Gespräch mit Bonns Stadtbaurat Helmut Wiesner „Das Rheinufer muss ein neues Gesicht bekommen“

Bonn · Die Stadt Bonn wandelt sich derzeit an vielen Stellen. Stadtbaurat Helmut Wiesner spricht im GA-Interview unter anderem über seine Vorstellungen vom Rheinufer und über das Viktoriakarree. Seine Vision: Ein Tunnel unter der Adenauerallee.

Herr Wiesner, Sie sind Bahnfahrer und pendeln täglich von Brühl nach Bonn. Wie waren Ihre täglichen Bahnfahrten in der ersten Woche der Klimakonferenz Cop 23? Mussten Sie zeitiger losfahren?

Helmut Wiesner: Ja, etwas früher geht's jetzt los. So eine Konferenz mit 27.000 Teilnehmenden geht nicht ohne verkehrliche Auswirkungen. Volle Straßen, Züge und Busse sind für niemanden schön. Von Seiten der Stadt unternehmen wir viel, um die Auswirkungen abzumildern. Wir haben uns zum Beispiel sehr früh für die vorzeitige Fertigstellung des Haltepunktes UN Campus eingesetzt. Insgesamt gilt aber auch: Diese Konferenz holt Bonn als Hauptstadt des Zukunftsthemas Klimaschutz auf die große Weltbühne. Das ist eine Ehre wie eine Chance.

Als Dezernent sind Sie neben Verkehr auch für Umwelt zuständig. Was muss die Stadt in den kommenden Jahren tun, um den Bürgern künftig hohe Stickoxidwerte an den Verkehrsknotenpunkten zu ersparen?

Wiesner: Wir wollen keine pauschalen Dieselfahrverbote. Die Luftqualität muss aber dringend verbessert werden, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das ist nicht verhandelbar, und das sehen auch die Gerichte so. Um gleichzeitig Fahrverbote zu vermeiden und die Schadstoffgrenzwerte einzuhalten, braucht es einen Kraftakt: Stärkung von Fahrrad und öffentlichem Nahverkehr, Organisation von Mobilitätsketten, neue Antriebe bei Autos und bei Bussen. Das geht nicht ohne Investitionen. Aber die sind in nachhaltige Mobilität und Gesundheit gut angelegt. Damit wir das stemmen können, haben wir uns erfolgreich um Fördermittel von Bund und Land beworben.

Wie bewerten Sie die Kritik an Plänen der Stadt, den City-Ring zu kappen und einen Linksabbieger vom Belderberg in die Rathausgasse einzurichten?

Wiesner: Ich kann verstehen, dass bestimmte Kreise Angst davor haben. Die Angst besteht darin, dass mit einem City-Bogen die Innenstadt mit dem Auto nicht mehr erreichbar ist. Meiner Meinung nach ist diese Sorge überbewertet. Natürlich ist es so, dass bestimmte Kundenkreise das Auto brauchen. Es geht auch nicht darum, das Einkaufen mit dem Auto zu verschlechtern.

Die städtische Planung ist also keine Verschlechterung?

Wiesner: Man muss mit dem Auto nicht jeden Punkt in der Innenstadt erreichen können. Das A und O ist, zu den Parkhäusern zu gelangen. Und das kann und muss man gewährleisten. Das zweite ist die Anfahrbarkeit des Hauptbahnhofs. Durch den Bau des neuen Parkhauses an der Rabinstraße wird auch das gesichert, weil eine direkte, barrierefreie Erreichbarkeit über eine Brücke zum Gleis 1 möglich ist.

Was halten Sie davon, den Linksabbieger vom Belderberg auf den Bertha-von-Suttner-Platz erneut zu testen?

Wiesner: Ein Linksabbieger – nach einem erfolgreichen Versuch – wäre optimal und würde die Debatte entspannen. Wer aus südlicher Richtung kommt, hätte dann nicht nur die Möglichkeit, in der Marktgarage zu landen, sondern könnte auch den Bahnhof erreichen. Deshalb finde ich den Auftrag aus der Politik gut, den Linksabbieger erneut zu testen. Vielleicht gelingt uns das vor Karneval. Die Klimakonferenz und das Weihnachtsgeschäft werden wir mit solchen Experimenten sicher nicht stören.

