Diskussion im Landesmuseum "Alles Rosa? So ganz dann wohl doch nicht"

BONN · Anhand von Lebensgeschichten dreier Mädchen aus Afrika, Indien und aus Lateinamerika können derzeit Besucher der Sonderausstellung "Weil wir Mädchen sind..." des Kinderhilfswerks Plan International Deutschland einen Eindruck vom Alltag und Familienleben der jungen Frauen erhalten. Wie schaut es hingegen in Deutschland aus? Wie wachsen hier Mädchen auf, und was erleben sie im Alltag?

 Angeregte Diskussion an mehreren Themen-Tischen, an allen dreht sie sich um Mädchen und junge Frauen.

Angeregte Diskussion an mehreren Themen-Tischen, an allen dreht sie sich um Mädchen und junge Frauen.

Foto: Barbara Frommann

Unter dem Motto "Alles Rosa? Mädchen heute" diskutierten dazu am Mittwochabend im Bonner Wissenschaftscafé des Landesmuseums eine Expertenrunde aus Ärzten und Wissenschaftlern mit Besuchern an verschiedenen "Themen-Tischen".

Nach einem Rundgang durch die Ausstellung informierten sich die Teilnehmer zum aktuellen Stand zur Sucht bei Mädchen, über den Schönheits- und Leistungsdruck bis hin zu neuen Erkenntnissen für einen gesunden Umgang mit Medien. Die Diskussion zeigte: Mädchen in Deutschland teilen Gemeinsamkeiten mit dem Leben von Mädchen in fernen Ländern.

Begleitet beispielsweise in der Ausstellung die 14-jährige Yoselin aus Lateinamerika die frühe Schwangerschaft einer Freundin, sind in Deutschland solche Schwangerschaften ebenfalls keine Seltenheit. "Hier gilt es aufzuklären. Die Sexualerziehung in der Schule hat Einiges erreicht, aber dennoch muss das Selbstbewusstsein junger Frauen weiter gestärkt werden", so Wolfgang Holzgreve, Gynäkologe und Ärztlicher Direktor der Uniklinik Bonn. Allerdings seien Schwangerschaftsabbrüche in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Auch was das Schönheitsideal betrifft, gibt es offensichtlich Gemeinsamkeiten. Gehört in afrikanischen Ländern die Beschneidung von Mädchen nach wie vor leider zum Alltag, lassen sich hierzulande immer mehr junge Frauen auf Brustvergrößerungen ein und leiden unter Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht. "Sie haben, auf Ihren Körper bezogen, Wahrnehmungsstörungen und streben nach Perfektion", so Andrea Bruns von update, der Fachstelle für Suchtprävention der Bonner Caritas.

Die Medien setzen die jungen Menschen unter Druck, so die Suchtberaterin. Angesichts perfekt ausschauender Models in der Werbung oder in Castingshows werde diese Form von Leistungsdruck immer stärker. "Wir beobachten hier, dass insbesondere die Identitätsentwicklung beeinflusst wird", so Angela Tillmann vom Institut für Medienforschung der Fachhochschule Köln. Gabriele Uelsberg, Direktorin des Landesmuseums, ergänzt: "Marilyn Monroe wäre in der heutigen Zeit aufgrund Ihrer weiblichen Rundungen kein Ideal mehr."

Auch das Thema Gewalt betrifft nicht ausschließlich bestimmte Lebenswelten von Mädchen im Ausland. "Viele erleben auch in unserer Gesellschaft psychische oder körperliche Gewalt", so die Kunsttherapeutin Annette Stachs vom Bonner Mädchenhaus. "Die jungen Frauen drücken sich über ihre Bilder aus, aber sie sprechen nicht dazu. Das sagt viel."

Erschreckend sei auch die Zunahme der Suizidrate unter jungen Menschen in Deutschland. "Diese ist mit 17 Prozent die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen", so Stefanie Schmid-Altringer von nahdran-Kommunikation. "Wenn wir sagen "Hier ist alles Rosa", so ganz dann wohl doch nicht", erklärt sie abschließend.

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