Der "heiße Stuhl" 15 Fragen an Bundestagskandidat Jürgen Repschläger (Die Linke)

Bonn · Am 24. September ist Bundestagswahl. Die Redaktion des General-Anzeigers hat die sechs Bonner Direktkandidaten mit den meisten Chancen auf den "heißen Stuhl" eingeladen.

 Heißer Stuhl: Jürgen Repschläger (Linke) stellt sich den Fragen der GA-Redaktion.

Heißer Stuhl: Jürgen Repschläger (Linke) stellt sich den Fragen der GA-Redaktion.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie wollen Sie verhindern, dass die Bundesregierung weiter Ministeriumsposten in Bonn abbaut?

Jürgen Repschläger: Wir sind der Meinung, dass wir dringend einen Staatsvertrag brauchen, einen Staatsvertrag zwischen der Stadt Bonn und der Bundesregierung, weil das Bonn-Berlin-Gesetz, was wir zurzeit haben, immer weiter ausgehöhlt wird und ein Staatsvertrag mehr Sicherheit und auch einklagbare Positionen bringen würde.

Stichwort Südtangente: Der Lückenschluss zwischen der A 3 und der A 565. Planung vorantreiben oder beerdigen?

Repschläger: Ganz ganz schnell beerdigen. Wir haben eh schon genug Verkehr, und es ist einfach ein Mythos, zu glauben, dass mehr Möglichkeiten zu Verkehr den Verkehr entzerrt. Alle Erfahrungen zeigen, dass mehr Möglichkeiten zu Verkehr auch mehr Verkehr bedeutet.

Bezahlbare Wohnungen in Bonn sind knapp. Warum zieht die Mietpreisbremse nicht?

Repschläger: Weil sie viel zu inkonsequent verfolgt wird. Weil auch Zweckentfremdungssatzungen zwar verabschiedet werden, aber die entsprechenden Stellen mit zu wenig Personal ausgestattet sind, um dann auch tatsächlich tätig zu werden. Was wir brauchen, ist ein bundesweites, milliardenschweres Programm, das die Kommunen und die jeweiligen gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften in die Lage versetzt, eigenständig zu bauen.

Bonn ist der einzige UN-Standort in Deutschland. Was wollen Sie tun, um diesen Vorteil auszubauen?

Repschläger: Naja, wichtig ist zunächst, dass wir ein lebens- und liebenswertes Bonn für die Bewohner und Bewohnerinnen von Bonn haben, dann kommen die Gäste. Und für ganz ganz wichtig halte ich es auch, dass Kultur, das kulturelle Angebot, das immer als weicher Standortfaktor bezeichnet wird – in meinen Augen ist es ein harter Standortfaktor –, dass es mindestens beibehalten, wenn nicht sogar ausgebaut wird. Bonn muss einfach von seinem Lebensgefühl attraktiv werden.

Bonn gibt für die Flüchtlingsbetreuung mehr Geld aus, als es von Bund und Land zurückbekommt. Wie kann man das ändern?

Repschläger: Das ist ein ganz ganz grundsätzliches Problem, dass der Bund immer mehr Aufgaben auf die Kommunen überträgt und gleichzeitig immer weniger Gelder zur Verfügung stellt. Das ist eine strukturelle, chronische Unterfinanzierung. Und das ist auch der Grund dafür, dass wir hier sparen können, bis der Arzt kommt, dann kommen wir von den Schulden nicht runter. Antwort auf die Frage ist schlicht und ergreifend: mehr Geld vom Bund, aber auch mehr Geld vom Land.

Stichwort Aufnahme von Flüchtlingen: Sind Sie für eine Obergrenze? Wenn ja: bei welcher Zahl?

Repschläger: Auf gar keinen Fall eine Obergrenze. Das ist aus humanistischen Gründen nicht zu rechtfertigen.

Vollverschleierung löst bei vielen Einheimischen Unbehagen aus – vor allem in Bad Godesberg. Sind Sie für ein Verbot in der Öffentlichkeit?

Repschläger: Nein, weil das würde die Frauen, die oft gezwungen werden, sich zu verschleiern und ohne Schleier das Haus nicht verlassen dürfen, noch mehr stigmatisieren. Das wäre also ein Schlag ins Gesicht dieser Frauen.

