Verhandlung in Bonn Cum-Ex-Prozess stellt Landgericht vor Herausforderung

Bonn · Mit der Verhandlung des Cum-Ex-Skandals steht das Landgericht Bonn vor einer seiner größten Herausforderungen. Die Hauptakte nebst Sonderheften und Beiakten umfasst rund 20.000 Blatt.

 Blick auf die Anklagebank: Beim Prozessauftakt im Fall der ersten Cum Ex-Verhandlung Anfang September ist das Medieninteresse groß.

Blick auf die Anklagebank: Beim Prozessauftakt im Fall der ersten Cum Ex-Verhandlung Anfang September ist das Medieninteresse groß.

Foto: Benjamin Westhoff

Vor zwei Jahren noch galt Cum Ex im Hause Justitia als höchste Geheimsache. Eine Chiffre für einen höchst brisanten Fall, über den auf den Gerichtsfluren nur konspirativ gesprochen wurde. Bis Anfang 2018 endgültig klar war: Das Bonner Landgericht wird der juristische Schauplatz für den sogenannten Cum-Ex-Skandal, den manche für den größten Steuerraub der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte halten. Mit anderen Worten: Cum Ex steht auch für eine der größten prozessualen und auch logistischen Herausforderungen am Landgericht in Bonn.

„Kein Gericht sehnt sich nach so einem Großverfahren“, räumt Landgerichtspräsident Stefan Weismann ein, „denn es sprengt vom Umfang her die normale Belastung einer Strafkammer.“ So wie andere Verfahren auch, beispielsweise der WCCB-Betrugsprozess gegen den südkoreanischen Investor Man-Ki Kim, der in Bonn fast zwei Jahre gedauert hat, das Love Parade-Verfahren in Düsseldorf oder die juristische Aufarbeitung des Archiveinsturzes in Köln.

Aber, so hält Weismann im Gespräch mit dem GA gleich dialektisch dagegen: „Ein Rechtsstaat muss auch solche Verfahren bewältigen und darf nicht vor komplizierten Geflechten kapitulieren.“ Oder wie es ein Beobachter am Rande des geglückten Prozessstarts formulierte: „Jeder soll wissen: Wir haben auch bei großen Fischen die Angel draußen.“ Entsprechend wurde das anrollende Cum-Ex-Verfahren in Bonn von Anfang an sehr hoch gehängt und mit aller Sorgfalt angegangen.

Bundeszentralamt für Steuern sitzt in Bonn

Die Bonner hatten viel Zeit, sich auf das komplexe und umfangreiche Verfahren, deren Hauptakte nebst Sonderheften und Beiakten rund 20.000 Blatt zählt, vorzubereiten. Denn die Staatsanwaltschaft in Köln, eine Schwerpunkt-Behörde für Steuerstrafrecht, hatte den Bonnern bereits Ende 2017 erste Hinweise gegeben, dass das Mammutverfahren auf das hiesige Landgericht zukommt.

Der Grund: In Bonn ist der Sitz des Bundeszentralamtes für Steuern. Das Präsidium des Bonner Landgerichts hatte sofort reagiert: Im März 2018 wurde – neben den zwei bestehenden – eigens für das erste Strafverfahren in Sachen Cum Ex eine neue Wirtschaftsstrafkammer eingerichtet, die 12. Große Strafkammer. Für sie wurden drei Berufsrichter – ein Vorsitzender und zwei Beisitzer – vom Land NRW zusätzlich bewilligt und für die Vorbereitung des steuerlichen Milliardenbetrugsfalls weitgehend freigestellt, damit sie sich im internationalen „Irrgarten des Geldes“ orientieren und im komplexen Spezialgebiet von Steuerrecht und Wertpapierhandel „einarbeiten und fit machen“ (Weismann) konnten. Immerhin sei es „ein Musterprozess von großer wirtschaftlicher, aber auch juristischer Bedeutung“, von dessen Ausgang viel abhänge.

Den deutschen Staat um 440 Millionen betrogen

Allein die praktischen Vorbereitungen waren ungewöhnlich: So musste vorab die Anklageschrift gegen zwei britische Aktienhändler, die den deutschen Staat um 440 Millionen Euro betrogen haben sollen, in die englische Sprache übersetzt werden. Parallel haben drei Bonner Dolmetscherbüros an den 653 Seiten mit der schwierigen Spezialmaterie ein halbes Jahr lang gearbeitet. Und damit der zweisprachige Prozess durch langwierige, zumeist ins Ohr der Angeklagten gesprochene Übersetzungen nicht in die Länge gezogen und eine mühsame Performance wird, haben die Bonner eigens für das Verfahren eine Dolmetscherkabine installiert, sodass simultan übersetzt werden kann. Einen Tag vor dem großen prozessualen Showdown wurde das Sprachcockpit in den größten Gerichtsaal eingebaut.

Falls es zu einer rechtskräftigen Verurteilung der beiden Briten kommen sollte, so die Prognose des Landgerichtspräsidenten, „dann geht es in Bonn erst richtig los. Dann werden viele weitere Cum-Ex-Verfahren, auch mit prominenteren Angeklagten, auf uns zurollen - und uns mindestens zehn weitere Jahre beschäftigen“. Auch darauf ist das Gericht eingestellt: Vorsorglich wurde eine weitere Wirtschaftsstrafkammer (die 13.) eingerichtet, die heute zwar noch ein „Dummy“ ist, aber sofort ihre Arbeit aufnehmen könnte.

„Wir sind gut vorbereitet, hoffe ich“, formuliert es Weismann nach dem Prozessauftakt, der weltweit – bis nach Australien – wahrgenommen wurde und mit „viel Rückenwind“ auch der internationalen Presse gestartet ist.

Die Traumvorstellung des Behördenchefs: „Dass am Ende alle sagen werden: Der Gerichtsstandort Bonn hat seine Aufgabe mit Bravour erfüllt. Hier wurde handwerklich richtig und sauber gearbeitet.“

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