Prozess um Millionenbetrug auf Baustellen Angeklagte sollen Steuern und Sozialabgaben hinterzogen haben

BONN · Mehr Personen hätten am Montag beim besten Willen nicht mehr auf die Anklagebank gepasst: Sieben Angeklagten, 14 Verteidigern und zwei Dolmetscherinnen sah sich Staatsanwalt Pascal Regh im Bonner Landgericht gegenüber, als er die Anklage verlas.

 Prozessauftakt: Sieben Angeklagte und 14 Verteidiger sitzen den Richtern der Wirtschaftsstrafkammer gegenüber.

Prozessauftakt: Sieben Angeklagte und 14 Verteidiger sitzen den Richtern der Wirtschaftsstrafkammer gegenüber.

Foto: Roland Kohls

In dem Prozess vor den Richtern der Wirtschaftsstrafkammer muss geklärt werden, ob die Männer im Alter zwischen 42 und 60 Jahren für einen Millionenbetrug auf Baustellen zwischen Bonn und Düsseldorf verantwortlich sind. Durch nicht gezahlte Steuern und Sozialabgaben soll zwischen Januar 2010 und Oktober 2013 ein Schaden von knapp 6,5 Millionen Euro entstanden sein.

Der Prozess läuft vor dem Landgericht, weil die Bonner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen führte. Nach mehreren Kontrollen auf Baustellen in Bonn und Troisdorf hatten die Fahnder die Firmen ins Visier genommen. Schließlich schlugen die Ermittler im vergangenen Oktober zu. Bei Razzien auf den Baustellen und in den Geschäfts- und Privaträumen der Angeklagten wurden kartonweise Beweismittel sichergestellt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein 42 Jahre alter Kölner inoffizieller Kopf der Baufirma war, die in Bergheim gegründet wurde, ihren Sitz aber zuletzt in Pulheim hatte. Dem Hauptangeklagten, der als einziger der Männer in Untersuchungshaft sitzt, wirft die Anklage Lohnsteuerhinterziehung, Betrug und Vorenthalten von Arbeitsentgelten vor. Den sechs mitangeklagten Männern aus Erftstadt, Merzenich und Brühl wird Beihilfe zur Last gelegt.

Der vermeintliche Chef soll ein dubioses Firmengeflecht mit etlichen Subunternehmen geschaffen haben. Die Bauaufträge wurden laut Anklage an die Subunternehmen weitergegeben, um in der Buchhaltung zu verschleiern, dass Hunderte von Arbeitern auf den Baustellen nicht ordnungsgemäß angemeldet waren.

Das System konnte offenbar nur funktionieren, weil die Arbeiter sich offiziell als 400-Euro-Kräfte anstellen ließen oder nach Stunden bezahlt wurden. Dem ermittelnden Hauptzollamt war jedoch aufgefallen, dass viele Arbeiter bis zu sechs Tage die Woche von morgens bis abends auf den Baustellen schufteten. Den restlichen Lohn sollen sie dann unter anderem von einigen Mitangeklagten bar auf die Hand erhalten haben - oft in einem Eiscafé in Erftstadt. Die mutmaßlichen Beihelfer sollen teilweise ihre Namen zur Verfügung gestellt haben, mit denen dann die Geschäftsführerposten der Subunternehmen belegt wurden.

Am ersten Verhandlungstag haben sich die Angeklagten gestern noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Dem Antrag eines Verteidigers auf Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde nach der Verlesung der Anklageschrift stattgegeben. Der Verteidiger gab an, die Besetzungsliste des Gerichts nicht erhalten zu haben. Damit der Rechtsanwalt genügend Zeit hat, um die Besetzung der Wirtschaftsstrafkammer zu überprüfen, wurde der für Dienstag angesetzte zweite Verhandlungstag abgesagt. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

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