Bonn gilt als Salafisten-Hochburg, und wir leben in einer Ära des Terrors: Was kann der Staat tun, um die Gefahren zu verringern?

Repschläger. Wer so viele Waffen exportiert wie Deutschland muss sich nicht wundern, dass die Waffen in irgendeiner Art und Weise wieder zurückkommen. Eine konsequente Friedenspolitik, ein Verbot von Waffenexporten, Prävention, Integration sind die Stichworte. Eine immer weitere Einschränkung der bürgerlichen Rechte, Totalüberwachung oder Vorratsdatenspeicherung – das ist nur eine Scheinsicherheit.

Erst G 8 an den Gymnasien in Nordrhein-Westfalen, jetzt zurück zu G 9: Wäre es für Schüler besser, Bildung bundesweit einheitlich zu regeln?

Repschläger: Ja. Damit es einheitlich ist. Das kratzt auch den Föderalismus nicht an. Ich würde sogar provokativ sagen: Die zehn wäre eine feine Sache, weil: Junge Menschen müssen sich ausprobieren können, müssen auch mal Fehler machen können, müssen auch mal eine Durststrecke haben. So wie die jungen Leute mittlerweile durch die Schule gepeitscht werden, kann sich keine Persönlichkeit entwickeln.

Das ICE-Angebot ab Bonn Hauptbahnhof wird immer schlechter: Ist das akzeptabel für den zweiten Regierungssitz und den Standort von Weltkonzernen wie Post und Telekom?

Repschläger: Interessante Frage. Selbstverständlich ist das nicht akzeptabel.

Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare beschlossen: Wie stehen Sie dazu?

Repschläger: Viel zu spät. Ich sehe das sehr positiv.

Sind Sie für mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen?

Repschläger: Auf gar keinen Fall. Videoüberwachung gibt auch nur eine Scheinsicherheit und schränkt die Bürgerrechte ein. Wo kommen wir dahin, wenn jeder Schritt von uns permanent überwacht wird und auch noch gespeichert wird? Was das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen erhöhen würde, wären mehr Polizeistreifen auf der Straße – da rede ich jetzt nicht von Pfefferspray versprühenden Rambos, sondern vom klassischen Dorfpolizisten, der ansprechbar für alle ist.

Ab Oktober gilt das Gesetz zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet. Ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Repschläger: Das ist ein ganz schweres Thema. Also mir fehlt im Moment die Fantasie, wie das überhaupt zu filtern ist. Wenn man das über die Methode von bestimmten Stichwörtern macht, kann ein und dasselbe Wort in einem wissenschaftlichen Diskurs genannt werden oder es kann als Hassmail sein und wird dann rausgefiltert. Das halte ich für problematisch. Die gesamte Verrohung der Gesellschaft, die sich auch in Kommentaren und der Sprache niederschlägt, muss verhindert werden – ein Gesetz? Ich weiß es nicht.

Bonn feiert 2020 das Beethoven-Jubiläum: Was muss passieren, damit die investierten Millionen der Stadt nachhaltig nützen?

Repschläger: Sie müssen in die kulturelle Infrastruktur fließen. Es wird immer gesagt, unsere Aufgabe als Geburtsstadt von Beethoven ist es, das kulturelle Erbe von Beethoven weiterzutragen, das passiert in meinen Augen viel viel besser, wenn wir gewährleisten, dass jedes Kind, das ein Instrument lernen möchte, auch die Möglichkeit dazu hat, anstatt dass wir für ein oder zwei Wochen die größten Orchester der Welt hierher holen. Das ist eine reine Showveranstaltung. Ich bin für Investitionen in die Struktur.

Warum sollen die Bonner Sie wählen?

Repschläger: Naja, viele denken, es läuft eh zwischen CDU und SPD, sodass eine Stimme für die Linke oder eine Erststimme für die Linke eine vergebliche Stimme wäre. Dem widerspreche ich vehement. Ich bezeichne mich als Geheimfavorit. Was wäre eine Fußballweltmeisterschaft ohne Geheimfavoriten? Sehen wir doch mal, was am Ende dabei rauskommt.

Nächsten Dienstag im GA: Das Interview mit Ulrich Kelber, dem Kandidaten der SPD.

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