Aufzug in Tannenbusch defekt Behinderter Junge kann die Wohnung nicht verlassen

TANNENBUSCH · Seit April ist der Aufzug eines Hochhauses in Tannenbusch defekt. Für eine Familie ist das ein tiefer Einschnitt: Ihr Sohn Yassin (6), der schwer behindert ist, kann nicht selbstständig gehen. Auch seine Schwester (2) ist auf ihren Rollstuhl angewiesen.

 Von einem Balkon auf ihrer Etage blickt die Mutter des behinderten Kindes Yassin in die Tiefe. Der Aufzug ist seit Langem defekt.

Von einem Balkon auf ihrer Etage blickt die Mutter des behinderten Kindes Yassin in die Tiefe. Der Aufzug ist seit Langem defekt.

Foto: Benjamin Westhoff

Dass die Klingel gelegentlich nicht funktioniert, geschenkt. Eine Familie, die im Tannenbusch an der Oppelner Straße lebt, hat ganz andere Probleme. Seit April ist der Aufzug zur Wohnung in der sechsten Etage praktisch durchgehend defekt. Für die fünfköpfige Familie mit drei Kindern, die nicht mit vollem Namen in Erscheinung treten will, bedeutet das erhebliche Einschnitte der Bewegungsfreiheit.

Der älteste Junge, Yassin, hat eine Nervenkrankheit, er kann nicht selbstständig gehen. Die zwei Jahre alte Tochter ist ebenfalls behindert und wird auf den Rollstuhl angewiesen sein. „Jedes Mal, wenn wir einen Arzttermin haben, muss mein Mann sich Urlaub nehmen. Er hat praktisch alle freien Tage für dieses Jahr aufgebraucht,weil der Aufzug nicht funktioniert“, sagt die 29-jährige Mutter.

Nach den Sommerferien soll Yassin die Christophorusschule, eine LVR-Förderschule mit Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung ein paar Straßen von der Wohnung entfernt, besuchen. Der Sechsjährige wird schulpflichtig, die Mutter hofft auch auf Entlastung im Alltag. „Aber ich weiß nicht, wie wir ihn jeden Tag hoch und runter bekommen sollen.“ Die Verwaltungsgesellschaft Vivanium habe zwar ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht, aber ob und wann der Aufzug wieder funktioniere, habe man der Familie nicht mitgeteilt. Andere Lösungsvorschläge: „Fehlanzeige“, sagt die Mutter.

Steuerung muss ausgetauscht werden

Die Wohnung gehört zu einem Komplex mit Hunderten Wohnungen, die die Immobilienfirma Vonovia 2018 an Vivanium verkauft hat. Hinter der GmbH steht die Fondsgesellschaft Zentral Boden Immobilien Gruppe. Wie zuletzt Anfang des Jahres berichtet, waren damals acht von 16 Aufzügen außer Betrieb. Die Verwaltung begründete das mit dem Alter der Aufzüge und Schwierigkeiten, Ersatzteile zu beschaffen.

Dirk Tönges von der Vivanium teilte nun mit: „Wir haben wie angekündigt die Erneuerung und Reparatur ausgeschrieben und auch beauftragt. Am 5. August werden fünf der Aufzüge wieder in Betrieb genommen. An diesem Tag ist die Tüv-Abnahme.“ Bei den anderen drei Aufzügen, dazu gehöre auch der, auf den die Familie angewiesen ist, hofft Tönges auf eine Reparatur bis zum 1. September. Die komplette Steuerung müsse ausgetauscht werden, das sei kompliziert. Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Mieterbunds, fordert von den neuen Eigentümern den Einbau von komplett neuen Aufzügen. Die alten seien so marode, dass ein zuverlässiger Betrieb nicht mehr zu gewährleisten sei. Von Grünberg kritisiert, dass Vivanium und ZBI die hohen Kosten neuer Anlagen scheuten, weil sie diese nicht auf die Mieter umlegen könnten.

Auf die Frage, ob es nicht möglich sei, der Familie eine Wohnung im Erdgeschoss anzubieten, antwortete Tönges, dort habe man keine Leerstände. Sollte sich daran etwas ändern, würde man auf die Familie zukommen. Das Unternehmen hatte im Januar angekündigt, einen Tragedienst für Behinderte und Senioren zu organisieren, habe aber von fünf Dienstleistern Absagen erhalten. Ein Personentransport durch den Hausmeister sei aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich. „Ich bedaure sehr, dass wir da keine andere Aussage geben können.“

Mahnung als Reaktion

Die Familie hatte dem GA gesagt, auf eine Mietminderung wegen des defekten Aufzugs habe Vivanium mit einer Mahnung reagiert und eine Kündigung angedroht. Tönges bestritt eine Kündigung. Er vermutet, dass durch einen Rückstand auf dem Mietkonto der automatische Mahnlauf in Gang gesetzt worden sei. Sofern gerechtfertigt, würde er den Mahnstopp veranlassen, wenn die Familie sich meldet.

Auch an die Stadt haben sich die Tannenbuscher nach eigener Auskunft gewandt und um Hilfe gebeten. Dort, erzählt die Mutter, sei ihnen gesagt worden, dass die Warteliste für günstigere Förderwohnungen so lang sei, dass keine Aussicht bestünde, eine geeignete Bleibe im Erdgeschoss zu finden. Die Stadt teilte dazu mit, die Wohnungsaufsicht stünde im Kontakt mit Vivanium. „Die Familie wird bei der Suche einer ebenerdigen Wohnung von der Stadtverwaltung unterstützt“, sagte Andrea Schulte vom Presseamt. Die Wünsche der Familie seien aber „sehr individuell“.

Auf Beschluss des Hauptausschusses gebe es keine starren Regeln bei der Vergabe von Förderwohnungen. „Die Einstufung bemisst sich nach dem Grad der Wohnraumunterversorgung, persönlichen und familiären Gegebenheiten und der Wartezeit.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort