Epilepsiekranker auf Jobsuche Auch das Arbeitsamt hilft ihm nicht

BONN/REGION · Eigentlich will der 28-Jährige nur eines: "In Ruhe leben und zur Arbeit gehen können." Sein Leben hat er gut in den Griff bekommen, obwohl er Epileptiker ist.

"Ich habe zum Glück nur eine leichtere Form der Krankheit und dafür die richtigen Medikamente", erzählt der junge Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Eineinhalb Minuten vor einer Teilbewusstseinsstörung spüre er deren Kommen in der Magengegend und könne sich darauf vorbereiten. "Bei mir kommt das sowieso nur nachts. Am Tag habe ich meist nichts." Trotzdem erfüllt sich sein zweiter Wunsch nicht mehr: in Ruhe arbeiten zu können. Er habe da schon so viele Vorurteile abbekommen. Potenzielle Arbeitgeber hätten sich, sobald sie nur das Wort Epilepsie gehört hätten, nie mehr bei ihm gemeldet.

"Nicht jeder Epileptiker hat klassische Anfälle, kippt um und fängt an zu zucken", rekapituliert der 28-Jährige die gängigen Klischees. Es gebe weitaus leichtere Formen der Krankheit, wie eben seine. Als Jugendlicher habe er erstmals gemerkt, dass etwas nicht mit ihm stimmte, und sich in ärztliche Behandlung begeben. Dann habe er Radio- und Fernsehtechniker gelernt, sei aber im Beruf nicht einsetzbar gewesen. Das versteht er. "Ich kann nicht jederzeit auf die Dächer steigen." Dann sei er eine Zeit lang im Vertrieb tätig gewesen. Als es dann aber hieß, mit dem Auto zu Kunden zu fahren, habe er das nicht realisieren können. "Ich wollte Innendienst machen. Da hat mir mein Chef den Vertrag nicht verlängert."

Doch der Mann wollte nicht zu Hause sitzen, sondern arbeiten. "Ich habe mir gedacht, im Bereich von Behindertenwerkstätten wäre ich doch einsetzbar und könnte auf Verständnis für meine Situation hoffen." Also machte er sich zum Arbeitsamt auf, um eine Umschulung zu beantragen - die ihm bis heute nicht gewährt wird. Der Grund: Ein vom Amt bestelltes Gutachten habe ihm zwar beste soziale Kompetenzen bescheinigt, aber es sei "nicht leidensgerecht", wenn er arbeite.

Der 28-Jährige ist empört. Was heiße das: nicht leidensgerecht? Seine Ärzte bestätigten ihm doch, dass er auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Dass er seine höchstens dreiminütigen, leichten Aussetzer durch Medikamente und Erfahrung gut im Griff habe. Aber das Arbeitsamt rücke nicht von dem einen Gutachten ab, das ihn aus dem Berufsleben katapultiere.

"Das ist Schubladendenken." Niemand berate mit ihm, wo er einsatzfähig sein könnte, klagt der 28-Jährige. "Ich passe bei denen nicht ins Raster." Ihm sei also nichts übrig geblieben, als mit einem Anwalt des Bundes Deutscher Hirnverletzter gegen das Gutachten anzugehen. Das Verfahren läuft. "Jeder von uns Epileptikern wünscht sich mehr Kooperation in der Berufswelt", sagt der 28-Jährige bitter. Er ist Mitglied der Epilepsie-Selbsthilfegruppe Bonn/Rhein-Sieg, deren Motto lautet: "Epilepsie ist keine Entschuldigung dafür, sich nicht auf den Weg zu machen und die eigenen Träume wahr werden zu lassen."

Die Krankheit

Ein Prozent aller Menschen leiden an der neurologischen Erkrankung Epilepsie, weitere vier Prozent haben einmalig einen Anfall oder Fieberkrampf als Kind. Epileptische Anfälle sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Die Krankheit wird durch Messen der Gehirnströme angezeigt. Ursachen können Fehlbildungen des Gehirns, Hirnschädigung durch Geburtskomplikationen oder Schlaganfälle sein. 70 Prozent der Patienten können mit Medikamenten so behandelt werden, dass sie nur noch wenige Anfälle haben oder anfallsfrei sind. Kontakt zur Selbsthilfegruppe auf www.epilepsie-shg-bonn.de.

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