Kritik an Messwerten von Stickoxid Bonner Jurist hält Fahrverbote für unzulässig

BONN · Der Bonner Rechtsprofessor Wolfgang Durner hält die einseitige Positionierung der Messstellen für Stickoxide für ein Problem. Er bezweifelt eine EU-weite Vergleichbarkeit, die eine entsprechende EU-Richtlinie allerdings fordert.

 Stickoxide misst das Lanuv an der Bornheimer Straße an einem 50 Zentimeter vom Straßenrand entfernt stehenden Mast mit einer in 2,50 Meter Höhe angebrachten Box.

Stickoxide misst das Lanuv an der Bornheimer Straße an einem 50 Zentimeter vom Straßenrand entfernt stehenden Mast mit einer in 2,50 Meter Höhe angebrachten Box.

Foto: Benjamin Westhoff

Wenn es zu einem Diesel-Fahrverbot in Bonn und in weiteren deutschen Städten kommen sollte, sieht der Rechtswissenschaftler Wolfgang Durner gute Chancen für erfolgreiche Klagen von Autobesitzern. Der Jurist an der Uni Bonn begründet das mit der nach seiner Wahrnehmung einseitigen Auslegung der Vorgaben der EU-Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa. In diesem Text von EU-Parlament und EU-Rat wird beschrieben, wie Messstellen für den Stickoxidgehalt im Stadtgebiet platziert werden müssen. Er ist inhaltlich fast eins zu eins in deutsches Recht überführt worden. In Bonn wird der Grenzwert an der Reuterstraße mit 47 Mikrogramm überschritten. An der Bornheimer Straße wird er nach Jahren des Überschreitens seit vergangenem Jahr mit 40 Mikrogramm gerade so eingehalten.

Umstrittene Proben

Die Vorgaben der EU lassen zu, dass solche Messstellen bis zu zehn Meter entfernt vom Fahrbahnrand und einer Höhe von 1,50 Meter bis vier Metern positioniert werden können. Gleichzeitig fordere die Richtlinie allerdings „ausdrücklich, dass alle Ergebnisse unionsweit vergleichbar sein müssen“, erklärt Durner. Aus seiner Sicht ist das nicht der Fall. Das Landesumweltamt NRW (Lanuv), das die Messorte in Nordrhein-Westfalen festlegt, postiert die Stellen nah an der Straße. Das gilt für Bonn, aber auch für Köln.

Auf der anderen Seite habe laut Durner ein ARD-Filmteam berichtet, dass in der griechischen Stadt Thessaloniki Schadstoffproben auf einem Hochhausdach genommen würden. „Zwar ist die Handhabung der messtechnischen Spielräume im Ausgangspunkt eine fachliche Entscheidung der Verwaltung. Dennoch erscheint es unzulässig, solche Spielräume ergebnisorientiert auszunutzen.“ Es sei zwar nachvollziehbar, dass die EU Toleranzen vorgebe, aber diese dürften nicht einseitig ausgenutzt werden. Wenn durch die Straßenführung nah am Fahrbahnrand gemessen wird, müsste die Probenentnahme zugleich höher angebracht werden, um Vergleichbarkeit zu ermöglichen.

Überschrittene Grenzwerte

Im Lanuv sieht Pressesprecherin Birgit Kaiser de Garcia die Vorgaben der Richtlinie erfüllt: „Uns geht es in erster Linie um Gesundheitsschutz. Die Begebenheiten vor Ort engen uns außerdem darin ein, einen passenden Platz zu finden.“ Zudem sei das Lanuv innerhalb der Landesgrenzen bemüht, die Messstellen möglichst ähnlich zu positionieren, um vergleichbare Werte zu erhalten. Auch das Bundesumweltamt (BUA) sieht die Auflagen erfüllt: „Die Richtlinie gibt auch vor, dass dort zu messen ist, wo die höchsten Belastungen auftreten, und das ist nun einmal in der Nähe der Straße“, erklärte Marion Wichmann-Fiebig, Abteilungsleiterin Luft im BUA.

Ende des Jahres will das Kölner Verwaltungsgericht über die Klage der Umwelthilfe zu Diesel-Fahrverboten entscheiden. Sollte es sich der Haltung des Bundesverwaltungsgerichts anschließen, müsste die Kölner Bezirksregierung solche Fahrverbote als Instrument in die Luftreinhaltepläne für Köln und Bonn aufnehmen, um den Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter endlich einzuhalten. In Köln hat das Lanuv im vergangenen Jahr an sechs Stellen Überschreitungen des Grenzwerts gemessen.

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