Interview zum Verkehr in Bonn "Autofahrer sind auf Fahrradstraßen nur Gast"

Bonn · In der Bonner Innenstadt bahnen sich Veränderungen der Verkehrsführung an. Der erweiterte Cityring soll ab dem 1. September erprobt werden, die Kaiserstraße Radlern und Bussen mehr Platz einräumen. Ein Interview.

Für den erweiterten Cityring hatte sich die Koalition mit weiten Teilen der Opposition auf eine Variante festgelegt. Oberbürgermeister Ashok Sridharan überraschte die Politik nun kurz vor der Ratssitzung mit einem neuen Lösungsvorschlag. Dazu Stadtbaurat Helmut Wiesner im Interview.

Herr Wiesner, der Oberbürgermeister hat einen weiteren Lösungsvorschlag für eine fahrradfreundliche Lösung in der Kaiserstraße aus dem Hut gezaubert. Waren Sie überrascht von diesem Vorstoß?

Helmut Wiesner: Seine Variante ergab sich aus der Diskussion im jüngsten Hauptausschuss. Für solche Debatten sind die Gremien ja im Grunde auch da.

Die neue Idee ist, eine Umweltspur für Busse und Radler stadtauswärts einzuführen und Autoverkehr nur noch in Fahrtrichtung Innenstadt zuzulassen. Was halten Sie davon?

Wiesner: Die Autofahrer hätten eine Ausweichroute zur B9 in Fahrtrichtung Norden. So war es auch bei der ursprünglich von der Verwaltung vorgeschlagenen Variante 1. Etwas ungewöhnlich ist bei der neuen Variante der Linksverkehr für den Radverkehr. Die Radler würden stadtauswärts mit den Bussen fahren, rechts daneben kämen ihnen die Radler auf dem Radweg entgegen. Englische Verhältnisse. Wie bei den anderen von uns vorgestellten Varianten würden die 51 Parkplätze auf der Kaiserstraße wegfallen und eine Tempo-30-Zone eingerichtet.

Wäre die englische Verkehrsführung rechtlich überhaupt möglich?

Wiesner: Das werden wir bis zur Ratssitzung am Donnerstag abschließend prüfen. Nach jetzigem Stand gehe ich aber davon aus.

Heute fahren recht wenig Autos über die Kaiserstraße in die Stadt, weil es an der Maximilianstraße nicht weitergeht. Mit dem erweiterten Cityring wäre die Durchfahrt bis zum Hauptbahnhof wieder möglich. Das zieht doch zusätzliche Autos an, oder nicht?

Wiesner: Davon ist auszugehen. Wir haben Zahlen über den Status Quo und müssen Vergleichszählungen machen.

Die Ratskoalition und Teile der Opposition haben bislang eine Variante bevorzugt, die eine Einbahnstraßenregelung stadtauswärts vorsieht. Nehmen wir an, der OB findet für seine Idee eine Mehrheit, wäre der Cityring am Hofgarten überhaupt noch notwendig?

Wiesner: Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen. Für die Erreichbarkeit der Parkhäuser brauchen wir den Cityring in der Innenstadt nicht. Über den Linksabbieger am Belderberg, den wir mit Zustimmung der Politik jetzt fest installieren können, erreichen Autofahrer aus dem Süden den Bertha-von-Suttner-Platz und können, sobald das Parkhaus an der Rabinstraße fertig ist, auch den Hauptbahnhof anfahren. Es gibt allerdings Teile der Stadtgesellschaft, die der Auffassung sind, man müsse den Hauptbahnhof durch die Innenstadt erreichen. Der sogenannte erweiterte Cityring soll das bei gleichzeitiger Entlastung der Rathausgasse/Am Hof gewährleisten. Wenn der Stadtrat den Versuch beschließen wird, beginnt die Verwaltung ab dem 1. September mit diesem Pilotprojekt. Gewünscht ist nach der letzten Diskussion im Planungs- und Verkehrsausschuss eine Testphase mit und eine ohne Sperrung der Stockenstraße.

Was bedeutet das für die Anwohner, deren Häuser und Wohnungen am „neuen Cityring“ liegen?

Wiesner: Nach unseren Berechnungen wird sich die Zahl der Autos in diesem Abschnitt im Vergleich zu heute höchstens marginal erhöhen, wenn überhaupt. Die Fritz-Tillmann-Straße wird zur Einbahnstraße und ist nicht mehr in beide Richtungen befahrbar wie derzeit. Bei einer Sperrung der Stockenstraße und der Freigabe der Rathausgasse nur noch für den Radverkehr und die Linienbusse haben die Prognosen ergeben, dass die Zahl der Autos vor der Uni in der Straße Am Hof von etwa 6500 auf rund 3700 täglich sinken wird, weil die Fahrzeuge – bis auf den Lieferverkehr und die Busse – nur aus der Marktgarage kommen.

Inwiefern spielen diese Änderungen im Verkehr eine Rolle bei den notwendigen Umplanungen des Busbahnhofs?

