Leih-Fahrräder Bonn wartet weiter auf ein Fahrradmietsystem

Bonn · Bonn ringt seit Jahren um Konzepte für ein Fahrradmietsystem. Anbieter aus Asien rufen bei den Politikern jedoch Skepsis hervor.

Ganz Bonn hat aktuell neun Mietfahrräder. Und die sind nicht nutzbar, weil der Hauptbahnhof renoviert wird. Die Arbeiter haben einen Bauzaun um die Räder von Call-a-Bike, dem Angebot der Deutschen Bahn, gestellt.

Es ist zwar nur eine Momentaufnahme, die Situation aber bezeichnend für ein stadtweites Fahrradmietsystem, das in Bonn seit knapp sieben Jahren umgesetzt werden soll. Und es zeigt, dass das Angebot attraktiv sein muss, damit es die Menschen nutzen. Köln ist da viel weiter, dort haben die Verkehrsbetriebe (KVB) mit dem Anbieter Nextbike und dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) ein eigenes System etabliert.

In Bonn gab es zwar immer wieder Vorstöße aus Politik und Verwaltung. Doch letztendlich versandeten die Pläne. „Die Vorbereitung zur Einführung des Fahrradmietsystems, bei der beispielsweise umfangreiche Abstimmungsgespräche zu führen sind, benötigt ausreichend Zeit“, erklärt der stellvertretende Stadtsprecher Marc Hoffmann. Bewegung in die Debatte bringen nun ausgerechnet asiatische Anbieter, die schon viele Städte das Fürchten gelehrt haben. Amsterdam, München, Zürich – sie alle wurden mit den gelben Mieträdern überschwemmt. Das soll in Bonn nicht passieren.

Hier sind die Stadtwerke (SWB) vom Stadtrat beauftragt worden, ein Fahrradmietsystem umzusetzen. Das Konzept ist mittlerweile so weit ausgereift, dass Hundert Standorte für Stationen feststehen und rund 900 Räder angeschafft werden sollen. Rahmenbedingungen, die zuletzt die Bezirksvertretungen festgesteckt haben. Probleme gibt es bisher bei der Finanzierung. Die Stadt rechnet damit, dass das Mietsystem vorerst nicht profitabel betrieben werden kann. Die bisher vom Rat bewilligte Förderung in Höhe von 400 000 Euro wird nicht ausreichen.

Denn das jährliche Defizit wird auf 0,8 bis 1,3 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Für die SWB schlicht inakzeptabel. Doch die Stadtwerke haben sich bereits für Fördergelder des Verbands Nahverkehr Rheinland angemeldet. 90 Prozent der Kosten für die statische Infrastruktur wie Stationen und Terminals – insgesamt mehr als eine Million Euro – würden demnach übernommen.

Probleme mit den gelben Fahrrädern

„Wir sind darauf bedacht, eine günstige und wirtschaftliche Variante zu finden, ohne an Komfort, Qualität und Leistung für die Kunden zu sparen“, sagt Stadtwerke-Sprecher Werner Schui. Deshalb hat es in den vergangenen Tagen einige Gespräche mit auf dem Markt tätigen Unternehmen gegeben – auch aus Fernost. Denn die Partner, mit denen man kooperiert, können sich die SWB selbst aussuchen.

Im Stadthaus weiß man über die Probleme, die die meist gelben Fahrräder von Firmen wie Ofo oder O-Bike machen können. „Der Deutsche Städtetag nennt als Pro᠆bleme mit einigen Anbietern aus Fernost unter anderem eine schlechte Qualität, wenig Service, ungeordnet im Straßenraum abgestellte Räder oder mögliche Pro᠆bleme mit dem Datenschutz“, sagt Hoffmann.

Solch leidige Erfahrungen hat als eine der ersten Städte Zürich gemacht. Buchstäblich über Nacht karrte O-Bike aus Singapur Hunderte Fahrräder an. „Die Innenstadt war vollgepfercht, ohne dass wir vorrangig etwas davon erfahren hätten“, erzählt Filippo Leutenegger, Vorsteher des Züricher Tiefbau- und Entsorgungsdepartements. Dasselbe Bild in Amsterdam, sogar noch etwas drastischer: Die chinesischen Leihräder standen nutzlos am Straßenrand und lehnten an Bäumen. In der Fahrradstadt wird ohnehin viel geradelt, das Angebot wurde dementsprechend schlecht angenommen. Auch in München drängten die asiatischen Anbieter so auf den Markt. Das könnten sie in Bonn ebenfalls machen, was durch ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2009 gedeckt ist. Seitdem ist den Städten nicht mehr selbst überlassen, welchem Anbieter sie das Aufstellen von Leihrädern erlauben.

