Rheinaue in Beuel 10.000 Kurden demonstrieren beim Neujahrsfest

BONN · Sie singen, tanzen und feiern, aber ohne Politik geht es nicht: Das Newroz-Fest, mit dem die Kurden zu Frühlingsbeginn das neue Jahr einläuten, ist auch immer Anlass, auf die Situation dieses Volkes hinzuweisen.

"Politik ist immer dabei. Das gehört einfach dazu", erklärte Tuncay Nokta. Er war am Samstag mit seiner Familie aus Duisburg nach Bonn gekommen, um mit vielen anderen in Deutschland lebenden Kurden in den Beueler Rheinauen zu feiern und dem Motto der Veranstaltung entsprechend "Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan" zu fordern.

"Eigentlich findet das Fest aus Tradition in Düsseldorf statt", sagte Yüksel Koc, Pressesprecher des Veranstalters, der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland. "Aber dort hatte man technische Probleme." In Bonn habe man einen guten Ersatz gefunden. Mit rund 20.000 Gästen hatte man gerechnet, nach grober Schätzung der Bonner Polizei war knapp die Hälfte davon gekommen. Und die marschierten in zwei Demonstrationszügen in die Rheinauen, wo eine Bühne und mehrere Stände aufgebaut waren.

Die kleinere Demo startet in Pützchen, die deutlich größere am Brassertufer in Bonn. Von dort aus bewegte sich ein langer Zug Menschen, die Öcalan-Fahnen und politische Schriftbänder trugen und das Veranstaltungsmotto skandierten, über den Rhein. Dadurch kam es auf der Kennedybrücke zu Verkehrsbehinderungen in Richtung Beuel.

In den Rheinauen, wo beide Züge aufeinander trafen, gab es ein Bühnenprogramm mit Musik, Tanz und politischen Ansprachen. Auf den Wiesen ringsherum herrschte bei strahlendem Sonnenschein eine entspannte Volksfest-Atmosphäre. Bis in den Abend wurde fröhlich und laut Polizeisprecher Harry Kolbe friedlich gefeiert. Viele Kurden waren aus ganz Deutschland mit Autos gekommen, die auf den Wiesen am Fuß der Südbrücke geparkt waren.

"Dieses Jahr gibt es mehr Musik als politische Reden", sagte Özlem Karras, die mit Mann und Sohn aus Frankfurt angereist war. Vor der Bühne wurde getanzt, auch in traditionellen Gewändern. Die Tänzerinnen des Folklore-Vereins Koma Lalisch aus Celle traten in Trachten aus der Stadt Amed auf. "Wir geben unsere Kultur den Menschen wieder", sagte Leyla Kurt. "Und Tanzen ist auch eine Art Kommunikation." Neben dieser waren auch andere Folkloregruppen gekommen, die das Fest bunt machten und neben der politischen Botschaft die Tradition in den Vordergrund rückten.

Ali Mohamed und seine Familie haben politisch derzeit andere Sorgen als Freiheit für Öcalan: Sie kommen aus dem syrischen Teil des kurdischen Siedlungsgebietes und drei ihrer Söhne sind noch in dem vom Bürgerkrieg geplagten Land. "Wir versuchen, unsere Brüder hierher zu kriegen", sagte die zehnjährige Tochter.

Sie ist am Neujahrsfest 2002 geboren und heißt deshalb Neirouz. Die Familie aus Bad Salzungen in Thüringen ist zum ersten Mal beim deutschen Fest. "Wir sind vier Stunden gefahren", sagte Neirouz. Sie und ihre Geschwister suchten Kontakt zu anderen kurdischen Jugendlichen. "In Bad Salzungen leben fast nur Deutsche."

Für Ali Mohamed und Mutter Fatima Mourad war es wichtig, dass die Kinder auch die heimische Kultur bewahren. "Deutsch lernen ist gut und wichtig, aber Kurdisch reden auch."

Newroz

Im Mittleren Osten feiern viele Kulturen das Neujahrsfest zum Frühlingsbeginn. Newroz, Neirouz oder Nouruz - drei von vielen Schreibweisen - bedeutet Neubeginn und Aufbruch. Für Kurden ist das Fest auch Symbol gegen Unterdrückung und für Frieden, weshalb es auch immer mit Kundgebungen und Demonstrationen einher geht. In der Türkei ist das Fest verboten, die Kurden feiern aber dennoch. Als Fest zum neuen Jahr geht Newroz auf Frühjahrsrituale der mesopotamischen Frühzeit zurück.

Als Freiheitsfest gilt es, seit die Meder, die Vorfahren der Kurden, 612 vor Christus zusammen mit den Babyloniern das Assyrische Reich besiegten. Seit dem Aufflammen der kurdischen Widerstandsbewegung hat dieser Aspekt eine besondere Bedeutung gewonnen. Vor zwei Jahren erkannte die UN-Vollversammlung den 21. März als internationalen Nouruz-Tag an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort