Beethoven-Festspielhaus Besucherzahlen, Eintrittspreise, Gagen und unwägbare Zinsen

Der Business-Plan für das Festspielhaus endet mit einem Defizit von rund zwei Millionen Euro. Die Autoren mussten, so ein Experte zum GA, teilweise Durchschnittswerte ansetzen, "weil man heute nicht weiß, was gebaut wird, wenn gebaut wird"

Business-Pläne für Projekte sind wirtschaftliche Rechenwerke, die Banken, öffentliche Zuschussgeber (Bund, Land, Kommunen) oder Investoren über die Chancen einer Geschäftsidee informieren. Er führt - vereinfacht - Einnahmen und Ausgaben zusammen, allerdings unter Annahmen. Diese können eintreffen oder nicht. Hängen von Business-Plänen politische Entscheidungen ab, etwa über den Einsatz von Steuerzahlergeldern, fallen die Rechenwerke meist zuversichtlich aus. Häufig werden Einnahmen zu hoch, Ausgaben zu gering veranschlagt. "Schönrechnen" nennt das der Bürger, von einer "Kultur der Fehlinformation" spricht der an der Universität Oxford lehrende dänische Professor Bent Flyvbjerg. Er hat weltweit mehr als 250 verunglückte Großprojekte analysiert - und seine Ergebnisse passen 1:1 auf den in Teilen völlig irrealen Business-Plan des World Conference Center Bonn (WCCB), wonach kein städtischer Betriebskostenzuschuss für das WCCB nötig sei. Am Ende muss die Stadt es sogar zu Ende bauen.

Von der Post DHL AG, mit 30 Millionen Euro bisher größter Einzelsponsor des Festspielhauses, wurde die Metrum Managementberatung GmbH mit der Erstellung eines Business-Plans beauftragt. Dieser liegt im Rathaus seit einigen Tagen für Ratspolitiker zum Einsehen aus, nicht zum Mitnehmen. Sich Notizen machen ist erlaubt. Einige Berichte kursieren nach GA-Informationen bereits in Bonn und wurden von einigen Ratsparteien zur Prüfung an Experten versandt.

Das Grafik- und Zahlenwerk für die weitgehend privat finanzierte Konzertstätte, das dem General-Anzeiger vorliegt, umfasst lediglich 16 Seiten. Es beleuchtet nur die Betriebskosten, beginnend 2020, also in sechs Jahren. Da steckt also per se viel Ungewissheit drin.

Geplant ist, dass die Immobilie sukzessive in den Besitz einer noch zu gründenden Stiftung (s. Kasten links) übergeht, die das Festspielhaus auch betreiben soll. Der Business-Plan basiere, so die Autoren, auf "relevanten Kennzahlen" anderer Konzerthäuser: Dortmund, Leipzig, Hamburg, Frankfurt, Köln, Luxemburg, Düsseldorf. Der GA hat zu einigen Schlüsselfakten Experten befragt, die nicht namentlich genannt werden wollen. Die Autoren des Business-Plans merken an: "Ergebnis detaillierter Analysen, die aus Gründen der Übersichtlichkeit in dieser Zusammenfassung nicht enthalten sind." Insofern sehen auch vom GA angefragte Experten bei vielen Punkten "keine Beurteilungsgrundlage". Die Parteien und ihre Prüfer wahrscheinlich auch nicht. Nachfolgend Auszüge aus diesem Business-Plan und einige Experten-Meinungen dazu.

Zahl der Veranstaltungen: Das Programm beinhaltet "ein neu zu etablierendes “Beethoven-Leuchtturm-Festival„, Konzerte des Beethovenfestes sowie Konzerte des Beethoven-Orchesters Bonn". Man geht von jährlich 182 Veranstaltungen aus und einer 80-prozentigen Auslastung des 1500 Zuschauer fassenden Konzertsaals. Allein 55 Veranstaltungstage liefern Beethovenfest- (25) und Beethoven-Orchester-Konzerte (30) - und rund 80.000 Besucher. Sie firmieren wie 55 sonstige Konzerte als Fremdveranstaltungen. Das bedeutet: Das Festspielhaus generiert hier Miet- und keine Ticketerlöse. Bei 72 veranschlagten Eigenveranstaltungen ist es umgekehrt.

Besucher: Insgesamt werden 175.000 Besucher pro Jahr erwartet. Davon vereinnahmt man die rund 80.000 Zuhörer bei den bisherigen Beethovenfest- und Beethoven-Orchester-Konzerten und hofft auf rund 95.000 neue Konzertgäste. Die zahlen, so der Business-Plan, einen durchschnittlichen Ticketpreis von 43 Euro bei einer Spanne von 30 bis 115 Euro pro Eintrittskarte. Hier sei bei Spitzenkünstlern, so ein Experte, "noch viel Luft nach oben". Im Konzerthaus Dortmund kostet am 14. November 2014 das teuerste Ticket für den chinesischen Star-Pianisten Lang Lang 128 Euro. Was wird es in sechs Jahren (2020) kosten? Die Veranstaltung ist schon seit Tagen ausverkauft. Fazit: Die Bonner Ticketpreise sind konservativ kalkuliert.

