Sauberes Wasser Bonner bezahlen viel für Abwasser

Bonn · Bonner zahlen im Vergleich zu anderen Städten viel für ihr Abwasser. Doch warum ist das so? Auf Spurensuche in der Bonner Kläranlage.

Jeder Toilettengang, jede Dusche, jede Waschmaschine leitet Abwasser ins Bonner Kanalsystem. Für das laufende Jahr kalkuliert die Stadt mit einem Verbrauch von 150 Litern je Bonner pro Tag. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag von Haus und Grund offenbart, dass Bonn in puncto Abwassergebühren bundesweit zu den zehn teuersten größeren Städten gehört. Die vierköpfige Musterfamilie zahle für 100 Quadratmeter überbaute Fläche auf einem 200 Quadratmeter großen Grundstück bei einem Frischwasserverbrauch von 178,1 Kubikmetern pro Jahr 705,71 Euro.

Niederschlagsgebühren fallen ebenfalls an

Es ist der Preis für die verbrauchte Wassermenge – also für Trinkwasser und für Grund- beziehungsweise Brunnenwasser, das auf dem Grundstück gewonnen wird. „Zusätzlich zahlen die Bonner eine Niederschlagswassergebühr. Die richtet sich nach der Größe der an die Kanalisation angeschlossenen Fläche“, erklärt Stefanie Zießnitz vom städtischen Presseamt. Im Falle der Musterfamilie ist zudem ein Kanalbeitrag von 58,10 Euro im Gesamtpreis ausgewiesen. Laut Zießnitz ist der dort aber fehl am Platz: „Er gehört nicht in die jährliche Abwassergebühr, wird nicht jährlich erhoben und damit auch nicht in die Kosten für den Musterhaushalt eingerechnet.“ Auch ohne ihn liegt die Gebühr aber noch bei 647,61 Euro. Zu bedenken ist allerdings, dass der Haushalt aus der Studie von Haus und Grund nicht dem Bonn-typischen entspricht, der Verbrauch von 178,1 Kubikmetern und die überbaute Fläche sind zu hoch angesetzt. Für die Bonner Gebührensätze wird ein Verbrauch von 150 Kubikmetern pro Jahr für 120 Quadratmeter Fläche zugrunde gelegt. Dafür werden im Jahr 2017 595,30 Euro fällig (2016: 588,00 Euro).

Kostensenkend kann sich die private Aufbereitung von Regenwasser auswirken. Derzeit sammeln laut Stadt etwa 135 Haushalte in Bonn den Niederschlag in einer eigenen Zisterne. Besteht von dieser kein Überlauf in den Kanal und das Wasser wird direkt verwendet – etwa für die Toilettenspülung – sinkt dadurch in aller Regel der Frischwasserverbrauch. „Außerdem entfällt für die an die Zisterne angeschlossenen Flächen die Niederschlagswassergebühr“, so Zießnitz. Ist die Zisterne allerdings an das rund 1000 Kilometer lange Bonner Kanalnetz angeschlossen, wird das in ihr gesammelte Wasser regulär über die Niederschlagswassergebühr abgerechnet.

Am Salierweg kommt jedes Wasser an

Egal welches Wasser, in der Kläranlage am Salierweg kommt alles zusammen. „Ehe das Wasser sauber genug ist, um in den Rhein entlassen zu werden, durchläuft es sechs Beckengruppen“, erklärt Achim Höcherl. Die ursprünglich gelernte Fachkraft für Abwassertechnik ist seit 1994 in den Klärwerken der Stadt tätig, und heute als Sachgebietsleiter verantwortlich für alle vier Anlagen. „Ich mache diese Arbeit mit unendlicher Leidenschaft“, sagt der 46-Jährige. Er weiß auch, dass jeder Bonner selbst Einfluss auf die zu zahlenden Abwassergebühren hat. „Vor allem Feuchttücher verstopfen die Pumpstationen der Anlage. Das führt zu höheren Wartungskosten, die sich letztendlich auch in den Gebühren niederschlagen.“ Auch Kondome, Wattestäbchen, Medikamenten- und Essensreste hätten im Abwasser nichts zu suchen.

Die Kläranlage in Graurheindorf mutet fast idyllisch an: Auf den Nachklärbecken ziehen Möwen ihre Bahnen, es ist entspannend ruhig und abseits der Beckengruppen ist kein Gestank zu vernehmen. „Das ist nicht automatisch so“, erklärt Hendrik Walther, seit 2003 als Leiter der Abteilung Stadtentwässerung. „Da wir hier aber direkt an ein Wohngebiet angrenzen, haben wir höchste Anforderungen an die Vermeidung von Geräusch- und Geruchsemissionen.“ Das schlägt sich ebenso in den Kosten nieder wie die Bonner Hauptstadtzeit: „Bonn ist die einzige Stadt in der grünverkleidete Faulbehälter errichtet wurden“, so der 61-Jährige. „Rechtsrheinisch liegt das Siebengebirge, da wollte die Stadt nicht, dass Gäste aus aller Welt linksrheinisch auf zwei Betonklötze schauen. Das sieht schön aus, kostet aber auch heute noch.“

Dass Bonn historisch bedingt über vier statt nur eine Kläranlage verfügt – vor der kommunalen Neuordnung hatten die damals selbstständigen Stadtteile eigene Anlagen – spiegelt sich laut Walther zudem ebenso in den Kosten wider, wie die architektonisch aufwendig gestalteten Betriebsgebäude.

Stadt investiert 20 Millionen Euro ins Kanalnetz

Pro Jahr investiert die Stadt zudem 20 Millionen Euro ins Kanalnetz. Eine Anordnung der Bezirksregierung. Da in Bonn in Sachen Kanalsanierung ein gewisser Nachholbedarf besteht, würden die Investitionen laut Zießnitz auch in den nächsten Jahren vergleichsweise hoch sein und dann auch in die Abwassergebühren einfließen. Nach jetzigem Stand sollen die Gebühren in den kommenden Jahren allerdings stabil bleiben.

Dass die Bonner einen recht hohen Betrag für ihr Abwasser zahlen müssen, zeigt auch der Blick über die Stadtgrenzen hinaus. Zum Vergleich: Dieselbe Musterfamilie aus der Studie zahlt in Aachen 592,83, in Köln sogar nur 401,30 Euro. Deutlich teurer als in Bonn sind die Gebühren in Potsdam. Die Stadt belegt mit 911,23 Euro den Spitzenplatz, gefolgt von Cottbus mit 838,76 Euro und Mönchengladbach mit 837,08 Euro.

Bei den Kosten spielen auch äußere Faktoren wie die Bevölkerungsdichte eine Rolle. „Wenn auf der einen Seite in einer Region die Bevölkerungsdichte – und damit auch der Frischwasserverbrauch – sinkt, wird das Abwasserkanalsystem weniger genutzt. Damit steigen auf der anderen Seite die Kosten zur Erhaltung des Systems, die auf die Abwassergebühren draufgeschlagen werden“, erklärt Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort