Razzia in Poppelsdorf Bonner soll Militärkleidung für den Dschihad gespendet haben
BONN · Er soll Student der Elektrotechnik sein und ist mutmaßlich an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg eingeschrieben. Verheiratet ist er mit einer Deutschen, die zum Islam konvertiert ist und mit der er drei Kinder hat. Das erfuhr der GA aus seinem persönlichen Umfeld.
Jetzt sitzt Kassem El R. in Untersuchungshaft. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) wirft nach eigener Aussage dem 31-jährigen Libanesen vor, Kleidung nach Syrien geliefert zu haben. Und das für offensichtlich eindeutige Zwecke und im großem Umfang: 6000 Militärparkas, 7500 Stiefel und 100 Militärhemden im Wert von mehr als 130.000 Euro soll er zunächst in Deutschland für den bewaffneten Dschihad in Syrien gekauft und dann mit weiteren Unterstützern über die Türkei nach Syrien transportiert haben.
Wie berichtet, hatten Ermittler am Samstagmorgen gegen 5 Uhr die Wohnung von Kassem El R. im Studentenwohnheim am Jagdweg in Poppelsdorf gestürmt und eine Razzia durchgeführt. Auch die Wohnung seines Bruders Ahmed, 29, war durchsucht worden. Dieser soll Medizinstudent an der Uni Bonn sein. Es heißt, er sei ebenfalls verheiratet und habe zwei Kinder.
Das Studentenwerk Bonn, das die Wohnungen an Studenten mit Familien vermietet, konnte gestern nichts über die libanesischen Brüder und ihre Familien sagen. "Wir haben nie Hinweise oder gar Beschwerden über die Familien gehabt", sagte Studentenwerk-Pressesprecher Robert Anders. Die Wohnungen würden an Studenten vermietet, die einen Wohnberechtigungsschein hätten und entweder an der Uni Bonn oder der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg studierten.
Die Sprecher der beiden Hochschulen konnten gestern keine Angaben zu den beiden Männern machen. Nach GA-Informationen hatten die Ermittler die Wohnungen der beiden Bonner schon lange im Visier. Die Bonner Polizei reagierte gestern nicht auf Anfrage des GA, die Aachener Polizei verwies Presseanfragen an die Generalbundesanwaltschaft.
Bereits am Samstag waren in Aachen im Rahmen von Razzien in sieben Bundesländern ein Tunesier und ein Russe festgenommen worden, gegen die bereits ein Haftbefehl bestand. Sie sitzen wie Kassem El R. und ein weiterer Verdächtiger, der in Aachen wohnende Deutsch-Marokkaner Mounir R., in Untersuchungshaft. Während dieser sowie der Tunesier und der Russe verdächtigt werden, die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) unterstützt zu haben, wirft die Bundesanwaltschaft Kassem El R. vor, die "terroristische Vereinigung" Ahrar al-Sham unterstützt zu haben.
Vor knapp einem Monat hatten Ermittler die Wohnung eines Salafistenpredigers in Bonn durchsucht. Er soll mit sechs anderen den IS mit Fahrzeuglieferungen unterstützt haben. Etwa zwei Wochen später durchsuchte die Polizei im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Wohnung eines Bonner Salafisten, der mit Aktivitäten im Internet den IS unterstützt haben soll. Semir C. ist schon seit längerem dafür bekannt, die Salafistenszene bei ihren Internetauftritten zu unterstützen.
Stichwort: Ahrar al-Sham
Die Salafistengruppierung Ahrar al-Sham gilt hinter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit 10 000 bis 20 000 Kämpfern als größte Gruppe in Syrien, sagte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik dem GA. Wie der IS bekämpfe Ahrar al-Sham mit anderen Verbündeten das Assad-Regime und wolle auf syrischem Boden einen islamischen Staat errichten.
Zugleich kämpfe Ahrar al-Sham unter anderem mit dem Al-Kaida-Ableger Nusra-Front gegen den IS. Da die Türkei und Katar sowie mutmaßlich auch private Geldgeber aus den Golfstaaten Ahrar al-Sham unterstützen, finanzieren sie indirekt Al-Kaida in Syrien, sagte Steinberg. Die Generalbundesanwaltschaft betrachtet Ahrar al-Sham als terroristische Vereinigung.