Aber die jungen Unternehmen wissen mittlerweile, dass sie sich mit der invasiven Geschäftsmethode unbeliebt machen. Deswegen zeigt man sich nun kooperativer. „Interessenten aus dem chinesischen Markt sind auf die Stadt zugekommen, um die Möglichkeiten eines Verleihsystems in Köln zu ermitteln“, sagt Jürgen Müllenberg von der Kölner Stadtverwaltung. Dort befindet man sich derzeit – genauso wie in Bonn – in Gesprächen. Dabei soll geklärt werden, wo, in welcher Größenordnung und unter welchen Bedingungen ein Mietsystem starten könnte.

Einzelheiten will man erst verkünden, wenn sie spruchreif sind. „Dies wird nach aktueller Einschätzung allerdings nicht vor dem nächsten Frühjahr erfolgen“, so Müllenberg. Ja, die neuen Radvermieter können auch seriös sein. In Zürich einigte man sich auf Regeln. „Sie dürfen den öffentlichen Raum zwar unentgeltlich nutzen, aber die Räder sollen höchstens zehn Prozent eines Radabstellplatzes belegen“, erklärt Leutenegger. Räder, die außerhalb von Abstellplätzen stehen, werden abgeschleppt und erst gegen eine Gebühr wieder herausgegeben.

Politik stellt hohe Anforderungen

Und was macht Bonn? „Wir wollen mehr über deren Geschäftsmodelle erfahren“, sagt Hoffmann. Es sei deutlich geworden, dass Bonn für die Unternehmen „prinzipiell ein attraktiver Standort für ihre Angebote“ sein könnte. Die unterscheiden sich von Platzhirschen wie Call-a-Bike und Nextbike vor allem dadurch, dass sie nicht an Stationen gebunden und nicht in Mobilitätsangebote integriert sind. Das Buchungssystem funktioniert dagegen ähnlich mit einer Smartphone-App. „Perspektivisch können sich solche Anbieter für den Betrieb eines öffentlichen Fahrradmietsystems bewerben, wenn sie von Stadt und den Stadtwerken Bonn fest definierte Kriterien einhalten“, erklärt Hoffmann. Die Regeln würden wie in Zürich dazu dienen, negative Aspekte zu vermeiden und „ein attraktives und kostensparendes Angebot zu schaffen“. Denn eines dürfte klar sein: Sollten die Stadtwerke tatsächlich ein komplett eigenes Mietsystem stemmen müssen, wird es aufwendig und teuer.

Die Anforderungen, die die Politik stellt, sind hoch. „Die Räder müssen über mindestens drei, wenn nicht sogar besser sieben Gänge oder eine entsprechende Automatik verfügen, sollen für den Komfort luftbereift sein und müssen an Stationen fest verschlossen werden können“, so Stadtratsmitglied Rolf Beu (Grüne). Ein Kundenservice soll rund um die Uhr erreichbar, das Angebot mit den Tickets des VRS, ähnlich wie in Köln, kombinierbar sein. Dort haben sich bereits rund 55 000 Kunden regis᠆triert. Servicemitarbeiter sollen die Räder warten und zwischen ausgelasteten und weniger ausgelasteten Stationen hin- und hertransportieren. Zudem müsse der Umgang mit Kundendaten den geltenden Datenschutzrichtlinien unterliegen. „Die Daten dürfen nicht an Drittanbieter weitergegeben werden“, sagt Werner Hümmrich von der FDP.

Doch gerade die Nutzerdaten sind ein lukratives Geschäft, das in Zukunft noch wesentlich profitabler als der Verleih sein könnte. Es ist kein Zufall, dass die Investoren der Anbieter häufig aus der Kommunikationsbranche kommen. So hat der taiwanesische Apple-Zulieferer Foxconn Hunderte Millionen Dollar in das Unternehmen Mobike gesteckt, das gerade in Berlin Fuß fasst und auf dem deutschen Markt expandieren will. Mobikes größter Geldgeber ist allerdings Tencent – das fünftgrößte Internetunternehmen der Welt. O-Bike wird von Tencent-Konkurrent Alibaba finanziert.

Wie das Fahrradmietsystem in Bonn auch aussehen mag: Die Zeit drängt. Denn noch 2018 soll es an den Start gehen. Im Dezember, spätestens im Januar erwartet der Stadtrat eine Vorlage, die beschlussfähige Varianten enthält. Dann könnten nach sieben Jahren tatsächlich schon im Sommer die ersten Bonner auf Mieträdern durch die Stadt radeln. Fragt sich nur auf welchen.

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