Hospizarbeit Bonner begleiten Schwerkranke ehrenamtlich vor dem Tod

Bonn · Um Sterbende und ihre Familien in der Zeit des Abschieds und der Trauer zu begleiten, hat sich die „Ökumenische Hospizinitiative unter dem Kreuzberg“ gegründet. Der GA sprach mit einigen Mitgliedern des Vereins.

Kann man sich an den Tod gewöhnen?

Wilson Schaeffer (Koordinator): Ich glaube, dass der Gedanke an den Tod und das Sterben die Gestaltung des eigenen Lebens beeinflusst. Der Tod ist allgegenwärtig. Je länger wir leben, umso näher kommt er. Ob ich mich an den Tod gewöhnen kann? Nein, das kann ich nicht. Ich kann nur mit der Gewissheit leben.

Wie stellen Sie sich den Augenblick des Sterbens vor?

Schaeffer: Unterschiedlich. Kurz, ruhig, ein Moment der Stille. Von einem Augenblick auf den anderen wird alles anders, auch für Freunde und Familie. Aus unserer Arbeit wissen wir, dass Angehörige den Augenblick des Todes nach einer langen Leidenszeit oft als Erleichterung empfinden.

Es gibt ein neues Hospiz- und Palliativgesetz in Deutschland. Ist die Betreuung von Totkranken und Sterbenden in unserer Gesellschaft nicht optimal geregelt?

Wilhelm Kötting (Vorstand): Das Gesetz sorgt für bessere Rahmenbedingungen in der hospizlichen Begleitung und Palliativversorgung am Lebensende. Unter anderen ermöglicht es die finanzielle Unterstützung der Sterbebegleitung in Krankenhäusern. In Einrichtungen der Altenhilfe muss zudem eine Palliativversorgung sichergestellt werden, die mit ambulanten Hospizdiensten koordiniert wird.

Ambulante Hospizdienste wie wir werden durch das Gesetz besser unterstützt. Wir können jetzt Zuschüsse auch für unsere Sachkosten beantragen. Für uns ist das eine große Hilfe. Viele andere Kosten müssen wir durch Spenden refinanzieren. Unsere Hilfe und Begleitung ist selbstverständlich kostenlos. Gerade haben wir eine Kooperation mit dem Perthes-Heim in der Mozartstraße geschlossen.

Schaeffer: Aber ich bin zuversichtlich. Wenn die Menschen unter dem Kreuzberg wissen, dass wir unsere Arbeit gut und vor allem gerne machen, dann werden sie uns unterstützen. Dennoch sind wir von einer optimalen Versorgung noch weit entfernt. Derzeit befinden wir uns in der Implementierungsphase. Bewusstseinsveränderungen brauchen Zeit und Geduld.

Was braucht ein Sterbender für seinen letzten Weg?

Sabine Wittrock (Sterbebegleiterin): Das ist ganz unterschiedlich. Das erkennen wir meist erst nach mehreren Gesprächen. Manche wollen reden, andere nicht. Ich habe einmal eine Frau in den letzten Tagen ihres Lebens begleitet, die sich wünschte, dass ich ihr aus einem Buch vorlese.

Schaeffer: Wichtig ist auch, dass wir das gesamte Umfeld einbeziehen. Oft reicht es schon, wenn wir in dieser außergewöhnlichen Lebenssituation für eine gewisse Ordnung und Verständlichkeit sorgen. Es gibt natürlich auch Menschen, die rund um die Uhr eine Begleitung benötigen. Andere wiederum können zu Hause sterben, weil sie von einem ambulanten Pflegedienst, von der ambulanten Palliativversorgung oder dem ambulanten Hospizdienst betreut werden.

Wichtig ist, dass alle Beteiligten ein interdisziplinäres Angebot sicherstellen. Der Sterbende muss in seiner Ganzheit begleitet und versorgt werden. Zu der palliativmedizinischen und pflegerischen Versorgung gehört die hospizliche, psychosoziale, spirituelle und seelsorgliche Begleitung.

Und was brauchen Angehörige in dieser emotionalen Ausnahmesituation?

Schaeffer: In erster Linie kümmern wir uns natürlich um den Sterbenden. Aber auch die Familie sucht einen Zuhörer. Sie ist dankbar, wenn wir uns Zeit nehmen. Wir sind da, und die Angehörigen können erzählen. Viele sind mit der Betreuung eines sterbenden Verwandten überfordert. Sie machen sich Sorgen und Vorwürfe. Unsere Aufgabe ist es dann, genau zuzuhören und zu begleiten.

Wie bereiten Sie ihre Helfer auf diese Arbeit vor?

Schaeffer: Meine Kolleginnen und Kollegen werden in praxisbezogenen Ausbildungskursen gut vorbereitet. Themen wie Kommunikation, Demenz, Palliativmedizin, Spiritualität, nonverbale Kommunikation und Ethik werden darin angesprochen. Im Januar beginnt ein neuer Vorbereitungskurs.

