Der "heiße Stuhl" 15 Fragen an Bundestagskandidatin Katja Dörner (Grüne)

Nur 30 Sekunden Zeit pro Antwort: Die Bonner Bundestagskandidatin Katja Dörner (Grüne) hat dem General-Anzeiger auf dem Heißen Stuhl Rede und Antwort gestanden.

Heißer Stuhl: Katja Dörner,

Heißer Stuhl: Katja Dörner,

Foto: Benjamin Westhoff

Wie wollen Sie verhindern, dass die Bundesregierung weiter Ministeriumsposten in Bonn abbaut?

Katja Dörner: Aus meiner Sicht ist es ganz zentral, dass die Bonner Bundestagsabgeordneten an der Stelle wirklich an einem Strang ziehen. Aus meiner Sicht dürfen wir auf keinen Fall das Bonn-Berlin-Gesetz infrage stellen – das ist ein ganz ganz wichtiges Pfund, das wir haben. Ich würde mir für die nächste Legislaturperiode wünschen, dass wir auf der Grundlage des Gesetzes eine weitere vertragliche Vereinbarung schaffen, auch beispielsweise mit der Landesregierung sehr eng zusammenarbeiten. Ich glaube, mit vereinten Kräften aus der Region und aus dem Land können wir für Bonn vieles herausholen.

Die umstrittene Südtangente als Verbindung zwischen A3 und A 565: Planung vorantreiben oder beerdigen?

Dörner: Ich halte von der Südtangente überhaupt nichts. Sie ist verkehrspolitisch überhaupt nicht sinnvoll. Meines Erachtens hat sie mit dem Bundesverkehrswegeplan faktisch auch eine Beerdigung zweiter Klasse erlebt, weil wir in den nächsten Jahren nicht mit einer ernsthaften Planung rechnen müssen. Insofern setze ich darauf, dass wir uns jetzt darauf konzentrieren können, wirklich eine moderne Verkehrspolitik für Bonn voranzubringen.

Bezahlbare Wohnungen in Bonn sind knapp: Warum zieht die Mietpreisbremse nicht?

Dörner: Die Mietpreisbremse, da musste man kein großer Prophet sein, hat einfach zu viele Schlupflöcher und zu viele Ausnahmeregelungen. Aus meiner Sicht ist eine Mietpreisbremse aber nötig. Wir wollen die Schlupflöcher schließen. Was wir von der Union mitbekommen, die jetzt gar keine Mietpreisbremse mehr will, fände ich für Bonn beispielsweise katastrophal.

Bonn ist der größte UN-Standort in Deutschland: Was wollen Sie tun, um diesen Vorteil weiter auszubauen?

Dörner: Zum einen ist es ganz zentral, dass die Ministerien in Bonn bleiben. Auch weil die UN in Bonn ist und wir der UN die Zusage gegeben haben, dass die Partnerorganisationen auch in Bonn sind. Außerdem brauchen wir endlich ein Gaststaatengesetz. Da arbeiten wir seit vielen Jahren dran, damit die Vereinten Nationen und vor allem auch die kleinen Nichtregierungsorganisationen – die ja auch sehr wichtig sind – hier bessere Startchancen und bessere Existenzbedingungen haben.

Bonn gibt für Flüchtlingsbetreuung mehr aus, als es von Bund und Land erstattet bekommt. Wie kann man das ändern?

Dörner: Die Bundesregierung ist aus unserer Sicht ganz klar in der Pflicht, die Kommunen finanziell besser zu unterstützen, was die Unterbringung, aber auch die Integration von Flüchtlingen angeht. Dieses Geschacher, das wir in den letzten Jahren erlebt haben, muss aus unserer Sicht ein Ende haben. Wir wollen, dass der Bund mehr für die Integrationskurse und die Unterbringung ausgibt.

Stichwort Aufnahme von Flüchtlingen: Sind Sie für eine Obergrenze? Wenn ja: bei welcher Zahl?

Dörner: Ich finde die Diskussion um die Obergrenze totalen Unsinn, sie wäre verfassungsrechtlich überhaupt nicht umsetzbar. Menschlichkeit darf auch keine Obergrenze haben. Wie wollen Sie so was umsetzen? Wollen sie nach 200 000 Menschen an der Grenze der nächsten Person, auch wenn sie die erkennbarsten Fluchtgründe von allen hat, sagen: „Sie dürfen nicht mehr rein“? Das halte ich für unpraktikabel und auch nicht verfassungskonform.

Vollverschleierung löst bei vielen Einheimischen Unbehagen aus. Sind Sie für ein Verbot in der Öffentlichkeit?

Dörner: Ich bin nicht für ein Verbot der Vollverschleierung. Ich halte das auch nicht für den richtigen Weg, Frauen noch mehr aus dem öffentlichen Raum auszuschließen, als sie ja in bestimmten Kulturkreisen sowieso schon sind. Ich halte das auch für verfassungsrechtlich relativ problematisch. Ich finde, das ist tatsächlich eine schwierige Diskussion, aber ein vollständiges Verbot würde ich ablehnen.

Bonn gilt als Salafisten-Hochburg, und wir leben in einer Ära des Terrors: Was kann der Staat tun, um die Gefahr zu verringern?

