Auffahrt in Tannenbusch gesperrt Bonner Feuerwehr sorgt sich vor A565-Sanierung

Bonn · Seit Jahren verfehlen die Bonner Retter das sogenannte Schutzziel – einen hohen Sicherheitsstandard. Folgen hatte dies bislang nicht. Die anstehende Sanierung des Tausendfüßlers bereitet den Rettern allerdings größere Sorgen. Ein Interview mit Amtsleiter Jochen Stein.

Warum strebt Bonn beim Schutzziel seit 10 Jahren nur einen „Erreichungsgrad“ von 80 Prozent an?
Jochen Stein: 80 Prozent sind für uns sportlich. Das liegt an der Bonner Topographie und der Verkehrssituation, die ein zunehmendes Erschwernis ist. Das Qualitätsziel ist aber auch ein sehr hohes: Kommt man statt nach acht Minuten auch nur 20 Sekunden später an, ist das immer noch eine gute Leistungsfähigkeit, aber der Erreichungsgrad für den Einsatz fällt auf Null. Wir erreichen die Einsatzstellen immer noch sehr schnell und in einer sehr guten Qualität.

Die meisten Berufsfeuerwehren peilen trotzdem 90 Prozent an...

Stein: Ja, tun wir langfristig auch. Wir liegen bei 72 Prozent im Schnitt der letzten sechs Jahre. Das heißt nicht, dass bei den anderen 28 Prozent die Leistung schlecht wäre.

Vor zwei Jahren lagen Sie sogar unter 70 Prozent...

Stein: Wir hatten vor einigen Jahren auch schon 78 Prozent. Erfreulich ist, dass wir keine Probleme mit der Personalbereitstellung haben. Wenn Paralleleinsätze zu bewältigen sind, hat das aber Einfluss auf den Zielerreichungsgrad. Ein Beispiel: Das Tanklöschfahrzeug der Wache 1 muss tagsüber häufig zu kleineren Einsätzen wie dem Löschen von Containerbränden. Gibt es zeitgleich einen kritischen Wohnungsbrand, fehlt dieses Fahrzeug mit drei Feuerwehrleuten im Löschzug. Mit Drehleiter und dem zweiten Löschfahrzeug wird beim Wohnungsbrand trotzdem sehr gut geholfen, aber der Erreichungsgrad sinkt auf Null.

Gab es in Bonn in den vergangenen Jahren Verletzte oder gar Tote, weil die Feuerwehr zu spät war?

Stein: Nein. Brenzlig war mal ein Wohnungsbrand an der Heerstraße, wo wir durch ein abgestelltes Fahrzeug aufgehalten wurden. Es ist aber noch mal gut gegangen. An der Stelle hatten wir bisher Glück.

Gibt es noch andere Faktoren außer dem Verkehr, die Sie bremsen?

Stein: Baustellen merken wir immer. Wenn der Godesberger Straßentunnel teilweise gesperrt werden muss, bedeutet das für uns Umwege, die länger dauern.

Machen Ihnen die Großbaustellen der kommenden Jahre Sorgen?

Stein: Wir erwarten mit einer Ausnahme keine deutliche Verschlechterung. Die aktuelle Baustelle auf der A565 östlich der Nordbrücke merkt man schon jetzt sehr stark. Wenn es dort eine Störung gibt, wirkt sich das sofort auf das Stadtgebiet aus.

Und was ist die Ausnahme, von der Sie sprachen?

Stein: Die betrifft die Baustelle des sogenannten Tausendfüßlers. Die Auffahrt Tannenbusch in Richtung Süden muss zeitweise gesperrt werden, direkt vor der Haustür der Feuerwache 1, die sie für die Anfahrt zu Einsätzen in südlichen Stadtgebieten nutzt. Wir werden die Auffahrt langfristig behalten, das war uns wichtig. Aber in der Sperrzeit müssen wir durch die Stadt und erwarten eine Verschlechterung der Hilfsfristen.

Was tun Sie dann?

Stein: Wir überlegen, ob wir in dieser Zeit an der Wache der Freiwilligen Feuerwehr Duisdorf zumindest tagsüber hauptamtliches Personal bereitstellen.

Wie lange wird die Auffahrt gesperrt sein?

Stein: Ein halbes bis ein Jahr. Das wissen wir noch nicht genau.

Was haben Sie bisher getan, um schneller zu werden?

