Evi Zwiebler im WCCB-Prozess 59-Jährige verhandlungsunfähig - aber arbeitsfähig

BONN · Die im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des World Conference Center Bonn (WCCB) wegen Beihilfe zur Untreue im besonders schweren Fall angeklagte Eva-Maria Zwiebler hat dem Landgericht zwei Atteste vorgelegt, wonach sie aus psychischen Gründen verhandlungsunfähig sei. Gleichzeitig leitet sie das Bürgeramt der Stadt mit mehr als 300 Mitarbeitern, eines der größten Ämter. Das wirft Fragen auf.

Eine stellte der GA der Stadt: Wirken sich diese Atteste auf Zwieblers Tätigkeit als Amtsleiterin aus? Antwort des Presseamts: "Zur Therapie von Frau Zwieblers Erkrankung gehört unter anderem, dass sie weiterhin ihren Aufgaben als Amtsleiterin nachkommt. Dies tut sie zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers".

Für den forensischen Gerichtsgutachter Dr. Jan Dreher, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Köln, ist das eine Konstellation, die so, wie er im Gespräch mit dem GA erklärte, "kaum vorstellbar ist". Seine Erfahrung; "Wer verhandlungsunfähig ist, ist erst recht arbeitsunfähig." Denn an Verhandlungsunfähigkeit würden viel strengere Maßstäbe angelegt.

Die staatsanwaltliche Aufarbeitung des Falles World Conference Center Bonn führte zu zehn Anklagen, darunter gegen fünf noch aktive oder ehemalige Bedienstete der Stadt Bonn, und zwar wegen Betruges und/oder Untreue im besonders schweren Fall oder Beihilfe zur Untreue. Strafandrohung: Haft bis zu zehn Jahre. Bereits ein Jahr Haft bedeutet für einen Beamten das Aus und Verlust der Pensionsansprüche.

Während Friedhelm Naujoks, Ex-Chef des Städtischen Gebäudemanagements (SGB), inzwischen bei laufendem Jahresgehalt von 175.000 Euro an den kompetenzlosen Katzentisch versetzt wurde, ist Arno Hübner, Ex-WCCB-Projektleiter und Ex-Kollege von Zwiebler, Pensionär. SGB-Mitarbeiter Detmar Kühl leitet unterdessen die Um-/Ausbaumaßnahme "Haus der Bildung", ein 20-Millionen-Projekt. Die Stadt erklärt dazu: "Für Herrn Kühl gilt - wie für alle Angeklagten - die Unschuldsvermutung. Das Controlling macht ein externes Projektsteuerungsbüro." Kühls Kollege Bernhard Arzdorf ist ebenfalls weiter für das SGB tätig.

Da alle Anklagen aus Diensttätigkeit resultieren, ist der Dienstherr erst einmal zur Übernahme der Anwaltskosten verpflichtet. Laut Presseamt summieren die sich inzwischen auf über 700.000 Euro - inklusive der anwaltlichen Betreuung von Ex-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, bis die Ermittlungen gegen sie wegen des Verdachts der Untreue eingestellt wurden.

Viele der fast 5000 städtischen Angestellten verfolgen die arbeitsrechtliche Handhabung der stadteigenen WCCB-Fälle durch die Stadtspitze mit Argusaugen. Wer sich im Stadthaus umhört, findet vor allem zum "nachsichtigen Umgang" mit Naujoks wenig Verständnis.

OB Jürgen Nimptsch hatte die Frist für eine außerordentliche Kündigung des SGB-Chefs nach dem verheerenden WCCB-Bericht des Rechnungsprüfungsamtes verstreichen lassen. Die spätere Kündigung hatte das Arbeitsgericht Bonn auf Klage von Naujoks zurückgewiesen. Während der bisherige Anwalt der Stadt Bonn vom Gang in die zweite Instanz abriet und für eine einvernehmliche Lösung plädierte - die Rede ist von rund 400.000 Euro als Abfindung - pocht die Ratsmehrheit auf diesen Gang.

Dabei haben CDU und Grüne die Rolle des Anwalts aus Frankfurt scharf kritisiert. Er habe nicht zuletzt auch vom Berufungsverfahren wegen der Kosten abgeraten, die er jedoch selbst mit seinen exorbitanten Honorarforderungen in die Höhe getrieben habe. Der Anwalt soll in dem Verfahren in erster Instanz mehr als 48.000 Euro kassiert haben. Am Donnerstag bestätigte Stadtsprecherin Monika Hörig auf GA-Nachfrage, die Stadt habe sich von dem Frankfurter Juristen getrennt und einen Arbeitsrechtler aus Bonn engagiert.

Verhandlungsunfähigkeit:

Wie der Kölner Psychiater und forensische Gutachter Dr. Jan Dreher erklärt, liegt die Messlatte für Verhandlungsunfähigkeit sehr hoch, "sehr viel höher als bei Arbeitsunfähigkeit". Deshalb gelte: Wer arbeitsunfähig ist, muss noch lange nicht verhandlungsunfähig sein. Und damit eben auch: Wenn jemand arbeitsfähig ist, "ist das ein starkes Argument gegen Verhandlungsunfähigkeit".

Denn nur wer aus gravierenden gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die gegen ihn gerichteten Vorwürfe zu verstehen und der Gerichtsverhandlung selbst im Beistand seines Verteidigers im Wesentlichen zu folgen, oder wer so krank sei, dass er auf der Anklagebank in Lebensgefahr geraten könne, der sei nicht verhandlungsfähig. Das aber müsse in jedem Einzelfall genau geprüft werden, so der Gutachter.

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