Berufung vor dem Landgericht Bonn 93-Jährige nach 30 Jahren aus Wohnung geklagt

Bonn · Eine 93-Jährige soll aus ihrer Wohnung in einem Bonner Zweiparteienhaus ausziehen. Denn die Eigentümer der Immobilie haben sie wegen Eigenbedarfs vor dem Amtsgericht mit Erfolg auf Räumung verklagt.

Seit fast 30 Jahren wohnt die 93-Jährige in ihrer Wohnung in einem Bonner Zweiparteienhaus - und soll nun ausziehen. Denn die Eigentümer der Immobilie, ein Paar von 80 und 81 Jahren, haben sie wegen Eigenbedarfs vor dem Amtsgericht mit Erfolg auf Räumung verklagt. Die 93-Jährige aber kämpft weiter darum, in ihrer vertrauten Umgebung bleiben zu dürfen und hat vor dem Landgericht Berufung eingelegt. Behördensprecher Tobias Gülich erklärte dazu: "Sie macht unzumutbare Härte als Grund dafür geltend, dass sie nicht umziehen kann."

Mit ihrem Mann war sie am 1. November 1989 in die 100 Quadratmeter große Wohnung im ersten Stock des Hauses gezogen und auch nach dem Tod ihres Mannes in der Wohnung, die inzwischen 800 Euro Kaltmiete kostet, geblieben. Zunächst war das Mietverhältnis auf fünf Jahre befristet und verlängerte sich um ein Jahr, sofern nicht vorher fristgerecht gekündigt wurde. Diese Frist betrug nach zehn Jahren zwölf Monate.

Und Anfang Januar 2017 erhielt die 93-Jährige tatsächlich die Kündigung, die Wohnungseigentümer machten Eigenbedarf geltend und forderten sie auf, die Wohnung bis zum 31. Oktober 2017 zu räumen, weil sie dort selbst einziehen wollten. Etwas später verlängerten sie zwar die Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2018, doch die 93-Jährige weigerte sich auszuziehen. Und so zog das Paar vor Gericht.

Wohnung als Alterswohnsitz vorgesehen

Vor der Bonner Mietrichterin trug das Paar seine Gründe vor: Es lebe noch im Haus nebenan, doch aufgrund gravierender gesundheitlicher Probleme und körperlicher Einschränkungen könne man in dem Haus mit den vielen Stufen nicht bleiben. Und Treppenlifte seien dort nicht einbaubar. Im Übrigen sei die Wohnung, in der die 93-Jährige lebe, auch als Alterswohnsitz vorgesehen gewesen. Deshalb habe man auch ein Studio in der darüber liegenden Etage ausbauen lassen, um es für Pflegekräfte zu benutzen. Sie hätten, so trugen die Vermieter in der Verhandlung vor, nie damit gerechnet, dass die Nachbarin so lange in der Wohnung leben würde, sondern seien davon ausgegangen, dass sie in ein Seniorenheim ziehen würde.

Die 93-Jährige aber beteuerte: Beim Einzug hätten die Vermieter erklärt, dass sie selbst nie in diese Wohnung ziehen wollten. Auch seien die beiden nicht so krank, die 81-jährige Vermieterin pflege immer noch selbst ihren Garten. Sie hingegen sei wirklich zu krank, um noch umzuziehen: Sie leide seit einem zweiten Schlaganfall an eingeschränkter Sehkraft, habe ihr Kurzzeitgedächtnis verloren und könne sich in einer fremden Umgebung nicht orientieren. Wenn sie ihre gewohnte Umgebung mit ihren Ärzten und Haushaltshilfen verliere, werde sie zum Pflegefall.

Doch nach Anhörung zahlreicher Zeugen, die alle den Eigenbedarf der Kläger bestätigten, und dem Gutachten eines Augenarztes, der die Sehkrafteinschränkung als nicht so geravierend einstufte, befand die Richterin: Die Räumungsklage ist berechtigt, die 93-Jährige muss ausziehen, allerdings wegen ihres Alters und ihres Zustand erst zum 31. März 2019 (AZ: AG Bonn 201 C 337/17). Sollte das Landgericht dieses Urteil bestätigen, muss die 93-Jährige nach nach 30 Jahren ausziehen.

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