Regelungen für Belderberg und Reuterstraße Bonn plant eine Taskforce für Dieselfahrverbote

Bonn · Die Stadt Bonn will eine Taskforce einrichten, um Fahrverbote auf dem Belderberg und der Reuterstraße vorzubereiten. Ausnahmeregelungen müsse es für Rettungsdienste, Busse und Handwerker geben.

Herr Wiesner, das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Sehen Sie noch eine Chance, die Grenzwerte an Reuterstraße und Belderberg einzuhalten und ein Fahrverbot abwenden zu können?

Helmut Wiesner: Nein, die Messwerte werden sich bis dahin nicht verändern, weil wir über Jahresmittelwerte reden. Ende dieses Jahres bekommen wir vom Land die Werte der Reuterstraße für 2018. Ich gehe nach jetzigem Stand nicht davon aus, dass dort die Grenzwerte eingehalten werden. Die Werte am Belderberg beruhen ja nicht auf Langzeitmessungen, sondern auf Modellrechnungen des Landes.

Auf eine Korrektur des Urteils am Oberverwaltungsgericht Münster, wenn das Land in Berufung geht, setzen Sie also nicht?

Wiesner: Das Urteil rankt sich um die Frage: Ist das Dieselfahrverbot verhältnismäßig? Die meisten Gerichte haben das bejaht. Als Stadt haben wir in den vergangenen Jahren festgestellt, dass der Schadstoffausstoß von Stickoxiden kontinuierlich, wenn auch in kleinen Schritten, zurückgegangen ist. Hätte uns die Autoindustrie in den damaligen Prognosen nicht mit falschen Informationen versorgt, würden wir die Grenzwerte heute vermutlich einhalten.

Ist das punktuelle Fahrverbot auf zwei Straßen überhaupt zielführend oder muss die Stadt nach großflächigeren Lösungen suchen?

Wiesner: Dieses Urteil ist tatsächlich ein Problem. Es besagt ja nur, dass Autos nicht auf diesen beiden Strecken fahren dürfen, aber überall anders schon. Das heißt, die Autofahrer können sich Alternativrouten überlegen, die sogar den Schadstoffausstoß erhöhen könnten. Am langen Ende bringt ein punktuelles Durchfahrtverbot also keine Verbesserung der Luftqualität.

Was also tun?

Wiesner: Nach dem Verursacherprinzip muss die Autoindustrie den Autobesitzern eine schnelle Lösung anbieten, die die gutgläubigen Käufer nicht finanzieren müssen: Entweder mit einer Nachrüstung oder eben einem neuen Wagen. Was mir sauer aufstößt, ist, dass in Berlin der Autoindustrie nichts abverlangt wird, während wir darüber diskutieren, ob wir vielleicht Diesel-Busse ersetzen oder nachrüsten müssen. Aber der ÖPNV-Anteil am Gesamtproblem liegt vielleicht bei fünf Prozent.

Die Fahrverbote werden dennoch vermutlich kommen. Wie wird die praktische Umsetzung erfolgen?

Wiesner: Wir stellen uns auf den 1. April 2019 ein, es kann aber sein, dass das Verbot durch weitere gerichtliche Instanzen später kommt. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, sind wir daran gebunden und werden entsprechende Schilder aufstellen müssen. Wir haben darüber hinaus beschlossen, eine Task force einzurichten, in der alle Stellen in der Verwaltung beteiligt sind, die an dem Thema arbeiten. Das werden das Umweltamt, die Verkehrsabteilung und das Ordnungsamt sein, darüber hinaus die Stadtwerke und die Polizei.

Was soll diese Gruppe erarbeiten?

Wiesner: Am Tag X muss ein Plan in der Schublade liegen, wie wir verfahren wollen. Es wird aber auch darum gehen, herauszufinden, was ein Durchfahrtsverbot bewirken wird. Wohin fließt der Verkehr stattdessen? Leben dort viele Menschen? Müssen wir Wohnstraßen schützen? Das muss man abschätzen. Nur ein Schild am Koblenzer Tor aufzuhängen, wäre ein bisschen kurzsichtig. Das Beste wäre, wenn Bürger sich Alternativen suchen, also auf das Rad umsteigen oder den Öffentlichen Nahverkehr, und wir somit effektiv eine Minderung des Autoverkehrs hätten.

Wie werden die Ausnahmen geregelt?

Wiesner: Das wird auch ein wichtiger Punkt sein, welche Ausnahmen in den Luftreinhalteplan eingearbeitet werden können. Ausnahmen brauchen wir sicher für unsere Busse, die noch nicht die Euro 6-Norm haben, für Bonnorange, Feuerwehr, Rettungswagen und Handwerker.

Wie sieht es mit den Kreuzungen aus? Dürfen die vom Fahrverbot betroffenen Fahrzeugen sie queren? Dazu sagt das Gerichtsurteil nichts....

Wiesner: Das ist auch eine Detailfrage, die werden wir juristisch klären lassen müssen. Das gilt sowohl für den Belderberg als auch für die Reuterstraße.

Könnten die Maßnahmen für das Lead-City-Projekt dazu beitragen, dass die Werte in Bonn doch bald erheblich besser werden?

Wiesner: Diese Maßnahmen sind in den Prognosen des Lanuv nach meiner Kenntnis für 2020 noch gar nicht eingepreist. Das scheint auch schlüssig, weil wir vom Bund noch keinen Förderbescheid haben. Allerdings habe ich keine Sorge, dass wir die Maßnahmen nicht umsetzen können. Da sind wir in ganz engen Gesprächen mit dem Bund.

