Kriminalitätstatistik für Bonn Bonner Polizei erwartet weniger Straftaten durch Zuwanderer

Bonn · Mehrere Sexualstraftaten, mutmaßlich begangen durch Zuwanderer, haben in diesem Jahr in Bonn für Aufsehen gesorgt. Insgesamt liegt der Anteil von Flüchtlingen an der Gesamtkriminalität konstant bei etwa zehn Prozent. Tendenz leicht sinkend.

Es sind diese Fälle, die einer ohnehin erhitzten Debatte zusätzliche Brisanz verleihen: Vor zwei Wochen wurde Eric D. erstmals zur Anklagebank im Bonner Landgericht geführt. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass er es war, der am 2. April ein in der Siegaue campierendes Paar mit einer Astsäge bedroht und die 23-jährige Frau vergewaltigt hat.

Am 17. Mai wurde am Allner See in Hennef ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt. Das Verfahren gegen den 27-jährigen Mann wird demnächst vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts verhandelt. Am Abend des 10. Juni versuchte ein Mann, an der Kennedybrücke eine 25-jährige Frau zu vergewaltigen. Bei der Flucht vor der Polizei sprang er in den Rhein und wurde gefasst. Wie sich herausstellte, war der 27-Jährige bereits einige Wochen zuvor spätabends vor dem „Café Blau“ an der Universität mit einer Attacke gegen eine Studentin aufgefallen.

Asylbewerber

Drei einzelne, aber spektakuläre Kriminalfälle aus der Region, die eines gemeinsam haben: Alle drei Tatverdächtigen kamen mit den großen Flüchtlingsströmen als Asylbewerber oder illegal nach Deutschland. Gerade Sexualstraftaten gilt spätestens nach den zahllosen Übergriffen der Silvesternacht 2015/16 eine besondere Sensibilität.

Bereits zuvor hatten Gewalttaten in Flüchtlingsunterkünften die Bonner Öffentlichkeit aufgeschreckt. Am 1. August 2015 geht ein 24-jähriger Mann aus Guinea am Paulusheim in Endenich auf einen Mitbewohner und auf Polizisten los, die ihn mit Schüssen angriffsunfähig machen. Bei einem Streit in einer Duisdorfer Unterkunft am 9. Februar 2016 wird ein 29-jähriger Marokkaner von einem gleichaltrigen Somalier mit einem Messer schwer verletzt. Am 3. April 2016 ersticht ein 27-jähriger Kosovare einen albanischen Mitbewohner in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Muffendorf.

Doch wie es so ist mit reinen Zahlen: Sie sind interpretierbar. Und je nach Perspektive, Lesart, statistischer Methode – und womöglich ideologischer Motivation – wird sich die These der „Einzelfälle“ ebenso bekräftigen lassen wie die These von der „Häufung“.

Drastische Worte

Dass selbst Strafverfolgungsbehörden zu drastischen Worten greifen, ist selten, kommt aber vor. Politische Debatten löste zu Beginn dieses Jahres bekanntlich die interne Polizeiabkürzung „Nafris“ für nordafrikanische Intensivtäter aus. Und schon Ende 2015 warnten hochrangige Sicherheitsbeamte angesichts der unkontrollierten Massenzuwanderung über die Balkanroute in einem Schreiben an die Bundesregierung, die deutschen Behörden „sind und werden nicht in der Lage sein, diese importierten Sicherheitsprobleme und die hierdurch entstehenden Reaktionen auf Seiten der deutschen Bevölkerung zu lösen“.

Wie nüchtern klingt demgegenüber zwei Jahre später die aktuelle Lagebeurteilung der Bonner Polizei: So sei für das Jahr 2017, sagt Sprecher Frank Piontek angesichts der bis August vorliegenden Daten, zum einen „generell ein Rückgang der Fallzahlen der Gesamtkriminalität“ zu verzeichnen. Zum anderen prognostiziert die Bonner Polizei eine leichte Abnahme des Anteils nichtdeutscher Tatverdächtiger. Der hatte – bezogen auf das gesamte Spektrum der Kriminalität – laut Polizei im Jahr 2016 bei 34,4 und 2015 bei 32,8 Prozent gelegen.

In absoluten Zahlen hatte es die Bonner Polizei (zuständig für die Stadt Bonn sowie weite Teile des Rhein-Sieg-Kreises) im Jahr 2016 mit 5239 ermittelten Tatverdächtigen zu tun, die keinen deutschen Pass hatten. Auf 29,3 (2015) und 32,7 (2016) Prozent beläuft sich der Anteil, wenn man noch all jene Straftaten herausrechnet, die ausschließlich von Ausländern begangen werden können, also Verstöße gegen das Aufenthalts-, Asylverfahrens- oder Freizügigkeitsgesetz). Zugleich gilt: Längst nicht jeder Mensch ohne deutsche Staatsangehörigkeit ist einer der rund 5000 aktuell in Bonn lebenden „Zuwanderer“. So bezeichnet die Statistik all jene, die mit der Flüchtlingswelle in Verbindung stehen.

Anteil unter zehn Prozent

So lag der Anteil von Zuwanderern an der registrierten Gesamtkriminalität im Jahr 2016 landesweit bei unter zehn Prozent – was, gemessen an ihrem niedrigen einstelligen Anteil an der Gesamtbevölkerung wiederum als viel erscheint. Zugleich hat die Nachrichtenlage der vergangenen zwei Jahre den Eindruck gestützt, dass gerade Flüchtlinge in bestimmten Kriminalitätsfeldern besonders auffällig seien.

Für einen härteren Umgang mit Ladendieben etwa machte sich im Mai der Einzelhandelsverband HDE in einem pointierten Schreiben an Bundesregierung und Bundestag stark. Mit Blick auf kriminelle Migranten aus dem Maghreb und Osteuropa schrieb der Verband: „Es ist offensichtlich, dass sich die Sicherheitslage in Deutschland in den letzten Jahren verschlechtert hat und die Politik darauf reagieren muss.“ In einigen zufällig ausgewählten Geschäften und Kaufhäusern in der Bonner Innenstadt wollte sich indes – ohne Angaben von Gründen – niemand zu dem Thema äußern. Nüchterne Zahlen zu konkreten Delikten liefert die Polizeiliche Kriminalstatistik.

Weniger Probleme in Flüchtlingsheimen

Offenkundig ist derweil, dass sich jene Problemklientel aus dem Kreis der Asylbewerber rekrutiert, die im Sommer für Hilferufe aus dem Bonner Ausländeramt sorgte: Weil es dort wiederholt zu Aggressionen gegenüber Mitarbeitern kam, rang die Verwaltung dem Rat für ein weiteres Jahr einen Sicherheitsdienst mit neun Kräften ab.

Weniger Probleme scheint es hingegen in den Flüchtlingsheimen zu geben: „Die Stadt Bonn als Betreiber der Übergangsheime hat vier Vorfälle wegen Sachbeschädigung zur Anzeige gebracht. Darüber hinaus können keine Angaben gemacht werden, wenn die Stadtverwaltung nicht als Geschädigter betroffen ist“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Auch ein anderes Deliktfeld bleibt in Bonn bislang unauffällig: „Politisch motivierte Gewaltdelikte gegenüber Flüchtlingen und Übergriffe auf Asylantenheime sind die Ausnahme“, sagt Polizeisprecher Frank Piontek. In Einzelfällen sei es im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften zu Sachbeschädigungen und Farbschmierereien gekommen.

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