Karriereende Blick zurück mit Musik und Roswitha Scheer

Bonn · Großes Bedauern herrschte im vergangenen Winter, als Roswitha Scheer dem Weihnachtslicht absagte. Ich habe mit viel Wehmut im Herzen meine Sängerinnenlaufbahn beendet“, erklärte sie damals. In einem GA-Gespräch blickt sie auf ihre Karriere als Sängerin zurück.

 Musikalische Botschafterin: Roswitha Scheer mit Zeugnissen ihrer Reisen.

Musikalische Botschafterin: Roswitha Scheer mit Zeugnissen ihrer Reisen.

Foto: Arndt

„ Ja, danach hätten sie zahlreiche Fans gebeten, sie möge doch bitte weiter öffentlich singen, berichtet Scheer nun ein halbes Jahr später. Ihre Entscheidung sei aber richtig gewesen. „Ich gehe jetzt stark auf die 70 zu. Und da muss die Stimme halt langsam an Strahlkraft verlieren“, erläutert Scheer. Sie habe sich doch genügend Jahrzehnte lang als Künstlerin bewiesen. Im Gespräch blickt sie aber gerne auf diese Karriere zurück, die keineswegs nur regional, sondern international war.

Scheer wurde in eine hundertprozentige Musikerfamilie hineingeboren. Vater Theodor Scheer war als Kapellmeister und Chordirektor bis 1978 maßgeblich am Neuaufbau der Bonner Oper beteiligt. Mutter Kay Scheer-Wintgens sang selbst im Chor mit, sodass sich das Familienleben letztlich rund um die Opernbühne abspielte. Tochter Roswitha betrachtet Künstlerfotos der Mutter, die sie nach deren Tod fand. „Sagenhaft schöne Bilder in Kostümen“, schwärmt sie.

Kein Zufall war es also, dass die junge Roswitha und ihr Bruder Guido, der als Bass später lange Jahre selbst im Bonner Opernchor engagiert war, Stimmausbildungen begannen: zuerst bei Eva Eschenbach in Bonn und später bei Professor Maria Hittorf in Wien. „Du musst etwas aus dir machen, deine Stimme hat Potenzial“, habe Hittorf auch ihr auf den Weg gegeben, erinnert sich Scheer.

Sie habe als junge Frau auch sofort in klassischen Konzerten in NRW, aber auch etwa in Brüssel gesungen, berichtet sie. Gleichzeitig habe sie sich in Köln zur musischen Gymnastiklehrerin ausbilden lassen und sei da mit Orff'schen Instrumenten, also auch mit der Musik von Karl Orff, in Kontakt gekommen. „Das hat mir als Sängerin der Carmina Burana mit einem Sopran bis zum hohen D. weitere Türen geöffnet.“

Es ging um die ganze Welt

Dann aber legte Scheer noch „eine berufliche 180-Grad-Wende“ hin und ließ sich fürs Bodenpersonal der Lufthansa am Köln-Bonner Flughafen engagieren. Auf vielen Reisen habe sie sich das Folklorerepertoire aller Herren Länder angeeignet – und genau das dann nur mit ihrer Stimme und Gitarre bei einer Lufthansa-Tagung präsentiert.

Die Folge: Über 15 Jahre bis Anfang der 1990er Jahre wurde Roswitha Scheer im Dienst der Fluggesellschaft auf Konzertreisen in die Goethe-Institute rund um den Erdball geschickt. „Ich habe die Welt gesehen. Ich wurde sozusagen Botschafterin für Goethe.“ Um ab 1991 zur Musikbotschafterin auf Kreuzfahrtschiffe der Hapag Lloyd umzusatteln. „Und zwar in allen Sprachen, in allen Rhythmen“, berichtet Scheer und singt plötzlich im Gespräch mit voller Stimme originelles Liedgut aus Afrika an. „Mit meinen dreieinhalb Oktaven habe ich auch Zigeunerlieder geschafft.“

2001 sei jedoch eine erneute Kehrtwende fällig gewesen. „Das ewige Reisen wurde zu strapaziös für meinen Mann und mich.“ Roswitha Scheer kehrte sozusagen zu den Anfängen nach Bonn zurück, und zwar für 15 Jahre zum Extra-Chor der Oper, aber auch zu zahllosen Benefizkonzerten in den Kirchen in Bonn und Umgebung. Hier wurde sie als „Folklorissima“ gefeiert, die nur ihre Gitarre und ihre wunderbare Stimme brauchte, um mitzureißen.

Quasi nebenbei besang Scheer zahlreiche Platten, reüssierte sogar im Kabarett: Dafür erhielt sie die „Jacques-Offenbach-Medaille für Kleinkunst und Satire“. Sie habe mit ihrer Kunst wunderbare Jahre gehabt, blickt Scheer nun dankbar zurück und sagt lachend: „Und jetzt will ich nicht, dass die Leute irgendwann mal sagen: Was, die Scheer singt immer noch?“

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