Müsste die Stadt nicht ebenfalls mehr Geld in die Hand nehmen? Sie könnte ja, um es ketzerisch zu formulieren, die Autofahrer stärker zur Kasse bitten, etwa durch stärkere Parkraumbewirtschaftung?

Wiesner: Das muss die Politik diskutieren. Gelungen ist uns das auf dem Venusberg; dort gibt es jetzt ein Parkraumbewirtschaftungskonzept, das umgesetzt werden kann. Es ging hier aber in erster Linie um die Entlastung der Wohngebiete, nicht um Einnahmen. Es müssen auch die Interessen des Einzelhandels berücksichtigt werden. Und dieser vertritt die Auffassung, dass das Gros der Kunden mit dem Auto in die Stadt kommt. Ich meine, wir haben den Konsens, dass für die Erreichbarkeit der City genügend Parkmöglichkeiten rund um die Fußgängerzone zur Verfügung stehen. Wir brauchen aber nicht nur eine gesicherte Erreichbarkeit, sondern auch eine Steuerung des Park-Suchverkehrs. Zu welchem Zweck die Einnahmen aus den Parkgebühren zugeführt werden, darüber muss politisch entschieden werden. Prinzipiell könnte das Geld zur Mitfinanzierung des ÖPNV eingesetzt werden, wie in den Niederlanden.

Die Radfahrerlobby beklagt, es wird zu wenig für eine Verbesserung des Radverkehrs in Bonn getan. Wie sehen Sie das?

Wiesner: Wir lassen die Radverkehrsplanung für die Bonner Innenstadt zurzeit durch einen Gutachter überprüfen. Unser Ziel ist es, den Anteil des Radverkehrs auf 25 Prozent zu steigern. Das ist ein hehres Ziel, von dem wir noch weit entfernt sind...

Wo liegt der Prozentsatz?

Wiesner: Wir sind jetzt bei 15 Prozent. Das Problem liegt vor allem darin, dass die Ansprüche an die Radwege gestiegen sind. Sie benötigen heute mehr Raum und müssen sicherer sein. Aber wir müssen auch darauf achten, dass wir mit neuen Planungen nicht noch mehr Staus produzieren. Es ist eine Diskussion, die man vorsichtig führen muss. Es geht nicht darum, dem Autofahrer etwas zum Selbstzweck wegzunehmen, sondern darum, das Radfahren in der Stadt zu verbessern.

Wäre es nicht höchste Zeit, als Verwaltung der Politik mutigere Vorschläge zu unterbreiten?

Wiesner: Es fehlt nicht an Mut. Meine Funktion ist es, die fachliche Brücke von Verwaltung zur Politik zu bilden. Sicher können wir auch weitergehende Maßnahmen als bisher vorschlagen, da haben Sie recht. Das machen wir doch gerade im ÖPNV mit den Vorschlägen zur Taktverdichtung zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 und im August 2019. Letztendlich brauchen vorgeschlagene Maßnahmen einen hinreichenden politischen Konsens, sonst bleiben sie Papiertiger. Etwas vom Zaun zu brechen, wäre deshalb nicht richtig. Man muss das vorher ernsthaft und hart diskutieren, man muss um Lösungen ringen.

Welche Maßnahmen im Straßenverkehr können schnell umgesetzt werden?

Wiesner: Die Verwaltung arbeitet gerade an einer Planung für die Kaiserstraße; sie ist eine wichtige Nord-Süd-Verbindung. Wir haben dort so viel Radverkehr, dass wir sie am liebsten sofort in eine Fahrradstraße umwandeln würden, das wäre die einfachste Möglichkeit. Schwieriger ist die aus meiner Sicht notwendige Verbreiterung des viel zu schmalen Radwegs. Wir haben aber zwei wichtige Buslinien, die dort durchfahren, und Parkplätze. Die müssten vermutlich wegfallen, auch müsste der Bus in Richtung Norden eventuell über die Adenauerallee fahren. Das prüfen wir gerade.

Angesichts der Zeit, die die ganzen Maßnahmen in Anspruch nehmen werden, glauben Sie, dass es noch mehr Fahrverbote in Bonn geben wird, ähnlich wie in Köln?

Wiesner: Ich bin der Auffassung, die Diskussion auf die Stickoxid-Problematik – und das ist ja der Grund für die Fahrverbote – zu reduzieren, ist überhaupt nicht zielführend. Wir haben eine vielschichtige Problemlage mit dem Stadtverkehr, nicht nur in Bonn, sondern bundesweit. Die Städte sind vom Verkehr geflutet. Eine Schwierigkeit, die daraus erwächst, ist die Luftqualität. Aber wir müssen den Verkehr insgesamt neu aufstellen. Das Problem ist noch lange nicht beseitigt, wenn ich es schaffe, unter den Stickoxid-Grenzwert zu kommen. Die nächste Debatte haben wir, wenn es einen Grenzwert für Kohlenstoffdioxid gibt, wie ja bereits diskutiert wird. Wir kommen nicht umhin, den Autoverkehr in den Städten zu reduzieren und den Umweltverbund zu stärken. Das Dümmste, was es gibt, sind aber Verbote. Man muss die Menschen mit Vernunft zum Umstieg auf Rad, Bus und Bahn bewegen – und da müssen wir eine Schüppe drauflegen.

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