Interview Beim Denkmalschutz zählen nicht nur Alter und Schönheit

Steffen Skudelny ist Vorstand der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Sie organisiert mit dem Tag des offenen Denkmals die größte Kulturveranstaltung Deutschlands. Am Sonntag ist es wieder soweit: Auch in Bonn gibt es viel zu entdecken.

Die Stiftung und der Tag des offenen Denkmals haben quasi Silberhochzeit. War das eine Liebeshochzeit damals?

Steffen Skudelny: Das war zunächst eine Vernunftehe, weil es notwendig war, jemanden zu finden, der bundesweit den Tag des offenen Denkmals koordiniert. Da kamen nicht viele infrage, weil bei uns die Kultur Ländersache ist. Wir sind aber eine private Stiftung, die bundesweit tätig ist und deshalb geeignet war, über Landesgrenzen hinweg den Tag des offenen Denkmals zu organisieren. Der Tag des offenen Denkmals hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt und ist uns sehr ans Herz gewachsen.

Neulich sagte mir jemand, beim Abriss der Godesberger Altstadt habe der Denkmalschutz versagt. Viele wissen gar nicht, dass Denkmalpflege eine vergleichsweise junge Disziplin ist.

Skudelny: 1975 war das europäische Jahr des Denkmalschutzes. Erst seitdem gibt es Denkmalschutzgesetze, die genau den Umgang mit Objekten regeln und den Schutz organisieren.

Ist trotzdem noch Lobbyarbeit nötig?

Skudelny: Es ist absolut erforderlich dass es eine starke Lobby gibt. Wenn man bedenkt, wie sehr Denkmale unsere Umwelt prägen und wir im Gegenzug sehen, wie verhältnismäßig wenig für unsere Denkmale getan wird, dann ist da noch viel Luft nach oben.

Das Thema beim Tag des offenen Denkmals heißt dieses Jahr „Entdecken, was uns verbindet“. Was ist unter dem Oberthema zu verstehen?

Skudelny: Das Motto ist in das europäische Kulturerbejahr eingebunden. Kultur kennt keine Grenzen. Deshalb ist gerade der Denkmalschutz gut geeignet, um zu zeigen, was es für europäische Gemeinsamkeiten, Wurzeln und Bewegungen gibt. Europa hat eine hoch entwickelte Baukultur, die uns eint.

Was sind für Sie Höhepunkte im Programm?

Skudelny: Es sind die Denkmale, die man normalerweise nicht sieht. Der Tag des offenen Denkmals bietet die einmalige Chance, dass Denkmaleigentümer ihr Objekt Besuchern präsentieren, einen Blick hinter die Kulissen erlauben.

Denkmale haben das Image, dass es schnell teuer wird und dem Bauherrn immer jemand reinredet. Würden Sie den Leuten trotzdem Mut machen, sich auf den Kauf einer Denkmalimmobilie einzulassen?

Skudelny: Absolut. Bei konventionellen Bauten steuert die Industrie und die Bauordnung, es gibt dadurch erhebliche Einschränkungen. Bei Denkmalen ist der Weg sehr viel individueller und das ist eine große Chance. Ich habe erstens eine einmalige Bausubstanz und zweitens ist der Rat derer, die mitsprechen, fachlicher und gutmeinend. Außerdem gibt es ja Einrichtungen wie die unsere, die den Denkmalerhalt fördernd unterstützen.

Wir haben ein Denkmal in Bonn, wo es tatsächlich länger dauert und teurer wird: die Beethovenhalle. Wie ist aktuell der Spendenstand?

Skudelny: Der Spendenstand für die Beethovenhalle beträgt 2 126 000 Euro. Davon wurden von der Sparkasse Köln-Bonn zwei Millionen bereitgestellt, der Rest von vielen Bürgerinnen und Bürgern überwiegend aus Bonn. Wir sind zuversichtlich, auch weiterhin erfolgreich Spenden sammeln zu können, denn die denkmalpflegerischen Maßnahmen sind sehr umfangreich.

Es gibt auch unbequeme Denkmale, die weniger Zuspruch finden. Der Betonklotz muss weg. Kunsthistoriker sehen aber ein schützenswertes Beispiel für Brutalismus. Wie kann die Stiftung da ihren Beitrag leisten?

Skudelny: Ich glaube, dass die landläufige Meinung, ein Denkmal muss besonders alt und schön sein, ein möglicher Aspekt ist. Es gibt aber noch ganz andere Aspekte, zum Beispiel dass sich Kunst- und Zeitgeschichte an einem Denkmal ablesen lassen. Das können sogar unattraktive Denkmale sein, die uns aber ermöglichen, eine Zeit zu verstehen und dadurch Rückschlüsse zu ziehen – positive und negative. Es wäre nicht gut, wenn wir Geschichtsklitterung dadurch betreiben, dass wir das, was nicht passt, wegsortieren. Im Denkmalschutzgesetz ist sehr schön definiert, welche Faktoren dazu führen können, dass ein Objekt bewahrenswert ist. Es geht weniger darum, schöne Dinge zu bewahren, als aussagekräftige. Der Tag des offenen Denkmals kann Verständnis wecken und so den Schutz dieser Objekte verbessern.