Hätte sich der Linksabbieger in die Rathausgasse bei einem positiven Ergebnis dieser Prüfung am Bertha-von-Suttner-Platz dann in Ihren Augen erledigt?

Wiesner: Ja, und das wäre für die Umsetzung des Masterplans Innere Stadt Gold wert, denn wir hätten dort im Wesentlichen nur noch öffentlichen Nahverkehr und Abflussverkehr aus der Marktgarage. Die städtebauliche Anbindung der Universität wäre wesentlich besser hinzubekommen. Man könnte auch vom Markt besser zum Alten Zoll gelangen und letztlich die Anbindung des Rheinufers verbessern.

Das ist ja ein Dauerthema. Haben Sie eine Vision, wie man den Strom besser in Szene setzen kann?

Wiesner: Das Ideal wäre aus meiner Sicht ein Autotunnel unter der B 9. Wesentlich wäre, dass er zwischen dem Koblenzer Tor und dem Bertha-von-Suttner-Platz verlaufen müsste, um den Weg für Fußgänger und Fahrradfahrer freizumachen. Dort erfährt die Innenstadt eine Zäsur durch den Verkehr. Aber bitte, Sie haben mich nach einer Vision gefragt. Das ist keine Planung, die zum jetzigen Zeitpunkt in irgendeiner Weise realistisch und bezahlbar wäre.

Wie kann das Rheinufer mit einfachen Mitteln schöner werden?

Wiesner: Nach dem Beethovenjahr 2020 muss die Aufarbeitung des Rheinufers im Rahmen des Masterplans erfolgen. Bis dahin wollen wir notwendige Uferreparaturen durchführen. Aber die Gesamtüberarbeitung kann erst danach erfolgen. Priorität hat der innenstadt-relevante Teil zwischen Beethovenhalle und Oper. Er muss ein neues Gesicht bekommen. Das muss ein attraktiver Bereich für Fußgänger, Touristen und Radfahrer werden. Die Finanzierung ist aber gekoppelt an Fördermittel.

Wird das geplante Hotel am Erzbergerufer bis 2020 stehen?

Wiesner: Das ist so vorgesehen. In der Ausschreibung haben wir die Zeitschiene zur Vorgabe gemacht.

Die Kritik an den Plänen für die alte Poliklinik in der Wilhelmstraße reißt nicht ab, zumal die Drogenambulanzen zusammengelegt werden sollen. Halten Sie dort die Quote von 100 Prozent gefördertem Wohnraum für sinnvoll?

Wiesner: Auch drogensüchtige Menschen gehören zur Stadtgesellschaft. Derzeit sind die Ambulanzen recht diskret geplant. Und die Entwicklung zum Wohnquartier halte ich für richtig. Wir müssen das Wohnen in der Innenstadt stärken. Zum Thema Angst vor dem sozialen Wohnungsbau muss man sagen: Das ist nicht der Rand der Gesellschaft, der in diesen Wohnungen untergebracht werden soll. 40 bis 50 Prozent der Bürger können einen Wohnberechtigungsschein bekommen und dort leben. Wir reden von einem dicht besiedelten und bebauten Viertel. Die vorgesehene Größenordnung ist doch keine Konzentration von Sozialwohnungen in der Nordstadt.

Der Investor Signa hat der Bürgerwerkstatt für das Viktoriakarree kurz vor Ende den Rücken gekehrt: Wie will die Stadt den Stillstand abwenden?

Wiesner: Die große Kunst wird sein, dass wir nicht nur gute und schöne Ideen dem Rat empfehlen, sondern auch darauf achten, dass sie in einer angemessenen Zeit umsetzbar sind. Für das Quartier wäre es schlecht, wenn dieser Stillstand lange fortbesteht. Da müssen wir gegenarbeiten. Es kommt auf die Wirtschaftlichkeit an.

Wie bewerten Sie die Planungsentwürfe?

Wiesner: Die vier Entwürfe, die bei der Bürgerwerkstatt herausgekommen sind, sind höchst unterschiedlich. Das finde ich auch gut so. Die Empfehlungskommission aus Fachleuten, Politik und Bürgern hat eine klare Empfehlung formuliert, die der Stadtrat nun bewerten muss.