Gebäude-Betriebskosten: Bei den Betriebskosten des Gebäudes inklusive Nebenkosten geht der Business-Plan von 8,50 Euro pro Quadratmeter und Monat aus, macht 1,1 Millionen Euro pro Jahr. Der vom GA befragte Bauexperte sagt: "Das kann nur eine gegriffene Zahl sein, damit man die Kostenposition berücksichtigt hat. Weil man heute nicht weiß, was gebaut wird, wenn gebaut wird, kann man über Betriebskosten nur spekulieren." Als Faustregel gelte: Wer viel in die Bautechnik investiere, habe später geringere Betriebskosten - ebenso umgekehrt. Die Betriebskosten-Spanne reiche etwa von 6,50 bis 12,50 Euro pro Quadratmeter. Bei einer "Gesamtfläche von 11.000 Quadratmetern", wie der Business-Plan annimmt, liegen die jährlichen Betriebskosten des Gebäudes somit zwischen 858.000 und 1,65 Millionen Euro.

Das Zinsproblem: Die Einnahmen der Stiftung enthalten auch den Zinsertrag aus dem Stiftungskapital 2020. Hier türmen sich große Fragezeichen. Die professionellen Auguren der Finanzbranche gehen davon aus, dass die Tiefzinsphase bis Ende des Jahrzehnts andauert. Die aktuelle 10-jährige Bundesanleihe bringt bis 2024 nur 0,8 Prozent. Da erscheint es "äußerst sportlich", so ein Bonner Banker gegenüber dem GA, von 3,0 Prozent auszugehen - wie der Business-Plan. Ein anderer Banker spricht davon, dass dies "aktuell über einen Zehnjahres-Zeitraum nur unter der Beimischung von italienischen oder griechischen Staatsanleihen und Aktien gelingen" könne. Ein dritter weist daraufhin, dass Stiftungen "lediglich 10 Prozent ihres Kapitals in Aktien anlegen dürfen". Aktuell seien alle Großanleger heute vor allem bestrebt, kein Geld zu verlieren.

Bei einem Stiftungskapital von 47,5 Millionen (s. "Stiftungsmodell" links) im ersten Betriebsjahr ist die Zinsfrage nicht unbedeutend: 0,8 Prozent bringen 380.000 Euro pro Jahr, 3,0 Prozent, wie von den Münchner Experten angenommen, dagegen 1,485 Millionen. Drei Prozent Zinsen im Jahr 2020 würden aber zugleich ein Gruselszenario für Bonns Stadtkämmerer bedeuten, der im Jahr 2020 vermutlich auf rund zwei Milliarden Schulden hockt: Er müsste dann 60 Millionen pro Jahr nur für Zinsen zahlen, was etwa dem doppelten Oper-/Theateretat entspricht. Dann ginge in Bonn gar nichts mehr, und nur die Kosten der Feuerwehr wären noch unantastbar.

Künstlergagen: Die geschätzten Ausgaben erscheinen weitgehend seriös, wenngleich "auf Kante" gerechnet. Einige Schwachpunkte sind, so sehen es externe Experten, die Gagen für "Jazz/Weltmusik" mit veranschlagten "3000 bis 10.000 Euro pro Konzert inklusive Reisekosten". Sie seien zu niedrig angesetzt oder "die Künstler eben nicht Spitzenklasse". Eine 200.000-Euro-Gage kalkulieren die Business-Plan-Ersteller für "Sinfonik-Superstars", wozu etwa die New Yorker Philharmoniker zählen. Selbst wenn der anvisierte Top-Ticketpreis (115 Euro) bei solch einem Klassik-Event der Durchschnittspreis wäre, bekäme man eine solche Gage nicht gegenfinanziert. Aber da wäre ja einmal die Chance eines Programmsponsors, zum anderen "die Luft nach oben": ein Top-Eintrittspreis für ein Top-Klassik-Event.

Defizit und Auswege: Der Zahlenreport endet mit einem Defizit von rund zwei Millionen Euro pro Jahr. Da es sich um Annahmen für das ferne Jahr 2020 handelt, kann das Minus auch niedriger oder wesentlich höher ausfallen. Zum Vergleich: Während andere Städte ihre Konzerthäuser bei den Betriebskosten mit 5 bis 13 Millionen Euro pro Jahr unterstützen, brächte die Stadt es nach 20 Jahren und dem jährlichen Einzahlen von 500.000 Euro ins Stiftungskapital bei 1,5 Prozent Zinsen auf eine jährliche Förderung von 150.000 Euro.

Das Rechenwerk weist auch Auswege. Ein "Großsponsor Betrieb" könnte 1,5 bis 2,5 Millionen (s. Haupttext) beisteuern, das Land NRW eine Million, und "Struktureffekte" mit dem Beethovenfest Bonn, womit vermutlich dessen institutionelle Eingemeindung ins Festspielhaus gemeint ist, 0,5 bis 0,85 Millionen Euro. Sie sprechen von einem Gesamtpotenzial zusätzlicher Erlöse - fernab der öffentlichen Hand - von "mindestens 2,5 Millionen".

GA-Fazit nach der Expertenbefragung: Der Business-Plan ist in Teilen realistisch, in Teilen geschönt gerechnet, aber kein Blendwerk wie der zum WCCB.

Der erste Business-Plan (2010) zum Festspielhaus beinhaltete einen städtischen Jahreszuschuss von 4,6 Millionen Euro. Die Gesamtkosten lagen bei rund 18 Millionen Euro pro Jahr - 8 Millionen höher als im aktuellen Rechenwerk. Bei der Metrum GmbH ist Peter Gartiser Geschäftsführer, Ehemann von Ilona Schmiel. Die Intendantin des Beethovenfestes verließ Bonn Ende 2012 Richtung Zürich. Schmiel galt als Kandidatin für die Intendanz des neuen Festspielhauses. Der Metrum-Report endet mit dem Hinweis, dass man "für die Richtigkeit der gemachten Annahmen sowie die darauf aufbauenden Aussagen keine Haftung" übernehmen. Das steht so unter jedem Business-Plan.

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