Wahlanalyse Bonner verlieren das Interesse an den Volksparteien

Bonn · Die Stadt Bonn als Selbstläufer für die konservative Mitte? Lang ist's her. Die CDU erzielte ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl. Die SPD wird es derweil nur wenig trösten, dass es für sie das drittschlechteste aller Ergebnisse ist.

Nutznießer von der Schwächen der Konservativen ist indes nicht mehr allein das linksliberale Lager. Vielmehr profitierten am Sonntag vor allem FDP und AfD. Zu dieser und noch viel mehr Erkenntnissen gelangt der ehemalige Wahlstatistik-Experte der Stadt, Klaus Kosack, nachdem er sich in der Nacht nach der Wahl (und vor seinem 69. Geburtstag) eingehend mit den Zahlen für Bonn beschäftigt hat. Eine Bonner Besonderheit, nämlich der Rekordwert an Briefwahlstimmen (36 gegenüber 29 Prozent vor vier Jahren), hat laut Kosack nicht nur die Wahlbeteiligung in die Höhe getrieben: „Es hat, wie man dem Vergleich mit der Urnenwahl ablesen kann, vor allem CDU und FDP genutzt“, sagt er.

Hinsichtlich der Zugewinne gibt es für Kosack in Bonn mit FDP und AfD zwei große Sieger – bei den Zweitstimmen zählt er auch die Linkspartei dazu. Auffallend ist ebenso, dass nirgends ein Direktkandidat oder eine Partei die 50-Prozent-Marke knacken konnte. Mithin versinken auch in Bonn ehemalige klassische Hochburgen der Volksparteien im Mittelmaß: Die Extremwerte bei den Zweitstimmen schwanken bei der CDU zwischen 38,3 (Ückesdorf-West) und 14,6 Prozent (Ellerviertel). Die SPD erreichte 35.9 Prozent in Neu-Tannenbusch-Mitte, in Röttgen-Süd nur 11,7 Prozent.

Damit einher geht das Phänomen, dass sich die FDP in mehreren Stimmbezirken, etwa in Röttgen, auf Platz zwei zwischen die „Großen“ schieben konnte – sicher ein Verdienst von FDP-Lokalmatador Joachim Stamp. Auch die Grünen pflegen in Bonn ihre Hochburgen und räumten im Wahlbezirk Innere Nordstadt gar die meisten Zweitstimmen ab. Die CDU landete dort nur auf Platz drei.

Auf die Stimmbezirke gesehen, ist jedoch auch in Bonn vor allem die AfD die Nutznießerin der Schwäche der Union: Wo es zweistellige CDU-Verluste gab, konnte die AfD zweistellig zulegen. Wie andernorts punktete die AfD besonders in Stadtteilen mit sozialen Problemen – und kam im nördlichen Gürtel von Graurheindorf bis Meßdorf auf zweistellige Ergebnisse. Die Bindungskraft der beiden Volksparteien, die in den 1970er Jahren über 90 Prozent der Stimmen auf sich vereinten, schwindet weiter.

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