Was halten Sie davon, historische Kulissen wieder aufzubauen, wie das Berliner Stadtschloss oder Teile der Frankfurter Altstadt?

Skudelny: Das ist eine sehr umstrittene und schwierige Frage. Wenn ich Ihnen jetzt als Denkmaltheoretiker antworte, kann ich nur sagen, dass ich nichts davon halte. Wir haben so viele Originale, die wir nicht erhalten können, weil einfach die Mittel fehlen. Wiederholungsbauten kunsthistorischer Substanz sind Stadtbildpflege, nicht Denkmalpflege. Das kann ich als Bedürfnis einer Gesellschaft verstehen, die wieder eine Kulisse oder ein bestimmtes Bild zurückhaben möchte. Fördern würden wir die Nachbauten nicht. Wir möchten Originale bewahren und in die Zukunft tragen.

Sie schärfen schon bei Schülern den Blick. Wie kam es zur Idee der Jugendbauhütten?

Skudelny: Wir haben in andere europäische Länder geschaut. In Italien gehört Baukultur und Kunstgeschichte auf hohem Niveau ins Schulprogramm. Wir haben Schulprogramme aufgelegt, um Jugendlichen Denkmalpflege näher zu bringen. Das Ergebnis ist erstaunlich. Es gibt neue Blickwinkel, aus denen auch wir Erwachsenen lernen, und eine unglaublich positive Resonanz bei den jungen Menschen.

Ihre Stifter gehören eher der älteren Generation an...

Skudelny: Das hat damit zu tun, dass Menschen in diesem Lebensabschnitt oft über Vermögen verfügen, die es ermöglichen gemeinnützig zu gestalten. Es gibt eine großzügige mäzenatische Generation, die nicht alles für sich selbst verbraucht, sondern etwas hinterlassen möchte. Bei der Frage „Was bleibt, wenn ich morgen nicht mehr da bin?“ kommt der eine oder andere zum Schluss, dass bauliche Kultur besonders prägend für das eigene Leben ist.

Wo ist aktuell der größte Förderbedarf?

Skudelny: Wir bekommen sehr viele Anträge und ich kann nicht pauschal sagen, wo der Bedarf am größten ist. Menschen, die fördern möchten, wenden sich stark zu kirchlichen Denkmalen hin. Mittlerweise sind auch die interessanten, ungewöhnlichen Denkmale wie Friedhöfe oder Industriebauten ein Ziel der Förderer. Es kommt aber auch schon mal vor, dass jemand, der viele Mittel zur Verfügung hat, sagt: Ich möchte dieses Schloss instand setzen. Die Themen sind so vielfältig wie die Menschen, und das ist auch das Schöne daran.

Am Tag des offenen Denkmals ist das Programm sehr unterschiedlich. In Bonn gibt es 50 Programmpunkte, aber es gibt auch Orte im Umland, wo nur die Kirche geöffnet ist.

Skudelny: Wir geben Denkmaleigentümern bundesweit sehr viel Unterstützung und Tipps. In Städten wie Bonn, die eine aktive Denkmalbehörde haben, werden Eigentümer angesprochen und zum Mitmachen angeregt. Das fehlt in kleineren Gemeinden, wo die nächste Behörde ein ganzes Stück weiter weg ist. In den Städten sind auch die Besucherströme größer. Es macht einfach mehr Spaß, wenn sie ein Denkmal öffnen und dann auch wirklich jemand kommt.

Sie haben Ihr Büro in der ehemaligen bayerischen Landesvertretung von Architekt Sep Ruf. Beteiligt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz selbst auch am Programm für den 9. September in Bonn?

Skudelny: Ja, unser Haus an der Schlegelstraße ist auch geöffnet. Es ist ein Denkmal, das sich für den Laien nicht sofort erschließt. Gerade das macht es spannend, sich Fragen zu stellen und diese auch beantwortet zu bekommen. Die Stiftung hat diverse Bauten in ihrem Eigentum, nicht nur in Bonn. Wir versuchen immer, mit möglichst vielen Objekten teilzunehmen.

Was ist aus Ihrer Sicht wichtig für die Zukunft des Denkmalschutzes?

Skudelny: Genauso wichtig wie Eigentümer und Bauherren sind die Spender und die vielen Fördervereine, die einem Denkmal ihre Zeit und ihr Engagement schenken. Die öffentlichen Mittel reichen nicht aus, um das Umfeld so positiv und schön zu erhalten.

Was sind aus Ihrer Sicht in Bonn Denkmale von morgen, oder auch andernorts?

Skudelny: Zum Beispiel das Hotel Kameha auf der anderen Rheinseite. Es prägt den Bonner Bogen sehr stark. Das ist weder eine ästhetische noch eine qualitative Bewertung. Das Kameha hat eine bestimmte Aussage und ich kann mir vorstellen, dass man irgendwann sagt, das muss bleiben. Als überregionales Beispiel denke ich an die Elbphilharmonie. Der Bau prägt Hamburg schon jetzt nachhaltig. Es wird nicht lange dauern, und er steht unter Schutz. Es ist aber auch ein sehr komplexer Bau, und es wird spannend sein, wie sich die modernen Materialien denkmalgerecht erhalten lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort