Frühstück mit dem Bonner Neuorologen Christian Elger erforscht Epilepsie und das Kaufverhalten

Bonn · Der Mann fackelt nicht lange. Christian Elger kommt rasch auf den Punkt. Ob der 63-jährige Neurologe über sein langjähriges Fachgebiet - die Epileptologie - oder seine jüngere berufliche Leidenschaft - das sogenannte Neuromarketing - spricht, er ist immer gleich mitten drin.

 Obstsalat zum Frühstück: Auf der Terrasse des Dorint-Hotels auf dem Venusberg lässt sich Neurologe Christian Elger Gesundes schmecken. Weniger vernünftig ist er, wenn es Schokolade gibt.

Obstsalat zum Frühstück: Auf der Terrasse des Dorint-Hotels auf dem Venusberg lässt sich Neurologe Christian Elger Gesundes schmecken. Weniger vernünftig ist er, wenn es Schokolade gibt.

Foto: Max Malsch

Und mit ihm seine Zuhörer. Ganz gleich, ob es sich um Patienten, Studenten, Manager oder einen VHS-Kursus handelt. Keine Frage, Elger, seit 1990 Direktor der Universitätsklinik für Epileptologie auf dem Venusberg, hat gerne Publikum. Aber er weiß auch, was er den Zuhörern schuldig ist: Amüsement und Geistesblitze. Wer versteht davon schon mehr als ein Hirnforscher? Mit ihm traf sich Sylvia Binner.

Christian Elger: Die Forschung auf diesem Gebiet hat gerade erst begonnen. Die Kenntnisse werden in den nächsten Jahren explodieren.

Die Europäische Union habe 500 Millionen Euro für Forschungsprojekte ausgelobt. Noch viel tiefer greifen die USA in die Tasche, um die Vernetzung des Gehirns zu erkunden, zwei Milliarden Dollar mache man dort locker. Da kann Elger schon neidisch werden. Schließlich hat er Erfahrung, wie es ist, Wissenschaft öffentlichkeitswirksam zu positionieren und Geld für Projekte einzuwerben. Im Jahr 2000 hat er mit Kollegen das "Jahrzehnt des menschlichen Gehirns" ausgerufen, 2002 zusammen mit der Universität Bonn und anderen Wissenschaftlern die GmbH Life & Brain gegründet, die sich langfristig selbst finanzieren soll. Nicht nur da ist der Neurologe, Sohn eines Bankdirektors und einer Zahnmedizinerin, interdisziplinär unterwegs. Erforscht nicht nur, wieso die Menschen Geld ausgeben, wann Werbung wirklich wirkt, sondern schreibt auch Bücher darüber, wie sich Chefs den Mandelkern und andere Hirnareale in der Mitarbeiterführung zunutze machen können. Ein Hansdampf in vielen Gassen. Auch dank persönlicher Kontakte.

Elger: Es ist ein Glück, dass der Ökonom Armin Falk einen Ruf nach Bonn erhalten hat. Mit ihm ist eine Freundschaft entstanden, aber auch beruflich ist das eine fruchtbare Zusammenarbeit.

Während des Gesprächs löffelt Elger Obstsalat mit Joghurt. Gesund frühstücke er auch zu Hause, lässt der Mann mit der roten Brille wissen. Sonst schlägt er als Genießer beim Essen schon mal über die Stränge, besonders bei Schokolade. Fast schon sein Markenzeichen: der kahle Schädel.

Elger: Den rasiert mir meine Tochter. Oder ich mache es selbst.

Apropos Kinder. Fünf davon im Alter von eineinhalb bis 25 Jahren hat der gebürtige Augsburger, der in fünfter Ehe verheiratet ist. Jenseits des Familienlebens findet Elger Zeit für durchaus exklusive Hobbys: Er ist nicht nur ein Autonarr, der einen Z 8 fährt und über die Insolvenz der deutschen Sportwagenschmiede Wiesmann trauern kann, sondern auch Hubschrauberpilot und Jäger. Da geht es auch um Koordination, also wieder ums Gehirn und seine Funktionen.

Elger: Wussten Sie, dass sich bis übers zehnte Lebensjahr hinaus entscheiden kann, welche unserer Gehirnhälften für die Sprache zuständig ist? Das Gehirn hat eine hohe Plastizität.

Umso schlimmer findet es der Mediziner, dass in Kindergärten hierzulande nicht mehr für frühkindliche Bildung getan wird. Anders als sein Kollege Manfred Spitzer, der eine "digitale Demenz" der Jugend voraussieht, geht Elger davon aus, dass Stimulation - auch durch Computer - zum weiteren Wachsen der Hirnmasse beiträgt. Nicht umsonst sei diese beim Menschen seit der Steinzeit aufs doppelte Gewicht angeschwollen. Sein Rat: Veränderungen begrüßen, sie machen nicht dümmer.

Das zu befolgen fällt Elger leicht. Anders sieht es im Fall seiner Patienten aus, für die es nicht immer Heilung gibt. Wie für den Jungen aus Russland, der für immer auf dem geistigen Stand eines Vierjährigen stehen bleiben wird. Aber das Gespräch über den Umgang mit dieser Tatsache, das habe der Mutter geholfen. Anders als dem Jungen ging es einem Mann, den Elger im Gefängnis kennenlernte, weil er aufgrund einer Fehlfunktion des Frontallappens gegen Gesetze verstoßen hatte. Nach einer Operation normalisierte sich sein Verhalten.

Elger: Er leitet heute einen metallverarbeitenden Betrieb. Dem würden Sie ihren Hausschlüssel geben.

Eine Erfolgsgeschichte. Dennoch wirft sie am Rande auch die Frage auf, ob Gehirnchirurgie alles darf, was sie kann. Für Elger, der nie selbst das Skalpell führt, sondern seine Wurzeln in der experimentellen Forschung hat, eine immer spannende Diskussion. Als Atheist stelle er sich sowohl den Glaubensfragen, als auch den ethischen Aspekten. Fachleute sind für ihn an der Stelle andere.

Elger: Es ist ein großer Fehler, wenn wir, die wir aus der neurobiologischen Wissenswelt kommen, glauben, wir könnten uns mit Philosophen messen.

Die Meister der Formulierung hätten auf dieser Ebene eben schärfere Waffen, stapelt der wortgewandte Wissenschaftler tief. Ein Loblied singt er dagegen auf die Bonner Universität, vor allem deren Kanzler Reinhardt Lutz, aber auch die Uniklinik, die für seinen Geschmack zu Unrecht in der Kritik steht.

Elger: Es laufen da so viele Shitstorms, dass ich da mal eine Lanze brechen muss.

Was sich der Professor jenseits dessen wünscht, ist die Einsicht, dass in seinem Fachgebiet so gut wie nichts gesichert ist.

Elger: Es kann so sein, aber auch ganz anders.

Die Serie

Für manche ist es die wichtigste Mahlzeit des Tages, für andere nicht mehr als ein hastig heruntergekippter Kaffee. Frei nach dem Motto des Philosophen Ludwig Feuerbach "Der Mensch ist,was er isst", lernt der GA Menschen aus der Region beim Frühstück kennen. Die Spielregel: Der Gast bestimmt, wo was auf den Teller und in die Tasse kommt. Sylvia Binner traf den Bonner Neurologen und Uni-Professor Christian Elger auf der Terrasse des Dorint Hotels auf dem Venusberg.

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