Kostenexplosion bei öffentlichen Bauarbeiten Bauboom setzt die Stadt Bonn unter Druck

Bonn · Die Sanierung der Beethovenhalle wird immer teurer, weil die Firmen höhere Preise verlangen, als die Stadt kalkuliert hat. Und: Die Stadt muss den Unternehmen förmlich nachlaufen.

Dringlichkeitsentscheidung zur Beethovenhalle – das bedeutet in diesen Tagen nichts Gutes. Immer wenn die Stadtverwaltung den Ratsmitgliedern eine solche Vorlage zustellt, wissen die Politiker: Die Sanierung wird wieder teurer, weil die Preisforderungen von Baufirmen deutlich über den Kostenprognosen des Städtischen Gebäudemanagements Bonn (SGB) liegen. Ein Trend, der auch millionenschwere Auswirkungen auf andere Bauprojekte haben wird.

Die vertrauliche Dringlichkeitsentscheidung vom 12. Juli ist ein drastisches Beispiel. Es geht um einen großen Auftrag für neue Heizungs- und Klimatechnik für die denkmalgeschützte Beethovenhalle, den das SGB europaweit ausgeschrieben hat. Kostenprognose, gestützt auf die Expertise externer Planungsbüros: 2,53 Millionen Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Den Zuschlag hat die Kölner Apleona Wolfferts GmbH allerdings für satte 3,72 Millionen Euro erhalten – eine Budgetüberschreitung von 47 Prozent. Es gab nur zwei weitere Unternehmen, die sich um den Auftrag bewarben. Beide waren noch teurer; eine GmbH aus Aschaffenburg verlangte laut der Dringlichkeitsvorlage sogar 8,82 Millionen Euro.

Dass auch das Apleona-Angebot stark über der Kostenprognose liegt, begründet die Stadt in der Vorlage hauptsächlich mit „höheren kalkulatorischen Zeitansätzen“ für das Montieren der Anlagenteile. Sie führt aber auch den allgemeinen Bauboom an: Wegen der Auslastung der Firmen lägen die Wettbewerbspreise „auf einem hohen Niveau“.

Zeitplan der Sanierung ist eng getaktet

Dazu kommt: Der Zeitplan der Sanierung ist eng getaktet, damit die Beethovenhalle spätestens im Frühjahr 2019 wieder bespielt werden kann. Für Neuausschreibungen einzelner Vergabeeinheiten mit den entsprechenden Fristen hat das SGB gar keine Zeit. So muss die Stadt auch bittere Pillen schlucken, wie das Beispiel der Dechant Hoch- und Ingenieurbau GmbH aus Weismain zeigt. Die hatte für Rohbauarbeiten in der Beethovenhalle ein Angebot von 1,07 Millionen Euro vorgelegt. Die SGB-Kostenprognose lag laut der entsprechenden Dringlichkeitsvorlage bei 1,34 Millionen Euro.

Doch später habe sich die Firma auf einen Kalkulationsfehler berufen und die Arbeiten in Bonn trotz Fristsetzung nicht begonnen, so die Stadt. Das SGB kündigte, drohte mit Schadenersatzklage. Unter Zeitdruck sprach man mehrere andere Unternehmen an. Nur eine gab ein Gebot ab: 2,99 Millionen Euro – 122 Prozent über der Prognose. Notgedrungen holte das SGB die Firma Dechant wieder an Bord. Die bekommt nun mit 1,56 Millionen Euro eine halbe Million mehr, als sie ursprünglich verlangt hatte.

Die Stadt muss den Unternehmen förmlich nachlaufen: Um den Einbau neuer Aufzüge in die Beethovenhalle hat sich nur eine einzige Firma beworben. Der Zuschlag für die Braun Aufzüge GmbH aus Zierenberg liegt mit 1,01 Millionen Euro um 43 Prozent über der Kostenprognose von 708 000 Euro. Allerdings seien auch die Stahlpreise seither stark gestiegen, unterstreicht die Stadt. „Wir geben nur unsere gestiegenen Kosten weiter“, betont Tobias Braun, geschäftsführender Gesellschafter der Aufzugsfirma. Neben Rohstoffen betreffe das höhere Löhne in einer Branche, die viele Aufträge, aber auch Fachkräftemangel habe. Hinzu kämen große „bürokratische Anforderungen“, vor allem bei öffentlichen Auftraggebern.

Kostenprognosen werden immer wieder überschritten

Braun, mit seiner Firma in mehreren Bundesländern aktiv, beobachtet seit zwei Jahren, dass öffentliche Ausschreibungen wegen Überschreitung der Kostenprognosen aufgehoben werden. „Das scheint auf ein Problem von Kostenschätzungen zurückzuführen zu sein, weil sie auf abgeschlossenen Projekten beruhen“, sagt der Geschäftsführer. Zwischen Schätzung und Ausschreibung lägen häufig mehr als zwei Jahre. „Bei durchschnittlicher Bauzeit von zwei Jahren und weil nicht alle Fachplaner regelmäßig vergleichbare Aufzugsanlagen planen und ausschreiben, beruhen die Kostenschätzungen zur Zeit der Ausschreibung oft auf fünf Jahre alten Marktpreisen.“ Alle anderen genannten Firmen lehnten eine Stellungnahme ab.

Die Kostenprognose für die Beethovenhalle liegt derzeit bei 70,6 Millionen Euro – rund zehn Millionen Euro über der ursprünglichen Berechnung und damit in der Schwankungsbreite von plus-minus 20 Prozent, die die Stadt vor Jahresfrist genannt hatte. Allerdings kann in den verbleibenden 16 Monaten Bauzeit auch noch viel passieren.

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