Organisierter Fahrraddiebstahl Bonn liegt über dem Durchschnitt

BONN · Drei Sekunden. So lange dauert es, bis man mit einem Bolzenschneider ein Spiralschloss zertrennt hat. Schnell kann ein teures Fahrrad verschwunden und der Täter unauffindbar sein.

Drei Sekunden. In dieser Zeit hat man kaum die Post in den Briefkasten geworfen. 2014 wurden in Bonn 3358 Fahrräder geklaut - fast 500 mehr als 2013. Die Zahl ist so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Abgestellte Fahrräder sind in Bonn besonders unsicher, wie das Internetportal "Geld.de" in einer Studie herausfand. Das Portal verglich BKA-Statistiken von 80 deutschen Großstädten und stellte die Zahl der Diebstähle der Einwohnerzahl gegenüber. Das Fazit: In Bonn werden überdurchschnittlich viele Fahrräder geklaut.

Den Anstieg der Diebstähle kann sich die Polizei Bonn nicht zuverlässig erklären. "Wir vermuten, dass es an dem milden Winter lag", so Sprecherin Ruth Braun. "Wenn mehr Fahrräder unterwegs sind, werden auch mehr gestohlen."

Nur fünf Prozent der Diebstahlfälle in Bonn konnten aufgeklärt werden. Da die Räder oft nicht codiert seien, sei es schwierig, zu überprüfen, ob sie geklaut worden seien, so Braun. Viele Besitzer wüssten nicht einmal ihre Rahmennummer. Diese aber ermögliche es, Verdächtige mit Fahrrädern zu überprüfen. "Dann sehen wir, ob das Fahrrad bei uns als Diebstahl angezeigt wurde", so Braun. Anhand der Farbe, Form und Größe könne man nur Vermutungen anstellen. Schließlich stehe die Polizei in der Beweispflicht. Wenn man den Eigentümer nicht identifizieren könne, werde das Fahrrad dem letzten Besitzer gegeben.

"Am Tag der Sperrmüllabfuhr ist es besonders leicht für Diebe, Fahrräder zu klauen", sagt Polizeisprecher Frank Piontek. Niemandem falle es auf, wenn Menschen Fahrräder in Lastwagen transportieren - man gehe einfach davon aus, dass sie Räder mitnähmen, die ihre Eigentümer zuvor weggeworfen hätten.

Dabei werden oft hochwertige Räder und Teile geklaut. Dieses Jahr hat die Polizei einen Bonner gestellt, der elf gestohlene Magurabremsen bei Ebay verkaufen wollte. Der Wert einer solchen Bremse liegt bei 100 bis 300 Euro.

Der Grund für so viele Diebstähle sind vor allem billige Schlösser, sagt Piontek. Die Stiftung Warentest hat vor zwei Jahren 37 verschiedene Modelle getestet. Nur wenige davon wurden als "gut" eingestuft. Testsieger waren Bügel- und Faltschlösser, die es zwischen 40 und 120 Euro zu kaufen gibt. Panzerkabel und Kettenschlösser schnitten hingegen genauso schlecht ab wie einfache Spiralschlösser, die mit dem richtigen Werkzeug innerhalb kurzer Zeit zu knacken sind. Doch selbst gute Schlösser hindern Profis oft nicht daran, das teure Rad zu stehlen. Die Stiftung Warentest rät deshalb, Fahrräder zu versichern.

Elke Weidenbach, Referentin für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, weiß, worauf man beim Abschließen achten muss. "Bei Fahrrädern unter 500 Euro lohnt sich oft keine spezielle Fahrradversicherung", sagt sie. Es gebe die Möglichkeit, sein Rad auch in die Hausratversicherung zu integrieren. Dort müsse man aber beachten, wann der Versicherungsschutz wirke.

"Wenn das Fahrrad von 22 bis 6 Uhr nicht im Gebrauch ist und trotzdem auf der Straße steht, greift die Hausratversicherung oft nicht", sagt sie. "Im Gebrauch" bedeute folgendes: "Das Fahrrad darf nachts in der Stadt angekettet sein, während man selbst im Kino oder bei Freunden ist. Hat man sein Fahrrad in dieser Zeit jedoch vor dem eigenen Haus abgestellt, greift der Versicherungsschutz nicht." Um den Schutz zu gewährleisten, müsse man das Fahrrad über Nacht ins Haus oder in die Garage stellen. Folgende Fragen sollten sich Radbesitzer außerdem stellen: Will ich nur bestimmte Teile meines Fahrrades versichern? Muss ich mich selbst beteiligen? Weidenbach rät Fahrern, sich bei der Verbraucherzentrale oder der Stiftung Warentest über unterschiedliche Angebote zu informieren.

Damit gestohlene Fahrräder nicht einfach auf Flohmärkten verkauft werden, arbeitet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) mit dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität (AStA) zusammen. Er organisiert dieses Jahr vier Märkte für gebrauchte Fahrräder. Die Polizei nimmt bei allen Anbietern die Personalien auf und prüft die Rahmennummern.

"Wenn einer sieben Fahrräder verkaufen will, wirkt das schon verdächtig", so Axel Mörer-Funk, Pressesprecher des Ortsverbandes des ADFC. Auch er weiß, dass es Fahrraddieben in Bonn oft leicht gemacht wird. "Das sind nicht nur Einzeltäter, sondern organisierte Gruppen, die Räder auch ins Ausland schaffen." Das kann auch Polizeisprecher Piontek bestätigen. "An Sperrmülltagen sollte man das Fahrrad am besten im Haus unterbringen, und sonst Bügelschlösser verwenden", sagt er. Aber eine Garantie gebe es nicht.

Herrenlose Räder

Viele herrenlose Fahrräder stehen in Bonn herum. Räder, die vergessen wurden, die zu alt, zu schwer oder einfach nicht mehr schön genug sind.

Von Januar bis März 2015 sammelte das Ordnungsamt 250 solcher Räder ein. 150 dieser Räder wurden repariert und versteigert. Räder, die man nicht verkaufen, aber noch fahren kann, gingen an karitative Einrichtungen. Nur ein geringer Teil wurde verschrottet. Die Höhe der Einnahmen, die mit den Versteigerungen erzielt werden, kann die Stadt nicht beziffern.

Bevor das Ordnungsamt scheinbar herrenlose Räder einsammelt, werden sie mit einem Aufkleber versehen. Dieser fordert den Eigentümer auf, das Fahrrad innerhalb von zwei Wochen wegzuräumen. Erst danach nimmt die Stadt das Rad in Beschlag.

Aller drei bis vier Monate macht das Ordnungsamt eine größere Sammeltour. Bürger, die herrenlose Fahrräder bemerken, können diese unter der Internetadresse anliegen.bonn.de melden.

Pass und Codierung

Ein polizeilicher Fahrradpass kann helfen, gestohlene Räder zweifelsfrei zu identifizieren und den Eigentümer ausfindig zu machen. Im Pass sind neben Rahmennummer und Codierung auch Name und Anschrift des Radbesitzers notiert. Darüber hinaus gehört ein Foto des Fahrrads dazu.

Den Fahrradpass gibt es als Printversion, aber auch als kostenlose App für iPhones sowie Android-Smartphones. Alle Daten können ausgedruckt oder per Mail verschickt werden, um sie sofort an die Polizei beziehungsweise den Versicherer weiterleiten zu können.

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