Prozess um Bonner Bombe Bundesanwaltschaft kritisiert Spurensicherung

Bonn · Im Prozess um die Bombe am Bonner Hauptbahnhof hat die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft für Marco G. gefordert. Zudem kritisierte sie die Spurensicherung der Polizei nach dem versuchten Anschlag im Dezember 2012.

Nach fast 150 Verhandlungstagen bleibt für die Bundesanwaltschaft die Sache klar: Die Rohrbombe, abgelegt am Mittag des 10.Dezember 2012 auf Bahnsteig 1 des Bonner Hauptbahnhofs, hätte viele Menschen töten können. Und auch am Urheber haben die Vertreter der Anklage keinen Zweifel: Ihrer Überzeugung nach hat der heute 29-jährige Marco G. aus Bonn die blaue Tasche mit dem von ihm gebastelten Sprengsatz unter den Schalensitz geschoben. Jener Mann also, der sich nun nervös und gezwungenermaßen den Schlussvortrag von Bundesanwältin Duscha Gmel vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf anhört. Nach knapp sieben Stunden teilt sie mit, welches Strafmaß die Anklagebehörde für G. für angemessen hält: lebenslange Haft.

Zwischendurch blättert der konvertierte Moslem im Koran und murmelt eilig Verse vor sich hin. Die Aufmerksamkeit aller anderen Personen im Hochsicherheitstrakt des OLG indes gilt an diesem Montag eher der Bundesanwaltschaft, deren Plädoyer den gesamten Verhandlungstag beansprucht. Stück für Stück arbeitet sich Duscha Gmel im Wechsel mit zwei Kollegen durch die Beweiswürdigung.

Ausführlich legt sie etwa dar, warum es sich nach Überzeugung der Karlsruher Behörde um eine echte Bombe und nicht um eine Attrappe gehandelt habe. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte G. zum einen nicht einen derart hohen Aufwand betreiben und zum anderen die Tasche nicht unter einer Bank verstecken müssen, wo sie nur durch einen Zufall entdeckt wurde.

Fehler beim Bombenbau

Vielmehr hätten die Ermittler nachgewiesen, dass sich der Angeklagte im Internet tatsächlich sämtliche Substanzen besorgt habe, die zum Bau einer funktionstüchtigen Rohrbombe benötigt werden. Über die Konstruktion habe G. sich schon seit April 2011 im Internet kundig gemacht.

Die Anleitung "How to bild a bomb in the kitchen of your mum" war schon an früheren Verhandlungstagen zu einer viel zitierten Quelle geworden. Die Substanzen an den Resten des Sprengsatzes wiesen Übereinstimmungen mit Material auf, das in der Wohnung des Bonner Salafisten gefunden worden war. Auch hätten sich an den im Bahnhof gesicherten Fragmenten DNA-Spuren gefunden, die G.'s Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn zweifelsfrei hätten zugeordnet werden können. Und auch die Identität des jungen Mannes aus Tannenbusch sei laut Expertisen identisch mit jener Person, die seinerzeit von mehreren Kameras gefilmt wurde. Auf den Bildern war der Mann zunächst mit, später dann ohne jene blaue Tasche zu sehen, die Minuten später von Passanten gefunden wurde.

Dass dann keine Katastrophe passierte, führt Bundesanwältin Gmel auf einen entscheidenden Umstand zurück: Dem Angeklagten sei beim Bau der Bombe ein Fehler unterlaufen. "Diesem Fehler ist es zu verdanken, dass es nicht viele Todesopfer gegeben hat", so die Oberstaatsanwältin. Denn: Experten hätten die Wirkung nachgestellt und seien zum Ergebnis gelangt, dass die Bombe in einem Umkreis bis zu drei Metern eine "verheerende Splitterwirkung" entfaltet hätte. Eine Explosion der vier angeklebten Gaskartuschen hätte zudem einen Feuerball von einem Meter Durchmesser erzeugt.

Kritik an Spurensicherung

Dazu kam es bekanntlich nicht: Erst zog ein arbeitsloser Dekorateur die Tasche unter der Bank hervor, warf sie weg und holte Hilfe. Währenddessen blickten zwei Schüler in die Tasche, einer von ihnen rief noch "Eine Bombe!" - und versetzte der Tasche einen forschen Tritt. Ob sich womöglich dabei der fragile Zündmechanismus löste oder ob er eine Stunde später von dem vier Zentimeter dicken Strahl der Wasserkanone der Polizei so zerstört wurde, dass er nicht mehr zu finden war, spielt für die Bundesanwältin keine entscheidende Rolle. "Es wurden alle klassischen Bestandteile einer Sprengvorrichtung gefunden", so Gmel. Und: Der Angeklagte habe angenommen, einen scharfen Sprengsatz abzulegen. Und genau das habe er subjektiv auch gewollt.

Kritik übt Gmel in ihrem Vortrag an der Art der Spurensicherung: So seien damit zunächst Beamte beauftragt worden, die dafür nicht geschult gewesen seien und auch "nicht wussten, wonach sie überhaupt suchen sollten". Erst am Abend sei die Spurensicherung des LKA erschienen. Dafür sei der Fundort schon um 15.30 Uhr für die Medien freigegeben und dabei womöglich Spuren verwischt worden. Und: Noch während der Untersuchung ließ man an jenem Freitag schon wieder Züge durch den Bonner Bahnhof brausen.

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