Havva Özkan Bonnerin ist Pflegerin des Jahres

Bonn · Palliativ-Schwester Havva Özkan setzt sich besonders für ihre Patienten ein - und wird von diesen als "Engel" verehrt. Nun bekam sie sogar ganz offiziell eine bundesweite Auszeichnung als beste Pflegerin des Jahres.

 Havva Özkan wurde bundesweit zur Pflegerin des Jahres 2018 gewählt.

Havva Özkan wurde bundesweit zur Pflegerin des Jahres 2018 gewählt.

Foto: Martin Wein

Zupackende Helfer mit Herz und Verstand, beliebt und witzig, manchmal umworben und immer nah am Menschen – so hatte sich Havva Özkan Krankenschwestern immer vorgestellt. Arztserien im Fernsehen haben dieses Bild in ihrer frühen Jugend geprägt und die Erfahrungen im Krankenhaus bei der Geburt ihrer jüngeren Geschwister.

Zwei Jahrzehnte später hat Havva Özkan ein differenzierteres Bild von ihrem Traumberuf, den sie dann selbst ergriffen hat. Vor allem die Eigen- und die Fremdwahrnehmung stimmten nicht überein, findet sie. „Wir haben nach drei Jahren Ausbildung und bei ständiger Weiterbildung ein großes medizinisches Wissen“, sagt die 33-Jährige. Doch in vielen Krankenhäusern und von der Gesellschaft würden Pflegekräfte nur als diejenigen wahrgenommen, die Patienten „satt und sauber machen“.

Gegen dieses Image kämpft Özkan mit strahlendem Lächeln an. Seit Kurzem ist sie so etwas wie die inoffizielle Botschafterin ihres Berufsstandes. Die Initiative „Herz & Mut“ des Personaldienstleisters Jobtour medical hat die Graurheindorferin unter 750 bundesweit Nominierten zur „Pflegerin des Jahres 2018“ gekürt. Als Preisgeld gab es 5000 Euro.

Özkan, die als Kurdin im Alter von drei Jahren mit ihren Eltern nach Deutschland in ein winziges Dorf in Hessen geflohen war, hat es sich im Berufsleben nicht einfach gemacht. Nach sieben Jahren Aushilfe in der Altenpflege und einer Ausbildung zur Krankenpflegehelferin entscheid sie sich für die Schwestern-Ausbildung. Vier Jahre war sie danach im Johanniter-Hospiz am Waldkrankenhaus in Bad Godesberg tätig. Seit 2017 arbeitet die Bonnerin auf der Palliativ-Station des St. Josef-Krankenhauses in Troisdorf.

Satt und sauber allein ist nicht ihr Ding. Einem sterbenden jungen Mann, der früher leidenschaftlich gerne Volleyball spielte, besorgte sie heimlich einen Ball seines alten Vereins – mit Unterschriften und Genesungswünschen aller Spieler. Der Sterbende vergoss Freudentränen. Einem soeben Verstorbenen legte sie ein selbstgemaltes Herz und eine Rose in die Hände. „Ich hab dich lieb“ war darauf geschrieben. Die Ehefrau des Verstorbenen hat diese Geste auch Jahre später nicht vergessen und in ihrer Nominierung für den Preis geschildert. Patienten, Kollegen und Angehörige nennen Havva Özkan, die jahrelang in Bad Godesberg regelmäßig allein den heiklen Nachtdienst übernahm, in den vier unabhängigen Preisvorschlägen immer wieder einen Engel.

Özkan selbst sieht sich dabei gar nicht als Überfliegerin. Auf ihrer Station genießt sie das kollegiale „Du“ auch mit dem Oberarzt und allen Kollegen. Bei der täglichen Übergabebesprechung werde erwartet, dass auch Pflegekräfte Vorschläge zur Behandlung der schwerstkranken Patienten machten. Grundsätzlich wünscht sie sich ein anderes Pflegemodell wie in Norwegen oder Schweden, bei dem jede Pflegekraft für einen festen Patientenstamm zuständig ist.

Auf der Palliativ-Station ist das schon üblich. Dort muss das Personal nicht nur mit den Patienten, sondern auch mit ihren Angehörigen oft auch schwere Entscheidungen treffen. „Das geht nur behutsam, wenn nicht gerade Gefahr im Verzug ist“. Ihr Glaube helfe ihr dabei, sagt die bekennende Muslima, aber auch die Harmonie und regelmäßige Aussprache im Team sowie Dankbarkeit und Wertschätzung, die sie immer wieder zu spüren bekomme.

Trotzdem gibt es Situationen, die man mit nach Hause nimmt. Wenn etwa kleine Kinder sich von ihren sterbenden Eltern verabschieden – so etwas hängt nach. „Dabei haben die Kleinen viel weniger Hemmungen vor dem Tod als Erwachsene. Wir können viel von ihnen lernen“, sagt Özkan.

Sie selbst ist Single, unternimmt aber viel mit Freunden und ihrer Familie. Rausgehen in die Natur, unten ans Rheinufer, das ist ihr Ding. Und viel lesen. Neben medizinischen Fachbüchern gerne Biographien. „Mich interessiert, wie Menschen knifflige Situationen meistern“, sagt die Krankenschwester. Vielleicht sollte sie selbst ein Buch schreiben? Da lacht sie nur und sagt: „Ich spreche lieber mit unseren Patienten“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort