische Aufnahme geflüchteter Menschen, für ein gestärktes Asylrecht und gegen die Politik fortgesetzter Abschottung der reichen Länder, gegen den zunehmenden Rassismus und Nationalismus, die unsere und die europäische Gesellschaft belasten“. Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der im Mittelmeer ertrunkenen Menschen.

„Ich hätte mir gewünscht, dass es heute viel mehr werden“, begann Ulrich Franz von der Gruppe Attac seine Rede, in der er es als Skandal bezeichnete, dass Europa versuche, Menschen von ihrem Weg in ein menschenwürdiges Leben abzuhalten. Denn, so sein Argument, während die meisten in unmittelbarer Nähe zu ihren Heimatländern verblieben, suchte nur ein geringer Teil den Weg nach Europa.

Ein noch größerer Skandal sei es, dass Menschen auf diesem Weg ertrinken, so Franz, der zudem die „Kriminalisierung der Seenotrettung“ kritisierte. In der politischen Debatte darüber steht bekanntlich die gegenläufige These im Raum, dass der Schiffstransfer durch Nichtregierungsorganisationen ein Teil des Problems sei, weil sich Schlepperbanden auf diese Dienste verließen und somit zu ihrem kriminellen Handeln ermuntert fühlten.

Lena von Seggern von der Diakonie Bonn kritisierte, dass Migranten auf Grundlage der Dublin-Verordnung in EU-Länder zurückgebracht würden, in denen ihnen Not und Obdachlosigkeit drohten. Und eine afghanische Lehrerin plädierte anhand eines Lageberichts in ihrer Heimat gegen Abschiebungen in das Land am Hindukusch. Rahim Öztürker, Vorsitzender des Bonner Integrationsrates, sagte am Rande der Veranstaltung, in Bonn werde Willkommenskultur noch immer groß geschrieben, und zahlreiche Haupt- und Ehrenamtliche setzten sich täglich für ein gutes Zusammenleben von Alteingesessenen und Einwanderern ein. Dieses Engagement dürfe nicht durch immer mehr repressive Maßnahmen und Gesetze konterkariert werden.

Erst in der vergangenen Woche hatten die EU-Staatschefs bei ihrem Treffen in Salzburg unisono angekündigt, konsequenter gegen illegale Einwanderung vorgehen, den Missbrauch des für politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge vorgesehenen Asylrechts eindämmen zu wollen und Menschen ohne Aufenthaltstitel konsequenter zurückzuführen. Nach Angaben des Innenministeriums gab es 2017 24 000 Abschiebungen und 32 000 freiwillige Ausreisen. Darunter sind auch viele Ausländer, die nichts mit Asylverfahren zu tun hatten. Demgegenüber standen 342 000 negative Asylentscheidungen, also Ablehnungen oder sonstige Verfahrenserledigungen.

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