Kötting: Manche erkennen im Laufe der Vorbereitungsphase, dass sie für diese Aufgabe nicht geeignet sind und ziehen sich wieder zurück. Aber auch wir schauen ganz genau auf die Bewerber. Wenn wir sehen, dass jemand die Aufgabe nicht in unserem Sinn erfüllen wird, dann trennen wir uns von ihm.

Was macht einen guten Sterbebegleiter aus? Über welche Tugenden sollte er verfügen?

Inge Kremer (Sterbebegleiterin): Ein Sterbebegleiter muss offen sein und über Zeit verfügen. Wir gehen mit, wir regen an, wir begleiten, aber wir bestimmen nichts. Wir stellen unsere Meinung, unsere Werte und unsere Vorstellungen zurück. Wir achten sehr sorgfältig auf unsere Mimik und Gestik. Einen Sterbenden zu begleiten, erfordert volle Konzentration.

Wittrock: Unsere Arbeit endet nicht zwangsläufig mit dem Tod. Wir haben beispielsweise zwei Frauen aus unseren Gemeinden begleitet, die sich wieder gut erholt haben. Beide besuchen wir jetzt regelmäßig im Rahmen unseres Besuchsdienstes.

Wer sich in der Hospizarbeit engagiert, der muss eine ideale Balance zwischen Nähe und Distanz halten können. Wie schaffen es Hospizhelfer, dass das Leid anderer nicht ihr eigenes Leben beherrscht?

Schaeffer: Eine gute Frage. Spontan würde ich sagen, dass jeder für sich antworten müsste. Als Koordinator der Hospizinitiative ist es mir wichtig, dass die Sterbebegleitung nur ein Teil des Lebens ist. Unsere Helferinnen und Helfer werden von uns gut begleitet. Sie können monatlich an einer Supervision teilnehmen und zu, Praxisbegleitung kommen.

Wenn sie einen großen Austauschbedarf haben, können sie mich immer anrufen. Dieses Angebot nehmen viele gerne an. Nach einem Todesfall zieht sich der Sterbebegleiter in der Regel erst einmal für eine gewisse Zeit zurück. Es ist wichtig, dass auch er sich von dem Verstorbenen verabschiedet. Eine gelungene Begleitung braucht auch einen guten Abschluss. Wenn wir sehen, dass das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz nicht stimmt, intervenieren wir. Gemeinsam versuchen wir herauszufinden, was dazu beigetragen hat. Das Thema Nähe und Distanz wird uns in der Hospizarbeit immer begleiten. Wichtig ist, es anzusprechen und bei Bedarf die Kollegen zu schützen.

Endet Ihre Hilfe mit dem Tod eines Patienten?

Schaeffer: Ja und Nein. Oft kommen die Menschen zu Trauergesprächen vorbei. Es kommt auch vor, dass sie mich in Endenich, in der evangelischen oder katholischen Gemeinde, treffen und dann die Gelegenheit nutzen, um mit mir zu sprechen.

Ist Ihr Verein die einzige ökumenische Hospiz-Initiative in der Stadt?

Kötting: In Bonn gibt es fünf ambulante Hospizdienste, davon zwei ökumenische. Wir und eine in Beuel. Wir haben eine besondere Geschichte. Wir sind aus der ökumenischen Begegnung der katholischen (Sankt Maria Magdalena und Christi Auferstehung) und evangelischen (Trinitatiskirche) Gemeinden entstanden. Der ökumenische Geist treibt uns voran. Dazu werden wir von der Diakoniestiftung „Rat&Tat“ unterstützt.

Gab es einen besonderen Grund, weshalb sich die Gemeinden unter dem Kreuzberg zusammengeschlossen haben?

Schaeffer: Ja. Wir wollten die Gemeinsamkeiten und den Zusammenhalt fördern. Die hospizliche Aufgabe ist so wichtig, dass wir sie in allen Gemeinden anbieten. Mittlerweile haben wir einen Verein gegründet.

Wie wird Ihre Arbeit finanziert? Gibt es Unterstützung von offizieller Seite oder sind sie auf sich gestellt?

Kötting: Wir werden von den beiden Gemeinden unterstützt und können deren Räume nutzen. Die Gemeinden helfen uns auch bei der Akquise von Spenden. In den letzten zwei Jahren wurden beispielsweise vier Benefizkonzerte veranstaltet. Von diesen Einnahmen konnten wir die Vorbereitungskurse finanzieren.

Obwohl uns die Aktion Weihnachtslicht des General Anzeigers sowie einige private Sponsoren großzügig unterstützen, sind wir immer auf Spenden angewiesen. Wir freuen uns über jeden, der unsere Arbeit – in welcher Form auch immer – mit trägt. Helfer und Sponsoren können sich auf unserer Homepage gerne informieren und uns jederzeit ansprechen.

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