18. Oktober 1944 Bomben legten Bonn in Schutt und Asche

BONN · Das Altstadt-Lied erinnert den 83-jährige Matthias Feuser an das Inferno. Zuerst hört sich die Melodie, die Feuser andächtig singt, wie eines dieser typischen Schunkellieder von Vater Rhein an. Von Wein, Weib und Gesang handelt der Text aber nicht.

"An einem Mittwochmorgen in einer Stadt am Rhein, da schmissen die britischen Bomber die Altstadt kurz und klein", intoniert der 83-Jährige mit zum Schluss brechender Stimme. Schweigen.

Feuser, der an der Kölnstraße geboren wurde und heute in Wachtberg-Pech lebt, sing das Lied der Altstadt-Bonner über den schwärzesten Tag ihrer Stadtgeschichte. Heute vor 68 Jahren, am 18. Oktober 1944, legten britische Bomber Bonn in Schutt und Asche.

Das Altstadt-Lied hat sich tief in seinem Gedächtnis eingebrannt. Seine Tante, die nicht wie seine Eltern vor 1944 Bonn in Richtung Wachtberg verlassen hatte, sang es ihm in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs immer vor. Die Tante hatte das Inferno hautnah miterlebt, nachdem gegen 11 Uhr am blauen Himmel plötzlich hunderte britische Flugzeuge auftauchten und die Innenstadt in kürzester Zeit in Schutt und Asche legten.

[kein Linktext vorhanden]"Sie schmissen in zwanzig Minuten die Bombenlast herab. Die ganze Altstadt, sie brannte, die Altstadt brannte ganz ab", singt Feuser, dessen Vater damals an der Front kämpfte, den Refrain. Und dem Zuhörer läuft eine Schauer über den Rücken. Er selbst sei als 15-Jähriger kurz vor dem 18. Oktober "als letzte Hoffnung Hitlers" in den Krieg geschickt worden, blickt Feuser dann zurück.

Aber seine Tante konnte erzählen, wie die Bomben in den Häuser einschlugen, wie die Klinken, die Universität, der Markt, das Rathaus, alles brannte. Wie überall in den Straßen Leichen lagen.

[kein Linktext vorhanden]Wie die Schwerverletzten um Hilfe schrien und wie selbst Kinder versuchten, mit Wassereimern die Feuersbrunst zu löschen. Und wie die Überlebenden schließlich verzweifelt ihre Angehörigen suchten - und sie nicht selten unter den in den Parks abgelegten Hunderten von Leichen fanden.

"Wir wollen in Bunkern hausen, in Kellern finster und klein", singt Matthias Feuser leise das Altstadt-Lied weiter. "Als in der Fremde zu weilen in unserem Bonn am Rhein", hängt er noch den Trotz der Bonner hinten an. Wer nach dem verheerenden Angriff auf die Bonner Wohngebiete Hals über Kopf in Transporte etwa nach Mitteldeutschland eingestiegen sei, sei schon bald wieder an den Rhein zurückgekehrt, heißt es in einer weiteren Strophe.

"Wohin hätten die angsterfüllten Bonner auch fliehen können?", sagt Feuser fragend und zuckt die Achseln. Ganz Europa habe Ende 1944 gebrannt. Wieder schweigt der 83-Jährige.

Die Frage, wie er im Nachhinein das Bombardement auf Bonner Wohngebiete durch der britischen Piloten bewerte, beantwortet der Senior besonnen. "Die haben doch auch nur die Ohren angelegt, wenn die Befehle von oben kamen."

Als Feuser hört, dass kürzlich ein englisches Paar in einer privaten "Mission für Frieden und Versöhnung" im Münster gebetet hat und um Vergebung für die Schuld des Vaters, eines Bomberpiloten vom 18. Oktober, bat, reagiert er bewegt.

Die Bomberpiloten seien ja keine Freiwilligen, sondern für diesen mörderischen Einsatz vom 18. Oktober 1944 abkommandiert gewesen, sagt Feuser. "Jeder Krieg ist unmenschlich. Auge um Auge, Zahn um Zahn", resümiert der 83-Jährige. Wie es das Bonner Altstadt-Lied immer noch spiegelt.

Bilder gesucht: Haben Sie weitere Fotos vom Bombenangriff auf Bonn am 18. Oktober 1944?
Wir freuen uns auf Ihre Mails unter online@ga.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort