Kommentar zum WCCB Das Bonner Trauma

Meinung | Bonn · Im kommenden Jahr sind es zehn Jahre, die seit dem Scheitern des WCCB-Projekts vergangen sind. Die Nachwirkungen dieses Falles belasten Bonn bis heute. Ein Kommentar von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

Ist es angesichts widersprüchlicher Gerichtsentscheidungen, verantwortungsscheuer ehemaliger Entscheidungsträger und giftiger Streitereien um die Deutungshoheit nicht an der Zeit, auch die Aufarbeitung für gescheitert zu erklären und zur Tagesordnung überzugehen?

Ein Schlussstrich hat ein paar Vorteile. Wie ein Trauma lastet das gescheiterte Projekt auf Rathaus und Politik. Das Selbstvertrauen, auch große Projekte über die Bühne zu bekommen, hat schweren Schaden genommen. Unter Bärbel Dieckmann war vielen im Stadthaus offenbar nicht klar, dass die rheinische Art und Weise, auch große Vorhaben wie die Reparatur von Schultoiletten zu organisieren, ihre Grenzen hat. Das Scheitern des Festspielhauses ist eine unmittelbare Folge des verlorenen Vertrauens.

Dass die Lernkurve im Rathaus nur flach war, zeigt hingegen die Sanierung der Beethovenhalle, die viele Fehler erkennen lässt, die die Stadt schon einmal gemacht hat. Jetzt geht es bald um die Oper, um die Godesberger Stadthalle und die Kammerspiele: Wie Bonn das angesichts seiner notorischen Schwäche schaffen will, ist nicht zu erkennen. Ein Schlussstrich würde bedeuten, sich endlich ehrlich zu machen, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten zu erkennen und diese ernst zu nehmen. Dafür wäre eine seriöse interne Aufarbeitung notwendig, die nicht nach Schuldigen sucht, sondern nach strukturellen Ursachen.

Ein Hindernis bei diesem Schlussstrich ist die ehemalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann. Sie lebt offenkundig inzwischen ganz komfortabel mit ihrer eigenen Wahrheit, die mit vielen Fakten der juristischen und publizistischen Untersuchung nur schwer in Einklang zu bringen ist. Dass sie sich in den Beirat von Transparency International hat berufen lassen, spricht für einen Freispruch in eigener Sache, den sie sich erteilt hat. Juristisch beraten, hat sie sich früh entschlossen, so zu handeln, als habe sie mit der WCCB-Sache nur am Rande zu tun gehabt.

Damit ist sie bisher gut gefahren, obwohl es natürlich und für jedermann erkennbar Unsinn bleibt. Doch darüber hinaus äußert Frau Dieckmann sich nicht. Deshalb ist sie auf dem besten Weg, eine tragische Figur zu werden. Nur sie allein kann aufklären, wie es zu der fatalen Nebenabrede kam, die allein die Stadt mehr als 100 Millionen gekostet hat. Sie tut es nicht und verhält sich am Ende ähnlich wie Helmut Kohl, der auch nicht verstehen wollte, dass sein Ruhm als Wegbereiter der Einheit durch die Parteispendenaffäre für immer verdunkelt sein würde. Sie hat nicht verstanden, dass die Frage der juristischen Schuld das eine, die Frage der politischen Verantwortung etwas anderes ist.

Grundsätzlich richtige Entscheidung

Frau Dieckmann hat den Strukturwandel Bonns nach dem Abzug von Regierung und Parlament klug und umsichtig in die Wege geleitet. Die Entscheidung für das Kongresszentrum war grundsätzlich richtig und weitblickend. Dass es ihr jetzt noch nicht einmal gelingt, öffentlich so viel Verantwortung für die Vorgänge rund um das WCCB zu übernehmen, wie ihr qua Gesetz als Oberbürgermeisterin zukommt, ist eine Enttäuschung. Ihre Entscheidungen waren zu ihrer Zeit von einer breiten Unterstützung der Wähler getragen. Sie war eine angesehene Oberbürgermeisterin. Diesen Menschen, ihren Wählern, bleibt sie verpflichtet.

Bärbel Dieckmann ist die Einzige der politisch damals Aktiven, die aus eigener Kraft einen Schlussstrich ziehen könnte. Sie wird es nicht tun und unter einer verbreiteten gesellschaftlichen Isolierung leiden. Befreien kann sie sich daraus nur selbst. Ihr Schweigen belastet die Stadt und ihre Entwicklung. Solange sie nämlich die zentralen und einfachen Fragen nicht beantwortet, wird die Akte nicht geschlossen.

Aufarbeitung hat nicht stattgefunden

Am Ende bleibt nur, einen Fehlschlag zu diagnostizieren. Die Aufarbeitung der Affäre ist in den Mühlen der Justiz, in der Politik und in den persönlichen Stärken und Schwächen der Akteure hängengeblieben. Der Spott von der Theaterbühne ist ein klares Indiz. Eine politische Aufarbeitung hat im Grunde nicht stattgefunden. Hier liegt die Ursache des Bonner Traumas. Vielleicht ringt sich die Stadt, vielleicht ringt sich Frau Dieckmann am Ende doch noch dazu durch, Bonn einen Dienst zu erweisen.

Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung. Und es geht um Schlussfolgerungen: Was haben die verantwortlichen Akteure im Rathaus, die beteiligten und die unbeteiligten gelernt? Eine Antwort wäre schön.

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