Dom wird abgerissen Bonner retten Christusfigur vor Kohlebagger

BONN · Wo vorher die imposante Christusfigur thronte, klafft jetzt ein Loch. Nur der Umriss des Kreuzes erinnert noch an den imposanten Korpus, der die Westseite der ehemaligen Kirche schmückte.

Travestiekünstler Curt Delander und seine Helfer bringen Statue aus dem Immerather Dom in Sicherheit, bevor die Kirche abgerissen wird. Der Immerather Dom, wie er vom Volksmund wegen seiner zwei markanten Türme genannt wird, muss der Braunkohle weichen. Denn Immerath liegt im Revier Garzweiler II. Unter der Erde lagert erstklassige Braunkohle, etwa 30 Millionen alt, die Immerath und elf anderen Dörfern zum Verhängnis wurde. „Der Braunkohlentagebau Garzweiler ist energiepolitisch notwendig und ökologisch verantwortbar und wird sozialverträglich gestaltet“, äußerte sich RWE-Sprecher Guido Steffen. Nach und nach wurden die Bewohner umgesiedelt und die Gebäude abgerissen: das Krankenhaus, der Friedhof und jetzt der Dom.

Kurz bevor die ehemalige Kirche Anfang Januar abgerissen wird, ist es einer Gruppe Bonnern gelungen, die Christusfigur von der Kirche abzulösen und nach Bonn zu transportieren. „Hier im Rheinland wird dem Jesus nicht der Kopf abgeschlagen“, sagt der Bonner Künstler Curt Delander. Er sei schockiert gewesen, als er hörte, dass die hochwertige Steinmetz-Arbeit mit der Kirche beseitigt werden sollte. „Selbst wenn man nichts mit Kirche am Hut hat, muss einem das ja gegen den Strich gehen“, findet der Travestiekünstler. Er gehört zum selbst ernannten „Gertrudis-Team“, das sich um die Kapelle im Bonner Frauenmuseum kümmert. Eine Tochtergesellschaft der RWE hatte der Gruppe zugestanden, die Figur von der Kirche zu lösen. In Zukunft soll der Christuskorpus einen Platz an der St.-Franziskus-Kirche in der Bonner Nordstadt bekommen: „Das ist unser Geschenk an die Gemeinde und an die Menschen aus Immerath“, so Delander.

Viele Alt-Immerather nennen heute einen Ort mit dem sperrigen Namen „Immerath (neu)“ ihr Zuhause. Hans Goeres fährt nur noch selten zurück in sein verlassenes Heimatdorf. Er selbst wurde vor sieben Jahren umgesiedelt. „Es ist ein ganz trauriges Gefühl, nach Immerath zurückzukehren. Mittlerweile wurden mein Elternhaus und mein eigenes Haus rückgebaut, also auf gut deutsch dem Erdboden gleichgemacht. Die Kirche war immer der letzte Anker im Ort.“ Jetzt verschwindet auch sie. Hans Goeres ist Vorsitzender des Kapellenvorstands in Immerath (neu). Die Gemeinde hat von RWE vier Millionen Euro erhalten, die unter anderem in den Bau einer Kapelle und eines Begegnungszentrums geflossen sind.

Ihren einzigartigen Dom könne die neugebaute Kapelle in Immerath (neu) nicht ersetzen, so Goeres. „Es war ein ganz einmaliges Bauwerk im Umkreis mit den zwei markanten Türmen, so etwas Imposantes nachzubauen war natürlich nicht möglich. Wir mussten Vieles zurücklassen. Auch die Christusfigur wäre für die kleine Kapelle viel zu groß gewesen“, erklärt Goeres. Umso mehr freut sich die Gemeinde, dass die Figur nicht den Baggern zum Opfer fällt: „Das bedeutet uns sehr viel. Wir können hinfahren und sie besuchen.“

Wenn die Bagger ab dem 8. Januar anfangen, die Kirche von der Apsis aus abzureißen, werden ihre Schaufeln nur das kreuzförmige Loch treffen. Die Christusfigur aber wird einen neuen Platz in Bonn erhalten und an den einst prachtvollen Immerather Dom erinnern.

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