Nach dem versuchten Anschlag in Bonn Bürger bewahren die Ruhe

bonn · Nach dem versuchten Anschlag am Bonner Hauptbahnhof beruhigt die Polizeipräsenz die Besucher des Weihnachtsmarkts. Auch in Bahnhofsnähe ist von Angst nichts zu spüren.

Die Kamera an Gleis 1 des Bonner Hauptbahnhofs lieferte zwar keine Bilder von den Ereignissen am Montag, als ein Unbekannter dort eine Tasche mit einem Sprengsatz deponierte. Die Überwachungsanlage der McDonald's-Filiale an dem Bahnsteig allerdings nahm Bilder eines Verdächtigen auf. Die Kamera des Schnellrestaurants war zwar die einzige, die den Mann mit Tasche zeigte, aber auch in den anderen Läden im Hauptbahnhof gibt es Videoüberwachungen. So zum Beispiel beim "Wiener Feinbäcker". "Wir zeichnen die Fläche vor unserem Verkaufsbereich auf", erklärte Bäckerei-Chef Musa Basaran, den die Ermittler ebenfalls nach seinem Videomaterial gefragt hatten.

Dass Bahnreisende nach dem Bombenfund beunruhigt oder ängstlich sind, kann er - genauso wenig wie Mitarbeiter anderer Läden im Umfeld des Bahnhofs - nicht feststellen. Das gilt auch für die Händler und Besucher auf dem Weihnachtsmarkt.

"Es ging hier auf dem Markt bislang ganz ruhig zu. Eigentlich wie zuvor auch schon", sagt Marktbeschicker Jamal Al-Ashas, der mit Tanja Darwiesh und Klaus Oepen Schmuck in den verschiedensten Variationen an seinem Stand verkauft: Zu einer gewissen Beruhigung habe vor allem die Polizeipräsenz vor Ort beigetragen, so Al-Ashas weiter. "Wütend" sei er eigentlich nur auf die Verantwortlichen für die Ereignisse auf dem Hauptbahnhof: "Da fragt man sich doch einfach nur: Was soll das denn?"

[kein Linktext vorhanden] Auch an dem Glühweinstand Neuen-Barth ist alles unverändert. Die Glühweintrinker ließen sich von einem Besuch nicht abhalten, sagt Beate Neuen. Das bestätigt auch Beatrix Markmann von der Almhütte. "Alles ist gleich geblieben, wir haben nichts bemerkt." Allerdings habe sie selbst am Montag gedacht: "Mein Gott, das passiert vor unserer Tür." Ärgerlich ist sie über die spärlichen Informationen der Behörden in den ersten Tagen. "Die Allgemeinheit hat doch ein Recht darauf zu erfahren, was genau passiert ist."

Keine Spur von ängstlich ist auch Olga Gutsch, die nur einen Steinwurf von dem Schmuckhändler entfernt einen Stand der Caritas mit Geschenkartikeln betreut. Gutsch setzt dabei vor allem auf "Gottvertrauen", wie sie sagt. Vor allem rät sie anderen Mitbürgern angesichts des anstehenden Festes der Freude zu Optimismus: "Weihnachten steht vor der Tür, da sollte man sich lieber nicht mit schlechten Nachrichten beschäftigen, die in der Vergangenheit passiert sind."

Gleichwohl beschäftigt der Fund der Tasche mit dem explosiven Inhalt unverändert die Menschen. So jedenfalls haben es Katrin Stelzmann und Gisela Franke-Niemeyer erlebt, die in der "Kirchenhütte" Tee ausschenken. "Immer wieder haben Kunden nachgefragt, ob wir was Neues in der Sache wissen", erzählt Stelzmann. Für sie ist es kein Wunder, dass sich die Besucher der Kirchenhütte über andere Themen austauschen wollen. "Wir sind hier ein Gegenpol zu dem ganzen Konsumrummel, und daher erfahren wir auch, was die Menschen bewegt."

[kein Linktext vorhanden] Dass auf dem Weihnachtsmarkt nach dem Taschenfund ein Rückgang der Besucherzahlen eingetreten ist, vermochte auch Stelzmann nicht zu erkennen: "Ich würde sagen, es ist das gewohnte Aufkommen an heimischen Kunden und Touristen." Gleichwohl: Ganz freimachen von dunklen Gedanken konnte sich Franke-Niemeyer nicht, als sie gestern Morgen zum Weihnachtsmarkt aufbrach: "Wie der Bahnhof ist auch der Weihnachtsmarkt ein Ort, an dem viele Menschen sind und an dem eine Bombe viel Unheil anrichten könnte." Ihr mulmiges Gefühl sei dann aber im Laufe des Vormittags weg gewesen.

Auch die Besucher lassen sich nicht beirren. "Wenn man alleine am Bahnhof steht, hat man vielleicht ein komisches Gefühl, aber hier nicht", sagt Pia Rösel, die mit ihren Freundinnen zum Weihnachtsmarkt gekommen ist. Genauso denkt Fritz Hogrebe: "Ich lasse mich nicht beeinflussen." Er sei beruhigt, dass es aufmerksame Bürger wie die beiden Jugendlichen gebe, die am Montag die Polizei alarmiert hatten. Auf jeden Fall fühlt er sich sicher, "die Polizei ist ja sehr präsent".

So zum Beispiel an der Wache Weihnachtsmarkt in unmittelbarer Nachbarschaft des Münsters. Dort stehen gestern mehrere Polizeibeamte und werfen auch von dort ein Auge auf das Treiben auf dem Weihnachtsmarkt. "Wir stehen hier zwar noch nicht so lange", sagte ein junger Beamter, "aber bislang hat uns kein beunruhigter Passant angesprochen."

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