Schule der zweiten Chance Bildungsministerin Löhrmann besucht die Abendrealschule Bonn

BONN · Mit 28 Jahren drückt Jenny noch einmal die Schulbank. Zum zweiten Mal möchte sie den Realschulabschluss machen. Der erste liegt zwölf Jahre zurück und war richtig schlecht.

 Besuch am Morgen in der Abendrealschule: Ministerin Sylvia Löhrmann (Mitte) mit Studierenden im zweiten Anlauf.

Besuch am Morgen in der Abendrealschule: Ministerin Sylvia Löhrmann (Mitte) mit Studierenden im zweiten Anlauf.

Foto: Barbara Frommann

"Eigentlich bin ich eine sehr gute Arbeiterin", sagt die rothaarige junge Frau energisch, "aber mit meinem alten Zeugnis bekomme ich sogar Absagen von Kik. Und das geht aufs Selbstbewusstsein." Jenny ist eine der 600 Studierenden der ARS, der städtischen Abendrealschule Bonn, die man Schule der zweiten Chance nennen könnte.

Das Jugendstilgebäude in der Dorotheenstraße besuchen Bildungswillige, deren Schullaufbahn ins Leere geführt hat und nun doch noch zu einem guten Ende gebracht werden soll. Von ihren Lehrern, Sozialarbeitern und Berufsberatern sind sie motivierende Ansprache gewöhnt, am Mittwoch gab es Zuspruch von der nordrhein-westfälischen Schulministerin. Sylvia Löhrmann würdigte eine Institution, die "jeden genau dort abholt, wo er ist". "Was Sie hier haben", sagte sie den 16- bis Ende 20-Jährigen, "das müsste zum Prinzip jeder Schule werden."

Nach zwei Semestern Unterricht haben die Studierenden einen Hauptschulabschluss errungen, nach vieren den Realschulabschluss. Während sich ihr Stoff mit dem anderer Schulen deckt, sind Zuwendung und Unterstützung weit größer als im herkömmlichen Schulbetrieb.

Denn das Ziel ist, sie zurückzugewinnen. Lehrerin Anke Schmidt: "Zu uns kommen Menschen in Krisensituationen, die einen Rucksack tragen voller Probleme." In ihm stecken Schulangst oder Mobbingerfahrungen, Straffälligkeit oder monatelange Schulverweigerung. "Ich habe vorher den Ernst der Lage nicht erkannt", sagt Luk, 20. "Inzwischen weiß ich, wie wichtig ein Schulabschluss ist."

Diana, 16, hat die normale Schule nach der Geburt ihres Kindes abgebrochen. An der Abendrealschule hat sie jetzt die Möglichkeit, "modulweise" zu lernen und auch mal fernzubleiben, wenn ihr Baby krank ist. "Das hier ist die letzte Chance für mich, und die will ich nutzen", erzählt sie der Ministerin. 27 Absolventen hatte die ARS im Gründungsjahr 1963. Inzwischen haben hier 5500 Studierende ihren persönlichen Neuanfang gemacht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort