Der "heiße Stuhl" 15 Fragen an Bundestagskandidatin Claudia Lücking-Michel (CDU)

Bonn · Am 24. September ist Bundestagswahl. Die Redaktion des General-Anzeigers hat die sechs Bonner Direktkandidaten mit den meisten Chancen auf den "heißen Stuhl" eingeladen.

Wie wollen Sie verhindern, dass die Bundesregierung weiter Ministeriumsposten in Bonn abbaut?

Claudia Lücking-Michel: Das wird eine meiner wichtigsten Aufgaben sein. Ich bin froh, dass die CDU im Wahlprogramm das Bekenntnis zu Bonn als zweitem bundespolitischen Standort stehen hat – und auch ausdrücklich das Bekenntnis zum Berlin-Bonn-Gesetz. Die Vergangenheit zeigt aber: Das reicht noch nicht, denn trotzdem wurden Ministeriumsarbeitsplätze abgebaut. Doch zumindest gibt uns das eine Grundlage für eine wichtige Verhandlungsposition. Die sollten wir nicht aufgeben, sondern auf der Grundlage des Gesetzes Vereinbarungen aushandeln, die uns Planungssicherheit geben.

Die umstrittene Südtangente als Verbindung zwischen A 3 und A 565: Planung vorantreiben oder beerdigen?

Lücking-Michel: Uns fehlen Planungs- und Entscheidungsunterlagen. Insofern habe ich dafür votiert, die Überlegungen und Planungen weiter voranzutreiben, damit wir wissen, worüber wir reden und dann gemeinsam eine Entscheidung treffen können. Das heißt einerseits natürlich, noch weiter Geld auszugeben. Andererseits sich aber auch gesicherte Informationen zu beschaffen, um gemeinsam in der Stadtöffentlichkeit zu einem Ergebnis zu kommen.

Bezahlbare Wohnungen in Bonn sind knapp: Warum zieht die Mietpreisbremse nicht?

Lücking-Michel: Für mich ist die Mietpreisbremse, so wie wir sie haben, ein Bürokratiemonster. Schutz von Mietern, um das Recht auf gutes Wohnen zu sichern, ist das Eine. Aber wenn wir Investoren und Vermieter abschrecken, nützt das auch nichts. Stattdessen müssen wir in den öffentlichen Wohnungsbau investieren und Investoren dazu anregen, bezahlbare Wohnungen zu bauen und nicht nur teure Objekte. Auch die Bauvorschriften müssen wir mal durchforsten, was sinnvoll ist.

Bonn ist der größte UN-Standort in Deutschland: Was wollen Sie tun, um diesen Vorteil auszubauen?

Lücking-Michel: Das ist eines der Alleinstellungsmerkmale für Bonn. Wir haben einiges erreicht: Eine Vielzahl von kleineren Sekretariaten siedelten sich hier an. Die Zukunft liegt darin, auch inhaltlich Profil zu gewinnen. Mit dem Action Campaign Büro für die sogenannten Sustainable Development Goals haben wir einen wichtigen Anker - meine Strategie wäre, genau daran weiterzuarbeiten.

Bonn gibt für Flüchtlingsbetreuung mehr aus, als es von Bund und Land erstattet bekommt. Wie kann man das ändern?

Lücking-Michel: Zum einen dafür sorgen, dass das Geld, das vom Bund an das Land ging und auch weiterhin geht, wirklich ungeschmälert bei der Stadt ankommt. Da gibt es Klebe-Effekte. Von daher hat Bonn da noch einiges zu erwarten. Zum anderen wird auch der Bund streng darauf achten müssen, ob das, was er erstattet, auch den wirklichen Kosten für jeden Flüchtling entspricht.

Stichwort Aufnahme von Flüchtlingen: Sind Sie für eine Obergrenze? Wenn ja, bei welcher Zahl?

Lücking-Michel: Nein, da bin ich ganz bei der Kanzlerin. In Fragen von Asyl und Fluchtanerkennung kann es keine Obergrenze geben, das ist in unserer Verfassung verankert. Bei Menschen, die aus Not kommend auf unsere Unterstützung setzen, kann man nicht sagen: Pech gehabt, Obergrenze erreicht. Gucken muss man aber, wer da zu uns kommt, wer gar kein Flüchtling ist, sondern Migrant. Das müssen wir in Zukunft besser steuern.

Vollverschleierung löst bei vielen Einheimischen Unbehagen aus. Sind Sie für ein Verbot in der Öffentlichkeit?

Lücking-Michel: Ich bin für ein Verbot von jeglicher Gesichtsverhüllung. Mir ist es eigentlich egal, ob das eine Verhüllung aus religiösen Gründen ist oder ob einer mit Strumpfmaske und Schal ums Gesicht daher kommt. Ich finde, in der Öffentlichkeit sollte man das Gesicht eines anderen so weit erkennen können, dass man ihn identifizieren kann. Ich weiß, dass das in der Verfassung nicht einfach zu regeln ist. Deswegen finde ich die Lösung der Innenminister gut, eine ganze Liste mit Ausnahmesituation zu definieren, bei der Gesichtsverhüllung verboten ist.

Bonn gilt als Salafisten-Hochburg, und wir leben in einer Ära des Terrors: Was kann der Staat tun, um die Gefahr zu verringern?

Lücking-Michel: Da braucht es ganz vielfältige Maßnahmen. Tatsächlich ist Bonn bekannt als Salafistenhochburg. Sicherlich sind Maßnahmen gut, die verhindern, dass Jugendliche sich radikalisieren und diesen Menschenfängern auf den Leim gehen. Schon frühzeitig muss man ansetzen, die Menschen zu integrieren. Ein großes Thema für mich ist zudem: Wir brauchen mehr islamische Theologie, damit wir auch besseren islamischen Religionsunterricht haben. Und somit mehr Leute, die über ihre Religion differenziert und reflektiert nachdenken.

Erst G 8 an den Gymnasien in NRW, jetzt zurück zu G 9. Wäre es für Schüler besser, Bildung bundesweit einheitlich zu regeln?

Lücking-Michel: Das glaube ich gar nicht. Ich habe große Sympathien für die föderale Arbeitsteilung und möchte nicht, dass in Berlin jemand sitzt, der für die ganze Bundesrepublik einheitlich die Vorgaben macht. Es gibt aber dringenden Bedarf, dass die Länder sich besser koordinieren. Die Kultusministerkonferenz arbeitet nicht optimal – wir brauchen eine Bildungskonferenz, in der Bund und Länder ihre gemeinsamen Linien abstimmen – so wie wir auch eine Wissenschaftskonferenz haben.

Das ICE-Angebot ab Bonn Hauptbahnhof wird immer schlechter: Ist das akzeptabel für den zweiten Regierungssitz und den Standort von Weltkonzernen wie Post und Telekom?

Lücking-Michel: Natürlich brauchen wir einen guten Bahnanschluss – sowieso. Und erst recht als Bundesstadt und Sitz von Weltkonzernen. Das wird uns leider nochmal allen richtig vorgeführt werden, bei der Klimakonferenz im Herbst. 20 000 Menschen kommen, und unsere Verbindung nach Köln ist so schlecht wie selten. Umgekehrt wird das aber auch dazu führen, dass deutlich wird: Bonn muss besser angebunden sein ans DB-Netz.

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare beschlossen: Wie stehen Sie dazu?

Lücking-Michel: Ich habe nach vielen Diskussionen und Abwägungen dagegen gestimmt, aber mit einer persönlichen Erklärung nochmal deutlich gemacht, was meine Anliegen sind. Volle rechtliche Gleichstellung und volles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare sind mir wichtig. Wichtig ist mir aber auch, den Begriff Ehe zu schützen. Ich meine, das ist eine Rechtstradition und Verfassungstradition, dass Ehe eine Verbindung von Mann und Frau meint.

Sind Sie für mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen?

Lücking-Michel: Mit aller Vorsicht – und klaren Absprachen, wer das festlegen kann – votiere ich für mehr Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen. Mir ist klar, dass in dem Augenblick, wo ein Verbrechen geschieht, auch die Beobachtung nicht direkt hilft. Aber für die Aufklärung und hoffentlich auch für die Abschreckung ist Videoüberwachung sinnvoll. Ich verstehe es nicht, wenn wir zum Beispiel für das Bombenattentat am Hauptbahnhof auf – mehr oder weniger – Zufallsaufnahmen von McDonalds angewiesen sind.

Ab Oktober gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Lücking-Michel: Bei diesem Gesetz bin ich der Meinung, gut gemeint und wichtiges Ziel erkannt, ist noch lange nicht gut gemacht. Den ersten Gesetzentwurf, der aus dem Hause Maas kam, fand ich grottenschlecht. Da habe ich gesagt, dem kann man eigentlich nicht zustimmen. Dann wurde unter Hochdruck, weil das Ende der Legislaturperiode naht, daran rumgefrickelt. Das Anliegen ist richtig. Aber mit dem, was da rausgekommen ist, kann ich mich nicht zufriedengeben. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, es ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Aber wir müssen aufpassen, was wir damit bewirken und ob die Unternehmen, die jetzt in der Pflicht sind, nicht zu viel zu schnell löschen.

Bonn feiert 2020 das Beethoven-Jubiläum: Was muss passieren, damit die investierten Millionen der Stadt nachhaltig nützen?

Lücking-Michel: Jetzt hoffe ich erstmal, dass die Entscheidung die Beethoven-Halle zu renovieren, nicht in ein Desaster führt, sondern wir es schaffen, bis 2020 eine brauchbare Halle zu haben, die auch für große Konzerte geeignet ist. Wenn die hinterher noch da steht, hätten wir schon etwas für Bonn erreicht. Aber wichtig wäre, dass wir auch nach dem ganzen Festspiel-Hype noch etwas Nachhaltiges haben. Ich hänge sehr an der Idee des Beethoven-Campus. Da verbergen sich ganz viele konkrete Ideen darunter – das sollten wir gemeinsam fortentwickeln. Und etwas für Nachwuchs-Bildung tun. Und zwar für Nachwuchs durchaus von größerem Rang als lokaler oder regionaler Bedeutung.

Warum sollen die Bonner Sie wählen?

Lücking-Michel: Weil ich in den vergangenen vier Jahren gezeigt habe, dass ich die Interessen Bonns im Bundestag gut vertreten kann. Und weil ich als Mitglied in der CDU/CSU-Fraktion sagen kann, gerade für die spezifischen Interessen Bonns als Bundesstadt geachtet zu werden und das Berlin-Bonn-Gesetz ernst zu nehmen, finden sich sowohl im NRW-Koalitionsvertrag als auch in unserem Regierungsprogramm die entscheidenden Aussagen.

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