Hochwasser Als der Rheinpegel auf 9,39 Meter stieg

Bonn · Vor 30 Jahren flutete ein Hochwasser viele Straßen und Keller in Beuel und Bonn.

 Eingeschlossen von den Fluten sind viele Häuser. Die Menschen wie diese Familie in Beuel trotzen dem Wasser.

Eingeschlossen von den Fluten sind viele Häuser. Die Menschen wie diese Familie in Beuel trotzen dem Wasser.

Foto: Archiv

Schmutzig-braune Fluten, soweit das Auge reicht: Der Pegel des Rheins steuert am 28. März 1988 in Bonn unaufhörlich auf die 9,50-Meter-Marke zu. Die zweite Hochwasserwelle des Frühjahrs vor 30 Jahren verursacht Schäden in Millionenhöhe – ähnlich wie fünf Jahre zuvor beim 1983er-Hochwasser.

Nach Tagen des Hochwassers im März 1988 bieten sich in Bonn und Beuel katastrophale Szenen: Ganze Straßen stehen unter Wasser; an einigen Stellen der Uferpromenade sind selbst die Kronen der Bäume versunken; Öl aus voll gelaufenen Heizungskellern schwimmt auf dem Wasser und treibt mit vielen anderen Gegenständen flussabwärts.

Die Schäden sind enorm. Vielerorts sind Keller vollgelaufen. Insgesamt 20 000 Sandsäcke werden gefüllt und verteilt. In einer privaten Tiefgarage in der Steinerstraße setzen die Fluten 20 Liter Treibstoff frei und vier Fahrzeuge unter Wasser, darunter zwei wertvolle Oldtimer, von denen einer kurz zuvor für 50 000 Mark restauriert worden ist. Die untersten Etagen der City-Garage sowie der Theatergarage sind gesperrt.

Am Wasserwerk – dem Ausweichquartier des Deutschen Bundestags – schwappt die braune Flut in den Vorgarten und in den Keller. Die Bonner Abwässer fließen ungeklärt in den Rhein: Die Kläranlage am Salierweg hat ihren Betrieb einstellen müssen, weil der Rückstau durch die Fluten einfach zu groß geworden ist.

Auch das Römerbad bietet ein sonderbares Bild: Einzig das Sprungbecken hat noch sauberes, dunkelblaues Wasser. In die restlichen Becken ist die braune Brühe übergeschwappt. Den 15 Hektar großen Teich des Freizeitparks Rheinaue hat der Rhein bereits vor einigen Tagen vereinnahmt – und damit auch die darin lebenden 30 000 Karpfen, Aale, Forellen und Weißfische.

Besonders heftig betroffen sind die Bewohner Beuels. Dort stehen seit Tagen viele Straßen unter Wasser, etwa Rheinau- und Steinerstraße, Johannesstraße und Wolfsgasse. Mehr als 3 000 Beueler sind vom Hochwasser direkt betroffen. Die Technische Einsatzleitung im Beueler Rathaus gibt unermüdlich Sandsäcke zum Abdichten aus. Die Helfer der Freiwilligen Feuerwehren und des Technischen Hilfswerkes kritisieren den Hochwasser-Tourismus: Viele Zufahrtsstraßen zum Überschwemmungsgebiet sind durch Falschparker blockiert.

Die Familie Schulz wohnt seit mehreren Generationen in der Rheinaustraße in Beuel. Margarethe Schulz hat bereits das katas᠆trophale Hochwasser 1926 erlebt – als siebenjähriges Mädchen. „Damals waren die Folgen viel schlimmer, weil es noch keinen Damm gab“, erinnert sich die fluterprobte Anwohnerin. Die Beuelerin Hildegart Larmann sagt: „Die Fremden schreckt das Hochwasser viel mehr ab als uns. Hier sagen wir, die Kinder kommen mit Gummistiefeln auf die Welt.“

Das Hochwasser nimmt auch keine Rücksicht auf 40 Jahre alte Traditionen: Die Osterkirmes am Beueler Rheinufer muss verschoben werden, weil der Festplatz überschwemmt ist – und wird später nachgeholt. Erst am 29. März 1988 tritt Vater Rhein den Rückzug an, der Rheinpegel von 9,39 Meter fällt wieder – Zentimeter um Zentimeter. „Das war’s“, sagt Helmut Suntrop vom Wasser- und Schifffahrtsamt West in Münster.

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