Nordfriedhof in Auerberg 300 Teilnehmer bei Hells-Angels-Beerdigung in Bonn

Bonn · Auf dem Bonner Nordfriedhof haben sich am Freitag rund 300 Mitglieder und Anhänger der Hells Angels versammelt, um einen Mann aus den eigenen Reihen zu beerdigen. Die Polizei zeigt deutlich Präsenz.

Zahlreiche Rocker sind zur Beerdigung zum Bonner Nordfriedhof gekommen, darunter auch Frank Hanebuth (vorne, links).

Zahlreiche Rocker sind zur Beerdigung zum Bonner Nordfriedhof gekommen, darunter auch Frank Hanebuth (vorne, links).

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist wohl eine der ungewöhnlichsten Trauerfeiern, die jemals auf dem Nordfriedhof stattgefunden haben: Rund 300 muskelbepackte Männer, viele davon in den szenetypischen Kutten der Hells Angels, auf einer etwas abgelegenen Rasenfläche des Friedhofs. Vorn ein Mikrofon, ein großes Foto des verstorbenen Rockers, den sie nur Schorsch nennen, umrahmt von üppigen Blumenkränzen. Rammsteins „Ohne dich“ klingt aus Lautsprechern, während eine Handvoll Schaulustiger in respektvoller Entfernung die Trauerfeier der Höllenengel verfolgt. Rund um den Friedhof stehen Polizisten in Bereitschaft.

Die Hells Angels und ihre Unterstützer sind am Freitagnachmittag mit etwa 70 Motorrädern und etlichen Autos aus ganz Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien nach Bonn gekommen. Etwa eine Stunde dauert die Trauerfeier. Zwei Töchter des Verstorbenen halten emotionale Trauerreden vor den versammelten Rockern und betonen, dass ihr Vater keineswegs „ein Verbrecher“ oder „Schläger“ gewesen, sondern zeitlebens ehrlicher Arbeit nachgegangen sei. Gegen 16 Uhr treten die Hells Angels in kleinen Gruppen den Heimweg an. Laut Polizei gibt es keinerlei Zwischenfälle.

Der verstorbene 58-Jährige sei Vollmitglied der Hells Angels gewesen, bestätigt Frank Hanebuth, langjähriger Boss des Hannoveraner Charters – so nennen die Rocker ihre Gebietsgliederungen – dem General-Anzeiger (siehe auch Text „Ermittlungen...“). „Er war seit ungefähr zwei Jahren bei uns“, so Hanebuth. „Ein zuverlässiger Mann mit Erfahrungen aus der Security-Branche.“ Der Tote stamme aus der Region Bonn; seine Familie habe den Nordfriedhof für die Urnenbeisetzung ausgewählt. Woran der Rocker starb, ist laut Hanebuth unklar. Die Ergebnisse einer Obduktion stünden noch aus. Man werde die Sache „mit Argusaugen verfolgen“, kündigt er auf der Trauerfeier an.

(Dieses Video ist Teil einer Kooperation von GA und WDR)

In Bonn waren die Hells Angels seit Jahren nicht mehr aufgetaucht. Zuletzt rollten sie 2013 im Konvoi durch die Stadt – offenbar um ihr Revier gegen die Konkurrenz von den Bandidos zu markieren. Die liefen wenige Tage später mit rund 100 Männern demonstrativ durch die Innenstadt; danach blieb es aber friedlich. Die Schüsse, die 2015 vor einem Lokal am Belderberg fielen, galten dem Boss des Boxclubs Fist Fighter, der damals am Bein verletzt wurde. Seine Gruppe hatte die Nähe der Hells Angels gesucht. Die Angreifer gehörten zur rivalisierenden Rockergang United Tribuns.

In Bonn und Umgebung wohnen zwar etliche Mitglieder der Hells Angels. Das frühere Charter Bonn hatte sein Hauptquartier allerdings bei Neustadt/Wied. Das Land Rheinland-Pfalz verbot diese Gruppe 2016 als kriminelle Vereinigung. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung. 2018 verurteilte das Landgericht Koblenz nach einem zweieinhalbjährigen Mammutprozess drei Charter-Mitglieder zu Haftstrafen unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, schwerer Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes. Ein Vierter bekam Bewährung. Der Richterspruch ist nicht rechtskräftig, weil die Höllenengel am Bundesgerichtshof in Revision gingen. „Das schriftliche Urteil wurde Anfang April 2019 zugestellt“, sagt Thorsten Kahl, Sprecher der Koblenzer Staatsanwaltschaft. „Seit diesem Tag haben die Angeklagten und ihre Verteidiger einen Monat Zeit, die Revision schriftlich zu begründen.“

Einer der Verurteilten hatte 2010 in Anhausen im Kreis Neuwied durch seine Haustür einen Polizisten erschossen und war dafür in einem früheren Prozess zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob die Strafe jedoch wegen irrtümlicher Notwehr auf: Der Schütze hatte behauptet, einen Angriff verfeindeter Rocker befürchtet zu haben.

Vor allem mit den Bandidos liefern sich die Hells Angels immer wieder Auseinandersetzungen im Kampf um einträgliche Rotlichtgeschäfte. In den vergangenen Monaten gab es in Köln mehrere Schießereien auf offener Straße.

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