Hochwasser in Bonn „Perfekten Schutz gibt es nicht“

Bonn · Land unter in weiten Teilen Deutschlands. Und in Bonn? „Sie sehen mich in ernster Sorge“, sagt Tiefbauamtsleiter Peter Esch.

Durch den lang anhaltenden Regen sind die Kanäle vollgelaufen, die Böden aufgesogen wie ein Schwamm und bieten entsprechend wenig Retentionsfläche: „Wenn es aufhört zu regnen und auch die Ober- und Unterläufe des Rheins und seiner Nebenarme nicht weiter voll laufen, wird es keine Probleme geben, aber wir wissen nicht, ob es so kommt“, erklärt Esch.

In diesen Tagen hat sein Amt gegen zwei Gefahren anzukämpfen, die nicht zwingend gemeinsam auftreten: Den örtlichen Regen, der langanhaltende Niederschläge bringt, und den Wasserpegel des Rheins.

1 Bäche

Am Mittwoch haben Eschs Mitarbeiter zwei neuralgische Punkte im Stadtgebiet noch einmal kontrolliert: die vor wenigen Jahren optimierten Treibgutstahlrechen an Einlaufbecken am Lengsdorfer und Endenicher Bach. Wenn sie blockiert sind, sorgen sie nicht für eine Verbesserung des Wasserabflusses, sondern werden bei einer Verstopfung zum Teil des Problems. Esch: „Funktionieren die Rechen nicht, können die beiden Ortskerne bei Starkregen ein massives Problem bekommen.“

2 Kanäle

Über die Kontrollgänge hinaus muss das bestehende Kanalnetz der Stadt mit den Wassermassen bei Starkregen zurecht kommen. Das Tiefbauamt arbeitet an verschiedenen Stellen an Verbesserungen. Teuerstes Bauprojekt ist der Entlastungskanal in Bad Godesberg im Drachensteinpark und am Rheinauslass für 8,2 Millionen Euro (5,7 Millionen übernimmt die Bezirksregierung Köln).

Esch hofft, dass die geplante Fertigstellung sich möglicherweise schon zur Starkregensaison im Mai 2018 umsetzen lässt. Der Rohrvortrieb soll im August beginnen. In Beuel im Wohngebiet „Am Sonnenberg“ prüft das Tiefbauamt, ob durch bauliche Änderungen eine tiefliegende Spielplatzfläche im Falle eines Unwetters als Retentionsfläche genutzt werden kann. Ein erforderliches Hygienegutachten ist in Arbeit.

Ein Millionenprojekt der Zukunft ist ein neues Rückhaltebecken an der Ohligsmühle in Lengsdorf. Denn Regen der nördlich des vorhandenen Retentionsbeckens im Katzenlochbachtal runterkommt, könnte aus Sicht von Esch besser gesteuert werden. Zeitraum und Kosten stehen allerdings noch nicht fest, weil die Stadt für dieses Vorhaben Grundstücke erwerben muss. Die Planungskosten für Grundlagenermittlungen an weiteren Bächen (Ankerbach, Vilicher Bach, Wittgesbach, Engelsbach im Zusammenhang mit der Überflutungsgefahr an der Bergstraße).

3 Hochwasserschutz

Bei diesem Thema sieht sich die Stadt „ziemlich gut aufgestellt“, sagt Peter Esch. Anstehende Projekte: der Bau von Durchlassbauwerken und einem Hochwasserpumpwerk in Graurheindorf. Aufgrund komplizierter Genehmigungsverfahren und Förderanträge wird der Millionenbau allerdings erst nach 2018 verwirklicht werden können.

Die Hälfte der Kosten würde wohl die Bezirksregierung übernehmen. Die Sanierung des Hochwasserrückhaltebeckens Holzlarer See steht ebenfalls auf der Agenda. Ebenfalls Zukunftsmusik ist eine „zweite Verteidigungslinie“ (Esch) südlich der Kennedybrücke auf Beueler Seite. Das Tiefbauamt denkt über einen mobilen Schutz nach, beispielsweise eine Metallwand wie in der Professor-Neu-Allee.

Peter Esch ist nach den letzten schweren Überflutungen am Mehlemer Bach von einer Bürgerin angerufen worden, deren Existenz auf dem Spiel stand, weil die Versicherung ihr nach dem Unwetter von 2010 die Police gekündigt hatte. „Das sind menschliche Schicksale, die wir sehr ernst nehmen.“

Dennoch sagt er, den perfekten Schutz in der Stadt könne es nicht geben. Die Stadt empfiehlt Bürgern dringend, die Wettervorhersage im Blick zu behalten und entsprechend zu reagieren. Sandsäcke und Planen können helfen, im Keller untergebrachte Elektrogeräte wie Waschmaschinen sollten auf Sockeln stehen. Baulich gibt es viele Möglichkeiten, sich zu schützen. Von Metalltoren vor Tiefgarageneinfahrten bis zu Eingangsschwellen am Eingang oder wasserdichten Kellerfenstern. Die Stadt informiert auf ihrer Internetseite über Schutzmaßnahmen.

Sowohl das städtische Tiefbauamt (0228/774156) als auch die Feuerwehr (0228/717782) stehen beratend zur Seite. Am Donnerstag und Freitag befasst sich auch die Bonner Wissenschaftsnacht mit dem Thema Hochwasser. Die Veranstaltung im Wissenschaftszelt auf dem Münsterplatz und in der Uni steht unter dem Motto „Wasserwelten“.

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