Dörner: Wenn Menschen tatsächlich kriminell agiert haben, dann muss natürlich der Rechtsstaat an der Stelle auch mit den entsprechenden Mitteln durchgreifen. Ich finde es ganz wichtig, dass wir bei Kindern und Jugendlichen auch präventiv ansetzen. da gibt es gute Modelle, um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche sich radikalisieren und zum Radikalismus hinwenden. Da sollten wir mehr investieren – das halte ich für die richtige Herangehensweise.

Erst G8 an den Gymnasien in NRW, jetzt zurück zu G9. Wäre es für Schüler besser, Bildung bundesweit einheitlich zu regeln?

Dörner: Zum einen bin ich der Meinung, dass man dieses unsägliche Kooperationsverbot, das es dem Bund ja verbietet, mit den Ländern im Bereich der schulischen Bildung zu kooperieren, endlich aus der Verfassung wieder rausstreichen sollte. Ich glaube, dass man eine größere Vereinheitlichung auf Bundesebene anstreben sollte. Die Kulturhoheit aber komplett den Ländern zu entziehen, halte ich auch für falsch. Ich glaube, dass es gute Möglichkeiten gibt, über die Kultusministerkonferenz zu einer Vereinheitlichung zu kommen, ohne dem Bund die volle Zuständigkeit zu geben.

Das ICE-Angebot ab Bonn Hauptbahnhof wird immer schlechter: Ist das akzeptabel für den zweiten Regierungssitz und den Standort von Weltkonzernen wie Post und Telekom?

Dörner: Das ist ja quasi eine rhetorische Frage – natürlich ist das nicht akzeptabel. Insgesamt wird Bonn verkehrstechnisch immer mehr abgehängt. Zum einen muss jetzt die Renovierung am Hauptbahnhof natürlich schnell umgesetzt werden. Auch die Intercity-Verbindungen werden ja immer weiter ausgedünnt, das ist auch nicht akzeptabel. Zum anderen müssen wir sehen, dass der ICE-Halt in Siegburg eine bessere Anbindung nach Bonn bekommt.

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare beschlossen. Wie stehen Sie dazu?

Dörner: Ich habe mit Ja gestimmt. Das ist uns Grünen ja nun wirklich ein jahrzehntelanges Anliegen gewesen. Gleiche Liebe soll auch gleiche Rechte in Anspruch nehmen können. Das ist jetzt umgesetzt und ich finde, das ist ein sehr großer Erfolg. Ich habe mich gefreut, dass wir das in dieser Legislaturperiode noch haben beschließen können.

Sind Sie für mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen?

Dörner: Ich stehe Videoüberwachung grundsätzlich eher skeptisch gegenüber. Ich halte es für möglich und auch sinnvoll, an bestimmten Punkten und zu bestimmten Anlässen Videoüberwachung zu machen. Aber eine flächendeckende Überwachung lehne ich ganz klar ab, weil das aus meiner Sicht eine unfreie Gesellschaft wäre. Menschen, die permanent beobachtet werden – das ist für mich keine freie Gesellschaft. Die Frage, wie man Freiheit und Sicherheit in Balance bringt, entscheidet sich auch bei der Videoüberwachung.

Ab Oktober gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Dörner: Es ist eine sehr schwierige Frage, wie man da die Balance wahrt. Das so ganz einfach zu beantworten, wäre etwas zu komplex. Wir haben selber vorgeschlagen, dass das beispielsweise auf Facebook unmittelbar und sehr schnell gelöscht werden muss. Das aber Facebook am Ende darüber entscheidet, ob etwas noch der Meinungsfreiheit entspricht oder nicht, halte ich für problematisch. Wir müssen uns anschauen, wie dieses Gesetz umgesetzt wird – das wird ja auch evaluiert. Und dann müssen wir gegebenenfalls auch nachjustieren und neu entscheiden.

Bonn feiert 2020 das Beethoven-Jubiläum: Was muss passieren, damit die investierten Millionen der Stadt nachhaltig nützen?

Dörner: Es muss auf alle Fälle eine nachhaltige Finanzierung geben, auch seitens des Bundes. Dafür werde ich mich in der nächsten Legislaturperiode einsetzen. Dass wir nicht nur zum Jubiläum ein großes Feuerwerk haben, sondern dass wir es wirklich schaffen, nachhaltig Investitionen in Bonn zu realisieren. Manche träumen ja auch von einem zweiten Bayreuth - das ist vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen. Aber ein jährliches Festival, das international Anerkennung findet – das kann ich mir für Bonn gut vorstellen.

Warum sollen die Bonner Sie wählen?

Dörner: Weil ich insbesondere für ein Thema stehe: die Bekämpfung der Klimakrise. Das verkörpert meiner Meinung nach keiner der Bonner Kandidaten so wie ich. Die Klimakrise zu bekämpfen, halte ich nach wie vor für eine der wichtigsten Herausforderungen. Weil wir die erste Generation sind, die – auch in Bonn – wirklich etwas vom Klimawandel mitbekommt. Und die letzte Generation, die noch etwas dagegen tun kann.

An diesem Donnerstag im General-Anzeiger: Das Interview mit Alexander Graf Lambsdorff, dem Kandidaten der FDP.

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