Stein: Wir haben an der Ausrückezeit der Löscheinheiten nach der Alarmierung gearbeitet. Das sind zwar nur etwa 1,5 Minuten insgesamt, aber auch 15 Sekunden, die man da spart, können einen großen Unterschied machen. Seit einem Jahr läuft zudem das Pilotprojekt zur Vorrangschaltung von Ampelanlagen für die Feuerwehr auf der Bornheimer Straße, am Stadthaus vorbei, über Belderberg zur Adenauerallee. Im städtischen Verkehrsleitrechner ist diese Alarmstrecke einprogrammiert. Sie wird von unserem Einsatzleitrechner ausgelöst. Die ersten Ampeln von der Wache 1 aus sind noch zeitgeschaltet, ab dem Heinrich-Böll-Ring gehen sie auf Grün, sobald sich der Löschzug nähert – gesteuert über das GPS-Signal des Führungsfahrzeugs.

Und wie klappt das Projekt?

Stein: Sehr gut! Wir haben Videos, auf denen man sehen kann, dass am Stadthaus selbst im Berufsverkehr die Straße leer und die Ampel grün ist. Die Unterführung dort ist für uns besonders kritisch: komplizierte Kreuzung am Berliner Platz, hohe Staugefahr, kein Raum für die Autofahrer, um eine Rettungsgasse zu bilden. Das Ampelprojekt bringt uns eine Zeitersparnis von mehreren Minuten. Es verstetigt den Verkehrsfluss, macht das Ganze auch sicherer. Wir müssen sonst an jeder roten Ampel fast bis zum Stillstand abbremsen.

Reagieren Autofahrer auf Blaulicht diszipliniert genug?

Stein: Grundsätzlich schon. Manche Autofahrer meinen, sie müssten noch ein Stück fahren, um den Weg zu räumen. Man sollte sich aber einfach zur Seite stellen, notfalls auf den Gehweg, bis die Einsatzfahrzeuge vorbei sind.

Wie geht es jetzt weiter?

Stein: Wir haben ein gutes Dutzend Strecken definiert, die eine gewisse Einsatzfrequenz und eine Zahl von Ampeln aufweisen, die man steuern kann. Als nächste Strecke wird der Hermann-Wandersleb-Ring programmiert. Ich wäre froh, wenn wir das Projekt binnen fünf Jahren auf alle vorgesehenen Strecken ausrollen könnten. Für viele Beteiligte auf der technischen Seite ist das aufwändig, und es ist kostenträchtig. Es ist aber deutlich günstiger als neue Feuerwachen. In zweieinhalb Jahren prüfen wir, ob wir mit Ampelsteuerung und optimierten Ausrückzeiten das Schutzziel erreichen. Oder ob wir – und das würde rechnerisch zwei bis drei Prozent bringen – auf der Wache 1 tagsüber ein weiteres Tanklöschfahrzeug mit drei Feuerwehrleuten stationieren, um die Paralleleinsätze besser zu bewältigen.

Und wenn Sie nicht mindestens 78 Prozent Erreichungsgrad schaffen, braucht Bonn neue Wachen, so wie das andere Städte machen?

Stein: Wir sehen als verantwortbar an, es zunächst mit den anderen Maßnahmen zu versuchen. Neue Wachen sind eine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit weiter zu verbessern – etwa in der Gronau. Von allen drei bestehenden Wachen braucht man dorthin relativ lange. Gleichzeitig haben wir dort hohe Einsatzzahlen. Es wird relativ viel gebaut, darunter große Sonderbauten, das ist auch wachsendes Risiko. Der andere Bereich ist der Stadtbezirk Hardtberg, wo wir sehr leistungsfähige ehrenamtliche Feuerwehren haben. Dort diskutieren wir auch, ob eine Wache der Berufsfeuerwehr sinnvoll wäre. Für den Betrieb rund um die Uhr braucht eine Wache etwa 50 Feuerwehrleute. Das kostet.

Können Sie eine Hausnummer nennen?

Stein: Etwa fünf Millionen im Jahr, die bauliche Vorhaltung der Wache eingerechnet. Deswegen wollen wir es zunächst mit den Ampelstrecken versuchen. Wenn wir zwischen Feuerwache Godesberg und Gronau den gleichen Erfolg haben wie auf der Pilotstrecke, wird das sehr viel bringen.

Bis wann wollen Sie abwarten?

Stein: Bis zur nächsten Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans, also fünf Jahre. Bis dahin wollen wir deutlich an die 80 Prozent herankommen. Wenn das nicht der Fall wäre, müssten wir auf jeden Fall den Neubau von Feuerwachen vorschlagen.

