Streckennetz des Bonner Nahverkehrs Alle Wege führen übers Zentrum

BONN · In der kalten Jahreszeit stehen in Bonn in den Morgen- und Abendstunden die Autos still. Verschärft wird die Lage durch Baustellen auf den Hauptverkehrsadern. Auch wer mit Bus und Bahn fährt, hat darunter zu leiden.

Fast alle Linien laufen sternenförmig auf den Hauptbahnhof im verstopften Stadtzentrum zu, Querverbindungen gibt es kaum.

So wie der Städtebaurat, hält auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Bonn die Pläne für den Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) für nicht mehr zeitgemäß - und damit auch die Organisation des Streckennetzes. "Es muss ja nicht jeder Bus unbedingt über den Hauptbahnhof fahren", meint VCD-Kreisvorsitzender und SPD-Planungspolitiker Wolfgang Groß. Effektiver wäre es aus seiner Sicht, wenn man das Busnetz auf die Bahnschwerpunkte konzentrieren würde.

"Im Prinzip müssten mehrere Knoten geschaffen werden: in Duisdorf, Beuel und an der Bad Godesberger Rheinallee, wo es ja zum Teil schon gemacht wird", meint der Verkehrsexperte. "Es muss doch beispielsweise nicht jeder Bus aus Beuel über die Kennedybrücke fahren." Allerdings müssten dann auch die Bahnen aufgerüstet werden, weil diese dann ja größere Kapazitäten aufnehmen müssten, meint Groß. "Die Verordnung lässt eine maximale Länge von 75 Metern für Straßenbahnen zu, die andere Kommunen auch ausnutzen. In Bonn kommt man bei einer Doppeltraktion gerade mal auf 56 Meter." Auch eine Takterhöhung müsste auf der Schiene drin sein. Aber dafür haben die SWB zu wenig Fahrzeuge.

Verbesserungen für den Fahrgast brächten laut VCD-Kreisverband auch die Einführung von mehr Schnellbuslinien, etwa zu den Kulturzentren. Groß: "Wer etwa von Beuel aus zur Kulturmeile nach Endenich will, muss immer über den Hauptbahnhof fahren. Insgesamt wäre die Schaffung sogenannter Tangenten aus Kundensicht günstiger."

Anders sieht es das für das Liniennetz zuständige Stadtplanungsamt: Ein ganz wesentlicher Teil der Fahrgäste habe sein Ziel in der Innenstadt, und ein ebenfalls sehr großer Teil erreiche sein Ziel per Umstieg in Züge des Fern- und Nahverkehrs der Deutschen Bahn und Transregio sowie in die Stadtbahn, sagt Elke Palm vom städtischen Presseamt.

Insofern orientiere sich das Liniennetz an der Verkehrsnachfrage. Außerdem sei Stau auch bei innenstadtfernen Buslinien ein Problem. In den vergangenen Jahren habe die Stadt versucht, Buslinien auf Knotenpunkte des Bahnverkehrs auszurichten. Das habe aber zum Teil zu erheblichen Protesten von Fahrgästen geführt, da bisherige Direktverbindungen in die Innenstadt nun nur noch per Umstieg möglich waren, so Palm.

Tangenten würden beispielsweise auch der Uniklinik entgegenkommen. Auf dem Venusberg arbeiten in den 32 Kliniken gut 1000 Ärzte und etwa 6000 Mitarbeiter. Hinzu kommen Tausende von Patienten. "Unsere Patienten kommen ja nicht nur aus Bonn, sie kommen aus dem gesamten Kreis - aus Ahrweiler, Rheinbach, Euskirchen und so weiter", sagt der Ärztliche Direktor Wolfgang Holzgreve. "Und alle müssen über den Hauptbahnhof kommen, wenn sie den Nahverkehr nutzen. Uns wäre sehr geholfen, wenn die Streckenführung der Busse nicht so konzentriert wäre."

So sieht es auch Jonas Janoschka, Vorsitzender des AStA. Eine bessere Anbindung des Venusbergs sei dem Studierendenausschuss nicht nur wegen der Medizinstudenten ein Anliegen, sondern auch, weil ein Großteil des Unisports dort stattfinde. "Die seit Dezember 2013 bestehende Linie 632 begrüßen wir sehr, da sie die Fahrradmitnahme auf den Venusberg ermöglicht und am Poppelsdorfer Platz startet und daher das Stauproblem der Stadtmitte gerade nicht hat", sagt er. Sie müsse aber verstetigt und die Linie 630 ab Hindenburgplatz ausgeweitet werden.

Grundsätzlich sei Bonn aber aus dem Umland mit Abstand am schnellsten mit dem Schienenverkehr erreichbar, so dass die meisten auswärtigen Fahrgäste am günstigsten über den Hauptbahnhof zum Venusberg fahren, so Elke Palm vom Presseamt. Die meisten Beschäftigten und Studenten aus Bonn wohnten zudem in der Innenstadt. Schon in den vergangenen Jahren sei das Angebot auf den Venusberg kontinuierlich erweitert worden und werde auch in den nächsten Jahren an die steigende Nachfrage angepasst. In diesem Zusammenhang würden auch neue Direktverbindungen geprüft, heißt es.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Länge der Buslinien. Das Busnetz besteht überwiegend aus Durchmesserlinien. Die 605 fährt beispielsweise von Alfter über Duisdorf und den Hauptbahnhof bis zur Mondorfer Fähre und zurück, die 609 vom Brüser Berg über den Hauptbahnhof bis nach Gielgen. "Auch die Strecke der 604 ist viel zu lang", sagt GA-Leser Lars Schäfer, der mit dem Bus jeden morgen zur Arbeit fährt. "Wenn irgendwo Stau ist, wirkt sich das auf die ganze Strecke aus."

Doch für viele Stadtwerke-Kunden seien diese Direktverbindungen attraktiv, sagt Palm. Sie würden sehr rege genutzt. Die Linien in die Innenstadt erfreuten sich allesamt kontinuierlich steigender Nachfrage, was man von neu geschaffenen Querverbindungen oft nicht sagen könne.

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