Pilotprojekt der Deutschen Welle „Syrerin zu sein, ist nicht alles, was mich ausmacht“

Bonn · Die Journalistin Rama Jarmakani aus Damaskus strandete in Deutschland und nimmt jetzt an einem Pilotprojekt der Deutschen Welle teil.

 Neue Perspektive: Rama Jarmakani in Bonn.

Neue Perspektive: Rama Jarmakani in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Als Rama Jarmakani im April 2015 für ein Medientraining der Friedrich-Naumann-Stiftung nach Deutschland kam, ahnte sie nicht, dass die Reise ihr Leben grundlegend verändern würde. An dem Tag ihrer Abreise hatte auch der Kopf einer politischen Bewegung Syrien verlassen und die junge Journalistin geriet in Verdacht, gemeinsam mit ihm geflohen zu sein. Enge Vertraute rieten ihr, nicht nach Damaskus zurückzufliegen. Jarmakani ließ ihren Rückflug verstreichen und beantragte Asyl in Deutschland. „Ich war geschockt und hörte auf, wie ein Tourist zu leben“, sagt die 30-Jährige.

Heute lebt sie in Bonn und absolviert ein einjähriges Trainee-Programm bei der Deutschen Welle (DW). Das Pilotprojekt soll ausländischen Journalisten das deutsche Mediensystem vermitteln. Gemeinsam mit anderen DW-Volontären besucht sie Kurse der DW Akademie und ist Mitarbeiterin der Arabisch-Redaktion.

Das Programm bietet keine klassische Volontärsausbildung. Diese benötigt Jarmakani auch nicht: Sie ist seit mehr als zehn Jahren journalistisch tätig. Nach ihrem Studium in Damaskus und den USA arbeitete sie für BBC Radio Arabic, CNN und Al Jazeera. Zudem ist sie politisch engagiert, setzte sich in ihrem Heimatland für die Rechte von Frauen ein. „Syrien ist ein Land der Frauen“, sagt sie. Viele Männer seien inhaftiert und die Ehefrauen hätten lernen müssen, für ihre Rechte einzustehen – auch, um ihre Männer zurückzuholen. Über die Lage der Frauen in ihrer Heimat sprach Jarmakani vor dem US-Kongress in Washington.

Nach der Warnung ihrer syrischen Freunde zog Jarmakani von Gummersbach zunächst nach Berlin und lebte zwischenzeitlich in einer Flüchtlingsunterkunft. Freunde und Bekannte vermittelten ihr eine eigene Wohnung. „Was soll ich tun? Welcher Beschäftigung soll ich nachgehen?“, fragte sie sich. Von der Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“ erhielt sie Unterstützung. Anfangs bestand ihre Arbeit vornehmlich in Übersetzungen, bis ihr ehemaliger Arbeitgeber BBC ihr eine Tätigkeit als freie Korrespondentin anbot. Über einen Aufruf im Internet wurde sie auf die Deutsche Welle aufmerksam, die Journalisten für die Produktion des Dokumentarfilms „MyEscape – Meine Flucht“ suchte.

In Deutschland steht vor allem ihre Herkunft im Vordergrund, nicht ihre Person. „Syrerin zu sein, ist nicht alles, was mich ausmacht“, sagt sie selbstbewusst. Flüchtling sei kein Wort, um einen Menschen zu beschreiben. Sie sei Journalistin und mache viele andere Dinge. Jarmakani schreibt Kurzgeschichten über das Leben im Exil, besucht zweimal wöchentlich einen Deutschkurs und verfasst Ratgebertexte für Flüchtlinge, die auf der Website der Deutschen Welle veröffentlicht werden.

Von ihrem Training bei der Deutschen Welle verspricht sie sich zu erfahren, welche Themen die Menschen in Deutschland interessieren, über welche Themen sie hier als Journalistin schreiben könnte. Gleichzeitig stellt sie typisch deutsche Gewohnheiten und Sichtweisen infrage.

Als sie einmal mit einer Kollegin von der Arbeit zur Bushaltestelle ging, lief diese in Hektik los, um noch den Bus zu erwischen – für Jarmakani unverständlich: „Der nächste Bus kommt in ein paar Minuten. Ich habe sechs Jahre auf das Ende des Krieges gewartet. Ich renne keinem Bus hinterher.“

Jarmakanis Eltern und zwei ihrer Geschwister leben noch immer in Syrien. Zu ihnen hält sie via Skype und den soziale Medien Kontakt. Ob sie zurück in ihre Heimat gehen möchte? „Das kann ich jetzt nicht sagen. Vielleicht in fünf Jahren, wenn mich nichts mehr daran hindert.“

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