Wie hilfreich ist eine Freiwillige Feuerwehr, wenn sie nicht innerhalb der Hilfsfristen eintreffen kann? Die Leute sind ja in der Regel beruflich gebunden...

Stein: Sehr! Einige Freiwillige Feuerwehren sind auch mal vor uns da, etwa in Duisdorf, Lannesdorf, Mehlem, Holzlar, Oberkassel oder Röttgen. Die örtliche Einheit wird immer sofort mit alarmiert. Auch bei Paralleleinsätzen und der Übernahme von Spezialaufgaben helfen sie uns sehr.

Warum steigen die Einsatzzahlen in der Gronau und am Klinikum?

Stein: Häufig sind das Fehlalarmierungen aus Brandmelde- und Sprinkleranlagen. Die Rauchmelder sind direkt mit unserer Leitstelle verbunden. Leider wissen wir immer erst hinterher, dass es ein Fehlalarm war.

Am Klinikum wird die neue Werksfeuerwehr Entlastung bringen?

Stein: Wir haben vor Kurzem den Vertrag mit dem Universitätsklinikum unterschrieben. In den vergangenen drei Jahren haben wir die Werksfeuerwehr aufgrund von Einzelvereinbarungen schon aufwachsen lassen. Ich gehe davon aus, dass zum Jahreswechsel die neue Feuerwache auf dem Venusberg fertig wird. Die nötigen 46 Mitarbeiter für die Wache haben wir eingestellt und weitgehend fertig ausgebildet.

Im neuen Brandschutzbedarfsplan haben Sie weiteren Personalbedarf angemeldet. Was ist der Anlass?

Stein: Es sind acht Stellen. Wir wollen vor allem unsere Ausbildung intensivieren.

Was brauchen Sie an Technik?

Stein: Die, die wir haben, ist grundsätzlich ausreichend. Wir warten an manchen Stellen nur händeringend auf Ersatzbeschaffungen. Das gilt etwa für den Feuerwehrkran. Der ist jetzt bald 30 Jahre alt. Wir wollen ein neues Löschunterstützungsfahrzeug anschaffen: Im Prinzip ein großer Lüfter auf einem Kettenfahrgestell, der eine Wassernebelwolke erzeugt. Das ferngesteuerte Fahrzeug wollen wir insbesondere bei Bränden in Tiefgaragen einsetzen, die vergleichsweise oft vorkommen und für die Kollegen besonders gefährlich sind.

Nehmen Brände in Tiefgaragen denn zu?

Stein: Wir stellen allgemein fest, dass Autobrände wieder zunehmen, nachdem sie über Jahrzehnte rückläufig waren. Heute gibt es mehr Elektronik im Auto. Wegen des gestiegenen Anteils von Kunststoff und Leichtmetall sind die Brandlasten höher geworden.

Die Feuerwehrgebäude haben erheblichen Sanierungsstau: Wo ist es am schlimmsten für Ihre Kollegen?

Stein: Die Wache Bad Godesberg wartet schon sehr lange auf die Sanierung. Die soll 2019 endlich losgehen. Das wird eine schwierige Zeit, weil wir für etwa zwei Jahre in Container umziehen müssen. Auch die Feuerwache 1 ist bald 50 Jahre alt und nie kernsaniert worden. Wir schauen auch selbst, dass wir die Wachen zumindest funktional in Schuss halten. Aber Grundsanierungen sind notwendig.

Seit Jahren ist immer wieder von Konflikten zwischen Feuerwehrleitung und Personal zu hören. Ist der Unruheherd besänftigt?

Stein: Das kollegiale Miteinander war immer schon sehr gut. In den Jahren, wo es schwierige Probleme gemeinsam zu lösen galt, sind vielleicht manche Dinge von uns nicht richtig kommuniziert worden. Wir hatten die EU-Arbeitszeitverordnung, die über die Feuerwehren in ganz Deutschland gekommen ist, ohne dass sie sich das gewünscht hätten. Wir mussten viel umstellen, gerade in sensiblen Bereichen wie den Schichtplänen. Da gab es viele Diskussionen, aber die Mitarbeiter haben auch in schwierigen Phasen immer sehr verlässlich ihre Arbeit erledigt.

Stadtdirektor Fuchs sah sich allerdings 2013 genötigt, einen externen Mediator einzuschalten...

Stein: Seit mehreren Jahren ist die Stimmung sehr gut, auch das Miteinander zwischen Führung und Mannschaft. Wir schauen intensiver darauf, in einer guten Kommunikation zu bleiben. Wir sind vorsichtiger geworden, wie wir manche Themen anpacken.

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