Halten sie angesichts der zusätzlichen Handelsflächen, die am Hauptbahnhof entstehen, weiteren Handel am Karree überhaupt noch für verträglich?

Wiesner: Die Frage, wie viel Verkaufsfläche tragfähig ist, ist ja vor der Planung bewertet worden. Ein wichtiges Ergebnis war damals, dass die Innenstadt als Oberzentrum noch großflächigen Einzelhandel vertragen kann. Und am Hauptbahnhof passiert ja nicht nur Handel, sondern dort wird es auch ein Hotel und Büros geben.

In der Stadt wird viel gebaut. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?

Wiesner: Ich bin zufrieden, dass unser Versuch, ein Baustellenmanagement im Bereich des Hauptbahnhofs aufzubauen, ganz gut geklappt hat. Es war absehbar, dass eine Baustelle nach der anderen kommt. Deshalb haben wir eine Projektgruppe installiert und einen Projektsteuerer von außen geholt, der die ganzen Anforderungen koordiniert. Schließlich liegt zwischen diesen Baustellen viel öffentlicher Raum.

Plädieren Sie beim Stadthaus für Abriss und Neubau an anderer Stelle oder für eine Sanierung?

Wiesner: Die Idee eines Neubaus ist gut, aber eher eine Vision. Man müsste zunächst wissen, was im Anschluss dorthin kommen soll. Andererseits hat das Stadthaus bereits 40 Jahre Geschichte. Ich würde deshalb keine Priorität auf den Abriss setzen. Unser Gebäudemanagement ist mit einer Nachuntersuchung beauftragt und soll auch die Frage nach den Sanierungskosten aufarbeiten. Wenn ökonomische Gründe für die Sanierung sprechen, sollte man allerdings dringend überlegen, wie man diese unansehnliche Garagenanmutung aus den Zeiten der autogerechten Stadt abmildert.

Was sind derzeit die größten Probleme in der Bonner Stadtplanung?

Wiesner: Wichtig und drängend ist die verkehrliche Situation. Wir haben einen Verkehrsanteil, der gesamtstädtisch betrachtet bei 45 Prozent im motorisierten Bereich liegt. Da haben uns andere Städte etwas voraus. Karlsruhe hat nur 30 Prozent Autoverkehr. Dafür müssen wir die Verbesserung des Fahrradverkehrs vorantreiben. Man muss aber auch den öffentlichen Nahverkehr weiterentwickeln. Der muss in Zukunft mehr leisten, als das reine Wachstum zu kompensieren, und Verkehre vom Auto auf den ÖPNV herunterholen.

Sie setzen auf eine Seilbahn auf den Venusberg...

Wiesner: Die Diskussion dreht sich viel zu stark um die Frage, ob die Seilbahn den Verkehr auf dem Venusberg um fünf Prozent entlastet oder um die maximal prognostizierten 20 Prozent. Die Seilbahn ist ein ergänzendes Verkehrsmittel, das sich im ÖPNV-Netz bewegt. Und sie schafft an der Stelle Querverbindungen. Von Beuel zum Venusberg brauchen Autofahrer 20 Minuten, mit der Seilbahn geht es in der Hälfte der Zeit. Wenn es uns gelingt, einen Einstieg in so ein Fortbewegungsmittel zu finden, tut das auch dem Ruf der nachhaltigen Stadt Bonn gut.

Was ist für die Entwicklung in den Einkaufszentren der Bezirke geplant?

Wiesner: Die Stadtbezirke sind uns gleich wichtig. Aber es ist schon alleine aus personellen Gründen nicht möglich, dass wir alles gleichzeitig angehen. Wir widmen uns Bad Godesberg mit dem Leitbildkonzept. Es gibt eine Diskussion, ob ein Zwei-Sparten-Haus mit Oper und Theater in einen Neubau kommt.

Was wünscht sich der Stadtbaurat für die Stadt Bonn?

Wiesner: Dass die Projekte in der Stadt, welcher Art auch immer, in Zukunft weniger angstbesetzt sind. Die Diskussionen werden oft von Befürchtungen dominiert. Es gibt bei vielen Bürgern eine ausgeprägte Abwehrhaltung. Ich wünsche mir, dass künftig mehr Fingerspitzengefühl für die gesamtstädtische Lage und das Gemeinwohl aufgebracht wird.

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