GA-Serie Bonner Köpfe Paukist im Bonner Beethoven Orchester lehrt Grundschulkindern Bönnsch

Bonn · Hermann-Josef Tillmann ist Paukist im Bonner Beethoven Orchester. Neben der Musik liegt ihm die bönnsche Sprache am Herzen. In Zusammenarbeit mit dem Festausschuss Bonner Karneval bringt Tillmann Grundschulkindern den bönnschen Dialekt bei.

 Schlagfertig: Hermann-Josef Tillmann lässt die Schlägel über das Marimbaphon gleiten.

Schlagfertig: Hermann-Josef Tillmann lässt die Schlägel über das Marimbaphon gleiten.

Foto: Benjamin Westhoff

Er muss gleich zur Abendprobe des Beethoven Orchesters – Hermann-Josef Tillmann blickt im Beueler Brückenforum auf die Uhr. Er wird in ein paar Minuten im großen Saal die Pauke schlagen. „Das in einem hervorragenden Orchester zu tun, das war mein Wunsch, seit ich Toni Roeder, ein Bonner Urgestein, als Solo-Pauker dieses Orchesters gesehen habe.“ Da hatte der kleine Hermann-Josef bisher nur in Kinder-Blockflötenensembles gespielt, im Chor gesungen, Schlagzeug gelernt und in der Schulband gerockt.

„Meine Mutter ließ nicht locker. Roeder sollte doch mal das rhythmische Talent ihres Sohnes begutachten“, erzählt Tillmann lachend. Zu seiner Überraschung habe der erst zögerliche Roeder ihn dann vom Fleck weg als Schüler aufgenommen und ab da vorbildlich gefördert. „Mit 16 hatte ich meinen ersten Auftritt im Orchester.“ Bei Händels berühmter Feuerwerksmusik sollte er eine Trommel führen. „Eine falsche Note und der Dirigent reißt dir den Kopf ab“, habe Roeder ihm auf den Weg mitgegeben. Tillmann grinst.

Trotz enormen Lampenfiebers spielte der Junge fehlerlos. Und machte sich ohnehin mit etlichen Preisen bei „Jugend musiziert“ und anderen Auftritten einen Namen. Er habe sich dann mit 18 sozusagen als Naturtalent auf eine freie Paukerstelle im Beethoven Orchester bewerben sollen – und habe sie ohne extra Studium auch bekommen, sagt Tillmann. „Ab da spielte ich in einer anderen Liga. Das war kein Zuckerschlecken, sondern harte Arbeit“, erinnert er sich. „Little Joe“ habe man den Neuen, den Hermann-Josef, anfangs im Orchestergraben gerufen – nach dem Jungcowboy in der damals populären TV-Serie „Bonanza“. Tillmann lacht.

Beethoven Orchester als Orchester zum Anfassen

Irgendwann sei er dann aber „der Joe“ geworden und spiele seither wunderbare Jahrzehnte im Beethoven Orchester. Dessen anfangs verkrustete Strukturen seien längst aufgebrochen, erläutert Tillmann. „Längst ist das Beethoven Orchester nicht mehr im Elfenbeinturm, sondern ist ein Orchester zum Anfassen geworden.“ Es habe sich geöffnet. „Von einem Apparat klassischer Musik wurde es zu einem Teil dieser Stadt.“

2007 zum Beispiel habe es sich entschieden, sogar am Bonner Karneval teilzunehmen. „Vergesst das mit den Kamelle im Rosenmontagszug. Die ist unheimlich teuer. Macht doch am besten, was ihr könnt: Musik“, hatte Festausschuss-Präsidentin Marlies Stockhorst den Orchestermusikern geraten. Und so seien jecke Hits wie „Ene Besuch im Zoo“ ins Repertoire des Beethoven Orchesters gekommen. Tillmann lächelt im Rückblick.

Bald darauf habe Stockhorst gemeint: „Ich hab' da so eine Idee.“ Und habe ihnen geschildert, dass man das bönnsche Idiom den nachwachsenden Generationen doch unbedingt wieder beibringen solle. „Und warum nicht mit Musik?“ „Joe“ Tillmann war auf jeden Fall sofort Feuer und Flamme. Sein Kollege, der Hornist Volker Kriegsmann, der inzwischen auch bönnsche Lieder komponiert, ebenso. Und mit den beiden Mundartexperten Elisabeth und Karl Friedrich Schleier, die auch als Bonner Nachtwächter bekannt geworden sind, baute man einen regelrechten Bönnsch-Unterricht für Grundschulkinder auf, den der Festausschuss Bonner Karneval trägt.

Heimat-Gefühl hat viel mit Sprache zu tun

„Wir sind ja keine ausgebildeten Lehrer und mussten uns alles selbst erarbeiten“, erläutert Tillmann. Zumal es auch bei ihm zu Hause geheißen habe: „Jung, sprich Hochdeutsch, wenn du was werden willst.“ Zudem existiere im Bönnsch ja wie in vielen anderen Dialekten keine einheitliche Schreibweise – ein Problem. Tillmann dekliniert aus dem Stand die allein fünf unterschiedlichen Formen des bönnschen G durch – eine Wissenschaft für sich. Rund 20 Grundschulen in Bonn nähmen jedes Jahr das Angebot der aktuell sechs Ehrenamtlichen an, eineinhalb Stunden von der musikalischen Bönnsch-Nachhilfe zu profitieren.

Danach arbeiteten die Lehrer mit den Pänz spielerisch weiter. Bei nur noch fünf Prozent der Kinder könne man heute überhaupt noch von Dialektkenntnissen ausgehen, bedauert es Tillmann. Aber auch die anderen 95 Prozent machten begeistert beim musikalischen Lernen mit, besonders auch die Migranten- und Flüchtlingskinder, freut er sich. Heimisch zu werden, ein Wir-Gefühl zu entwickeln, habe viel mit der Sprache zu tun. „Wir sagen ihnen: Ihr seid vielleicht woanders geboren. Aber ihr wachst hier auf. Ihr seid also Bonner wie wir“.

Infos zum Bönnsch-Unterricht beim Festausschuss Bonner Karneval gibt Hermann-Josef Tillmann unter 0 22 23/30 86 oder nach einer Mail an boennsch@festausschuss.de

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