Wiesner: Für die Planung des neuen Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) ist entscheidend, dass bekannt ist, wie viel Autoverkehr dort vorbeifahren wird. Nur wenn die Verkehrssituation geklärt ist, können die Planer hier zielführend weiterarbeiten.

Die Veränderungen in der Kaiserstraße sollen Radfahrern mehr Freiheit bieten. Der Verkehrsausschuss hat auch einem Radkonzept mit weiteren Bestandteilen zugestimmt. Welche Stellen will die Verwaltung als nächstes angehen?

Wiesner: Wir haben eine Arbeitsgruppe Radverkehr gebildet, um besser amts- und dezernatsübergreifend agieren zu können. Sie besteht aus Mitarbeitern der drei beteiligten Ämter. Das sind das Planungsamt, das Straßenverkehrsamt und das Tiefbauamt. Sie haben die Aufgabe, Ideen für eine Verbesserung des Radverkehrs zu entwickeln und vor allem umzusetzen. Zu den zentralen Projekten gehört zunächst die Verbreiterung der Radwege auf der Ost-West-Verbindung zwischen dem Alten Friedhof und dem Bertha-von-Suttner-Platz und von dort bis zur Zweiten Fährgasse in beiden Fahrtrichtungen. Geplant ist auch ein geschützter Radweg von der Kreuzung Bertha-von-Suttner-Platz/Belderberg bis zur Sandkaule in Richtung Norden, wie es ihn beispielsweise in Kopenhagen gibt, auch eine Art Pilotprojekt, das Vorbild für weitere Radwege sein könnte. Ebenfalls in der Pipeline ist eine Radstraße über Heerstraße und Rosental bis zum Erzbergerufer, bei der Radler statt der „Rechts-vor-Links-Regelung“ weitgehend Vorfahrt haben.

Bringen diese Fahrradstraßen, die ja eigentlich nur mit dem Aufstellen einiger Schilder verbunden sind, wirklich eine Verbesserung?

Wiesner: Ich bin der Auffassung, dass noch nicht überall angekommen zu sein scheint, welche Regeln auf solchen Fahrradstraßen gelten. Der Autofahrer ist dort Gast. Er hat mit Vorsicht zu fahren. Und Radfahrer dürfen in solchen Straßen auch nebeneinander fahren. Wir werden dieses Angebot weiter ausbauen und die Fahrradstraßen vernetzen.

Sie konzentrieren sich zuerst auf das Zentrum. Wie geht es in den Randbereichen weiter?

Wiesner: Die Arbeitsgruppe soll den Blick auch auf die Stadtteile ausweiten. Die Nord-Süd-Route etwa ist auch im Bereich Reuterbrücke und in Bad Godesberg noch zu optimieren. Wichtig ist, dass wir jetzt vermeintlich einfache Maßnahmen angehen, die prinzipiell schnell und ohne große Kosten umsetzbar sind, ohne die bauintensiven Radpendlerrouten in der Rheinaue oder nach Bornheim zu vergessen.

Auf Wunsch der Linken ist der Prüfauftrag ins Radkonzept aufgenommen worden, die äußeren Spuren auf Oxfordstraße und Bertha-von-Suttner-Platz in beiden Fahrtrichtungen als Umweltspuren auszuweisen, also autofrei zu halten. Ist das für Sie ein sinnvoller Vorschlag?

Wiesner: Wir werden das prüfen. Über den Bertha-von-Suttner-Platz fahren täglich 30.000 Autos. Ich bin der Auffassung, dass wir hier sehr genau abwägen müssen. Für solche Maßnahmen brauchen wir eine Einschätzung, was eine Kapazitätseinschränkung für den Individualverkehr im Gesamtnetz bewirkt. Um solche einschneidenden Maßnahmen umsetzen zu können, müssen wir dringend weiter daran arbeiten, bessere Alternativen zu bieten. Viele, aber nicht alle Wege können mit dem Rad zurückgelegt werden. Wir brauchen auch einen zuverlässigen und verbesserten Nahverkehr. Nur dann werden Restriktionen für den Individualverkehr auf ausreichend breite Akzeptanz treffen.

Die Stadtwerke haben der Verwaltung auf Wunsch der Politik erste Vorschläge unterbreitet, wie Busse zuverlässiger ihre Ziele erreichen. Haben Sie erste Erkenntnisse, wo Busspuren oder veränderte Ampelanlagen die Situation verbessern können?

Wiesner: Das ist ein dickes Paket, das man nicht nebenbei abarbeiten kann. Die Verwaltung prüft derzeit beispielsweise, ob Umweltspuren in der Endenicher Straße und auf dem Hermann-Wandersleb-Ring möglich wären. Das wäre ein großer Gewinn für mindestens vier Buslinien. Ein großes Problem sind auch Falschparker. Man könnte also darüber nachdenken, den Ordnungsdienst anders aufzustellen, um hier konsequenter durchgreifen zu können. Nach der Sommerpause wollen wir mit Ergebnissen und Vorschlägen in die politischen Gremien gehen.

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