Starke Kritik wegen Twittermeldung Bonner Juristen überprüfen Anzeigen gegen Beatrix von Storch

Bonn · Mit einer Meldung bei Twitter hatte AfD-Politikerin Beatrix von Storch für Aufregung gesorgt. Seit Dienstag sind das Bundesamt für Justiz und das Bonner Amtsgericht für die Ahndung von Hass im Internet zuständig.

Mal sind es Beleidigungen und Verleumdungen, mal wird gegen Flüchtlinge, Ausländer, Politiker, Homosexuelle oder einfach nur den Nachbarn gehetzt und Stimmung gemacht. Lange Zeit galt im Internet das „verbale Faustrecht“. Doch seit 1. Oktober 2017 sind große Plattformen mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern wie Facebook, Twitter und Youtube verpflichtet, gegen Hasskommentare sowie Falschnachrichten vorzugehen – und das unverzüglich. „Innerhalb von 24 Stunden müssen entsprechende Inhalte gelöscht oder gesperrt werden“, erklärt Thomas W. Ottersbach vom Bundesamt für Justiz in Bonn.

Mit einer Meldung in dem Kurznachrichtendienst Twitter an Silvester hatte die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, für Aufregung gesorgt und zugleich eine Diskussion um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgelöst. Von Storch hatte sich über einen Tweet der Kölner Polizei aufgeregt, die Informationen zu den Neujahrsfeiern in mehreren Sprachen veröffentlicht hatte, darunter Arabisch.

Sie schrieb unter anderem von "barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden". Gegen von Storch gingen bis Dienstag über 90 Anzeigen ein, Twitter sperrte sie für zwölf Stunden. AfD-Politiker kritisierten das neue Gesetz. Für dessen Anwendung sind zwei Bonner Institutionen zuständig: Das Bundesamt für Justiz und das Amtsgericht.

Denn das Bundesamt für Justiz ist für die Verfolgung von Verstößen zuständig, das Amtsgericht Bonn ist die alleinige Instanz, um im Streitfall die Strafbarkeit von Kommentaren zu prüfen und Bußgelder zu verhängen. Und die können für ein Unternehmen durchaus schmerzlich sein: Bei systematischen Verstößen drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Zudem müssen ausländische Anbieter ab sofort für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung einen „inländischen Zustellungsbevollmächtigten“ benennen.

Bisher hatte der Gesetzgeber den Netzwerkbetreibern eine Übergangsfrist von drei Monaten gewährt, damit sie ein wirksames, leicht erkennbares, transparentes und ständig verfügbares Beschwerdemanagement einrichten. Seit diesem Dienstag – frühestens dann war erstmals die 24-Stunden-Frist überschritten – wird es ernst. „Werden Hasskommentare nicht im vorgegebenen Zeitraum gelöscht, werden wir aktiv“, ergänzt Ottersbach.

Deutsche Strafgesetze entscheiden, was gelöscht wird

„Der Maßstab, was gelöscht werden muss, wird nicht von den sozialen Netzwerken gesetzt. Maßgeblich sind allein die deutschen Strafgesetze. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz werden keine neuen Löschpflichten geschaffen. Es soll vielmehr sichergestellt werden, dass bestehendes Recht eingehalten und durchgesetzt wird“, erklärt Ottersbach. Auf Bundesebene bleibt das im Herbst von der Großen Koalition verabschiedete Gesetz weiter umstritten. AfD, FDP und Linke würden es am liebsten wieder kippen, und auch aus Publizistik und Kunst erfährt das Gesetz die Kritik, Zensur zu üben. Als zu groß erscheint vielen Kritikern die Grauzone.

Jeder kann einen Netzwerkbetreiber auffordern, rechtswidrige Einträge oder Postings zu löschen. „Man muss noch nicht einmal persönlich betroffen sein“, fügt der Sprecher an. Reagiert der Anbieter nicht innerhalb von 24 Stunden, kann das Bundesamt für Justiz eingeschaltet werden. Dafür steht auf der Homepage seit Jahresbeginn ein entsprechendes Anzeigeformular. Ein Problem, das auch stets von den Kritikern des Gesetzes ins Feld geführt wird, besteht derweil weiter: „Wir überprüfen dann, ob ein Straftatbestand im Sinne des Gesetzes erfüllt ist. Allerdings hält nicht jede subjektive Einschätzung einer objektiven Bewertung stand“, bestätigt auch Ottersbach. Sind seine Mitarbeiter jedoch auch der Meinung, dass Gewalt verherrlichende, grausame oder den öffentlichen Frieden störende Inhalte gepostet worden sind, dann wird das Bonner Amtsgericht eingeschaltet.

Neue Räume für Bundesjustizamt

Viel Zeit blieb dem Bundesjustizamt nicht, um sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten. „Wir mussten schnell reagieren, damit wir mit Beginn des Jahres schlagkräftig agieren können“, so Ottersbach. Dafür mietete die Behörde zusätzliche Büros in Bonn (aus Sicherheitsgründen werden keine weiteren Angaben zum Standort gemacht) an. Dort werden Juristen, Verwaltungswirte sowie Rechtspfleger – etwa 50 neue Arbeitsplätze sind entstanden – die Anzeigen prüfen. „Wichtig war auch, dass wir ein neues Aktenverwaltungssystem geschaffen haben“, erklärt Ottersbach. Nur so sei gewährleistet, dass Fristen eingehalten werden und eine statistische Auswertung erfolgen kann. „Denn es ist wichtig, dass wir ein Auge darauf haben, bei welchem Betreiber sich Beschwerden häufen und wo es sich nur um Einzelfälle handelt“, ergänzt er.

Auch im Bonner Amtsgericht hat man sich auf die neue Rechtslage eingestellt. „Wir haben eine Abteilung eingerichtet, die sich mit der Vorprüfung der vom Bundesamt für Justiz geahndeten Einträge beschäftigen wird“, erklärt Amtsgerichts-Direktorin Birgit Niepmann dem GA auf Anfrage. Wie viel Arbeit auf das Gericht zukommt, das kann sie derzeit nicht beurteilen. „Ich glaube nicht, dass wir überrollt werden“, sagt sie. Man werde zunächst abwarten. Sie vertraut darauf, dass die Netzwerkbetreiber Vorkehrungen getroffen haben, um Hasskommentare zeitnahe zu löschen oder zu sperren.

Falls nicht, müssen sie nach mehrfachen Verstößen vors Bonner Gericht. Dort wird sich Niepmann dann persönlich mit der Angelegenheit befassen. „Für den Anfang bin ich die einzige Richterin, die sich damit beschäftigen wird. Wir warten erst einmal ab wie oft wir tatsächlich aktiv werden müssen“, fügt sie hinzu. Erst dann könne man beurteilen, ab diese Arbeit mit dem vorhandenen Personal erledigt werden kann.

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