Polizeiarbeit in Bonn „Skala“ sieht Verbrechen voraus

Bad Godesberg · Die Polizei setzt zur Prävention zunehmend auf die Auswertung von Datenmaterial. Das Pilotprogramm soll auch in Bonn getestet werden.

Das Konzept klingt phänomenal: Die Polizei bereitet verfügbares Datenmaterial so auf, dass sich Straftaten in bestimmten Stadtteilen vorhersehen und auf diese Weise vereiteln lassen. Nicht zuletzt in Bezug auf Einbrüche würde einen Großteil der Bevölkerung eine solche „Erfindung“ vermutlich aufatmen lassen. Weniger bekannt ist indes, dass zumindest der Ansatz bereits Realität ist. „Predictive Policing“, also voraussehende Polizeiarbeit, heißt das Stichwort.

Unter strenger Beachtung des Datenschutzes sei vorausschauende Polizeiarbeit „allemal einen Versuch wert“, wie Frank Hoever, leitender Kriminaldirektor im Düsseldorfer Innenministerium, jetzt bei einem Vortrag in Bad Godesberg darlegte. Im Innenministerium sei seit 2016 ein eigenes Projekt in den Brennpunkt-Behörden Köln und Duisburg in der Pilotphase. Nun soll auch Bonn in das „System zur Kriminalitätsanalyse und Lageantizipation“, kurz Skala, einbezogen werden.

Welche Möglichkeiten und Grenzen mit Blick auf den Datenschutz voraussehende Polizeiarbeit genau hat, legte Hoever höchst kenntnisreich dar. Der sperrige Name klingt für ein womöglich zukunftsweisendes Projekt der NRW-Polizei zur Verbrechensbekämpfung wenig progressiv. Gleichwohl bündelt sich in Skala der kriminologisch höchst spannende Ansatz, ob sich über Datengewinnung und -auswertung mit einer speziellen Software „die Wahrscheinlichkeit von Delikten an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten als Hotsports diagnostizieren lassen“.

Keine Vorhersage der konkreten Tat

Im Fokus stehen dabei laut Hoever aber allein Einbrüche. Es gehe nicht allein um bloße Vorhersage, sondern auch um daraus resultierende Maßnahmen, stellte Hoever klar. „Skala“ könne dabei aber „nur eine Karte im Spiel sein“. Hinzu kämen weitere Standbeine der Polizeiarbeit wie Auswertung, Analyse, Personen- und Sachfahndung, Prävention und täterorientierte Ermittlungen. „Skala ist sicherlich kein Allheilmittel.“ Was die eingesetzte Software ganz sicher nicht könne, ist nach Aussage Hoevers die „Vorhersage einer konkreten Tat“. Zudem ließen sich vorausschauend weder die Opfer von Einbrüchen, noch die Täter ausmachen.

Die eigens für die NRW-Polizei entwickelt Software der Firma IBM würde laut des Kriminaldirektors etwa die Kriminalitätsstatistik, infrastrukturelle sowie soziostrukturelle und sozioökonomische Daten heranziehen. „Es werden aber keine personenbezogenen Daten verarbeitet“, sagte er mit Blick auf den Datenschutz. Die gesammelten Datensätze würden dann begutachtet und „frei von inhaltlichen Vorannahmen“ ausgewertet. Einfließen würden ferner mehr als 100 Variablen. Auch Hypothesen wie die Folgenden: „Je höher die Beuteerwartung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit eines Einbruchs.“ Oder: „Je besser die Fluchtmöglichkeiten sind, desto größer ist die Gefahr, das eingebrochen wird.“

Die entscheidende Frage ist am Ende des Prozesses aus seiner Sicht: „Sind Muster erkennbar und auf Rahmenbedingungen übertragbar?“ Einsatzfachleute müssten das Ergebnis begutachten und vor allem danach handeln: etwa Streifen entsenden, verdeckte Operationen oder präventive Maßnahmen wie die Beratung von Opfern in Hotspots durchführen. Bei der Frage aus dem Publikum, ob der Erfolg der Prognosen messbar sei, antwortete der Experte: „Das ist mit Blick auf den Nachweis der Kausalität schwierig.“ In Brennpunktbehörden wie Köln und Düsseldorf sei allerdings ein deutlicher Rückgang der Kriminalität feststellbar gewesen. Möglicherweise auch dank „Predictive Policing“.

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