Das Bonner Stadtmuseum Bedrohte Schätze

BONN · Das Stadtmuseum an der Franziskanerstraße dokumentiert anschaulich mehr als 2000 Jahre Bonner Stadtgeschichte. Viele Exponate sind in Originalräumen arrangiert. Bald könnte vieles davon im Depot verschwinden.

Der Frisiersalon stammt aus der Zeit um 1900. Im Spiegel ist ein Kolonialwarenladen zu sehen, der 1893 in Poppelsdorf eröffnet wurde.

Der Frisiersalon stammt aus der Zeit um 1900. Im Spiegel ist ein Kolonialwarenladen zu sehen, der 1893 in Poppelsdorf eröffnet wurde.

Foto: Barbara Frommann

Betritt man die Galerie mit ihren Kurfürsten - darunter selbstverständlich auch der "Star" Clemens August - springt dem Betrachter sofort das kostbare Tafelsilber in der Mitte des Raumes ins Auge. "Wir haben hier verglichen mit anderen Museen in Deutschland einen der größten Silberschätze überhaupt", erklärt Gisbert Knopp, Vorsitzender des Fördervereins des Bonner Stadtmuseums.

Den heutigen Wert des Silberservices zu beziffern, sei schwierig. "Es wurde vor mehr als zehn Jahren mithilfe der Kulturstiftung der Länder und von Sponsoren für zwei Millionen Euro angekauft."

Der kurfürstliche Hofrat Paul Joseph Reichsfreiherr von Landsberg-Velen gab 1792 dem für seine Goldschmiedekunst berühmten Andreas Emmel den Auftrag für ein 300-teiliges Silbergeschirr. Von diesem sind heute nur noch die neun ausgestellten Stücke erhalten.

Von Landsberg-Velen stammte aus Münster - und dahin könnte der Bonner Silberschatz bald entschwinden. "Schlimmstenfalls verschwindet er, wie möglicherweise viele Ausstellungsstücke des Stadtmuseums, im Depot und wird der Öffentlichkeit entzogen", befürchtet Knopp.

Denn die Zukunft des Museums ist ungewiss. Das Viktoriakarree soll bekanntlich zu einer Einkaufspassage umgebaut werden, Stadtmuseum und Gedenkstätte müssten dann wohl bald ihren Standort an der Franziskanerstraße verlassen.

Dabei verzeichnet das 1998 eröffnete und von Direktorin Ingrid Bodsch geleitete Museum, dessen Geschichte schon in den 1880er Jahren begann, jährlich Tausende Besucher, darunter viele Schulklassen. "Allein 90 Veranstaltungen gibt es hier im Jahr", so Knopp.

Zu sehen bekommen die Besucher einen äußerst detailreichen Einblick in die mehr als 2000-jährige Stadtgeschichte: angefangen vom antiken Bodenmosaik über den "Bonner Löwen" aus dem 12. und dem steinernen "Wölfchen" als ältestes Rechtsdenkmal aus dem 15. Jahrhundert sowie barocke Stadtansichten bis hin zur Fernsehkamera aus der Zeit, als Bonn Bundeshauptstadt war.

Es gibt Möbel und Porzellan, historische Kleidung und Uniformen sowie Nachlässe von Künstlern, Schriftstellern, Professoren und Firmen, die aus Bonn kommen oder mit Bonn in enger Verbindung standen.

Vieles davon wird in stimmigen Arrangements präsentiert - bis hin zu ganzen Läden und Salons. Da ist die kurfürstliche Galerie mit ihrem Silberschatz nur einer von mehreren Höhepunkten. Das Reizvolle an diesem Raum sei, dass "er sich an historischer Stelle befindet", so Knopp, Professor für christliche Kunstgeschichte und Denkmalpflege und stellvertretender Landeskonservator a.D.

Die Kölner Kurfürsten, die Bonn als ihre Residenzstadt auserkoren hatten, gelangten nämlich seinerzeit von ihrem Schloss, dem heutigen Universitätshauptgebäude, über eine Brücke in die frühere Hofkirche des ehemaligen Franziskanerklosters.

Ein deckenhohes Fenster gibt heutzutage dort, wo die Kurfürsten einst von der Brücke hineinschritten, den Blick frei auf ihre einstige Residenz.

Das Altrosa der Wände des Ausstellungsraumes ist eine Anspielung auf die Farbe des Brühler Schlosses, einst kurfürstliche Sommerresidenz. Die Zeit Bonns als kurkölnische Residenzstadt und somit als erste Hauptstadt ihrer Geschichte entfaltet sich im Stadtmuseum unter anderem dank vieler Gemälde, die dem Besucher beeindruckende Ansichten der damals noch mit einer Mauer umstandenen Stadt liefern.

Zu Zeitreisen kann man auch in anderen, chronologisch angeordneten Museumsräumen aufbrechen - beispielsweise in die Epoche (groß-)bürgerlicher Kultur vor mehr als 100 Jahren. So gibt es einen vollständig eingerichteten Kolonialwarenladen, der 1893 in der Sternenburgstraße eröffnete - mit "Leibnizcakes" und Zuntz-Kaffee, Waagen und Registrierkasse.

Und es gibt auch einen Frisiersalon von 1900, wo vor der Spiegelwand der modebegeisterten Dame die Locken gelegt und dem standesbewussten Herrn die Barthaare gezwirbelt wurden.

Wie prachtvoll das wohlhabende Bürgertum zu jener Zeit lebte, zeigen zwei Salons. In einem davon ist der Esstisch der Unternehmerfamilie Tenten gedeckt mit Geschirr der ehemaligen Bonner Firma Wessel.

"Wer keine Herkunft hat, hat auch keine Zukunft", sagt Kunsthistoriker Knopp in Anspielung auf die Umzugspläne. Für ihn steht fest: "Das Bonner Stadtmuseum gehört zu den größten und renommiertesten Museen im Rheinland."

Die Bestände

Die komplette Sammlung des Bonner Stadtmuseums umfasst mehr als 10 000 Einzelstücke, darunter etwa 600 Gemälde, 1900 Grafiken, 1700 seltene Bücher und andere Kostbarkeiten, 1500 kunstgewerbliche Exponate, 200 Plastiken und 250 Möbel - die Bestände des Schulmuseums, die das Stadtmuseum übernehmen wird, nicht inbegriffen.

Der größte Teil stammt aus Schenkungen und testamentarischen Verfügungen. Den Grundstock bilden die Kunstwerke der Stiftung des Mediziners Obernier: vor allem Malerei des 19. Jahrhunderts, Düsseldorfer und Münchner Malerschule sowie einige frühe Niederländer und Italiener.

Es begann 1882

Obwohl erst 1998 eröffnet, beginnt die Geschichte des Stadtmuseums im Jahr 1882. Bereits damals bekam die Stadt die Kunstsammlung des verstorbenen Bonner Medizinprofessors Dr. Franz Obernier samt Villa und einem Barvermögen von 130 000 Mark übereignet. Aus den Zinsen sollte die Villa Obernier als städtisches Museum unterhalten werden.

Doch obwohl die Villa 1884 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und der Ausbau der Sammlung möglich gewesen wäre, geschah erst einmal nichts. 1886 konstituierte sich dann der Verein Bonnensia mit dem Ziel, durch Ankäufe über die Obernierschen Exponaten hinaus eine Sammlung zusammenzutragen, die zur Einrichtung eines kulturhistorisch ausgerichteten Stadtmuseums durch die Stadt Bonn führen sollte.

Der Druck wuchs

Allein es dauerte, sodass der in den 1950er Jahren gegründete "Bonner Heimat- und Geschichtsverein" dieses Ziel auch noch nach Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgte - und das weiterhin ohne Ausstellungsräume.

Erst die im Rheinischen Landesmuseum veranstaltete Ausstellung "Bonn in der Kaiserzeit 1871-1914" fand 1986 ein derart überwältigendes Echo, "dass der Ruf nach einem Stadtmuseum nicht mehr verhallen wollte und alle vorgeschobenen Gründe der Verweigerung systematisch aus dem Wege geräumt wurden", sagt der spätere Erste Vorsitzende des Fördervereins Stadtmuseums, Gisbert Knopp.

"Der Zeitpunkt schien günstig: in der Euphorie der 2000-Jahr-Feier der Stadt wollte es nicht so recht passen, dass sie immer noch keine dauerhafte Dokumentation ihrer langen Vergangenheit hatte", so Knopp.

So fasste der Stadtrat im Jubiläumsjahr 1989 den Beschluss zur Einrichtung eines Stadtmuseums mit der Übernahme der alten Bestände und der Ausschreibung einer Stelle für den Aufbau und die Leitung des Museums.

Eröffnung am 14. Januar 1998

Am 14. Januar 1998 wurden dann auf 1000 Quadratmetern die Schauräume in der ersten und zweiten Etage in der Franziskanerstraße 9 eröffnet, an historischem Ort von Kirche und Kloster der Franziskaner, einst mit der gegenüberliegenden kurfürstlichen Residenz mit einer Brücke verbunden.

Schon seit 1990 gehört das Ernst-Moritz-Arndt-Haus an der Adenauerallee als Dependance zum Stadtmuseum und wird mit Sonderausstellungen und Veranstaltungen regelmäßig bespielt.

Ziele des Fördervereins

Der 1984 gegründete Förderverein definiert seine Ziele unter anderem damit:

  • das Interesse für die Stadtgeschichte zu wecken und zu pflegen sowie Forschungen anzuregen.
  • die Stadtgeschichte durch Vorträge, Seminare, Führungen und Aktionen näherzubringen.
  • zur Ergänzung der Sammlungen wichtige Dokumente und stadtgeschichtliche Zeugnisse zu erwerben und zu vermitteln, zu Spenden, Schenkungen und Leihgaben aufzurufen.
  • das Interesse für die Geschichte Bonns, insbesondere bei den Kindern, zu wecken.

Einen schönen Überblick über die Ausstellung gibt der "Museumsführer", erhältlich im Stadtmuseum, Franziskanerstraße 9, das ab 1. September wieder geöffnet ist: mittwochs von 9.30 bis 14, donnerstags bis samstags von 13 bis 18 und sonntags von 11.30 bis 17 Uhr. Unter bonn.de gibt es einen virtuellen Rundgang.

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