Interview mit Martin Junkernheinrich "Wer konsolidieren will, kommt um die Personalausgaben nicht herum"

Bonn · Professor Martin Junkernheinrich ist einer der profundesten Kenner der Kommunalfinanzen in NRW. Mit dem Wissenschaftler von der TU Kaiserslautern sprach Andreas Baumann.

 Junkernheinrich hat einen Lehrstuhl in Kaiserslautern.

Junkernheinrich hat einen Lehrstuhl in Kaiserslautern.

Foto: Privat

Können verschuldete Kommunen ihre Haushalte ausgleichen, ohne Jobs abzubauen?
Martin Junkernheinrich: Ihre Sozial- und Jugendhilfeausgaben sind für die Kommunen nur eingeschränkt steuerbar. Wer konsolidieren will, kommt deshalb um die Personalkosten nicht herum. Auf der anderen Seite müssen die Kommunen personalintensive Aufgaben übernehmen, zum Beispiel um den Rechtsanspruch auf einen U 3-Platz im Kindergarten abzusichern oder das Inklusionsthema an den Schulen umzusetzen. So wichtig diese Themen politisch auch sein mögen: Vielleicht leisten wir uns mehr, als viele Kommunen auf Dauer finanzieren können.

Weniger Personal gleich weniger Leistung: Müssen sich die Bürger auf schlechteren Service einstellen?
Junkernheinrich: Im öffentlichen Dienst gibt es häufig noch einen Spielraum für Stellenabbau. Aber man darf nicht vergessen, dass viele Städte schon seit Jahren "KW"-Vermerke (künftig wegfallend, d.R.) in ihre Haushaltspläne einarbeiten. Wenn die Stellen künftig zum Beispiel um zehn Prozent reduziert werden sollen, geht es schnell ans Eingemachte. Darüber muss man mit den Bürgern offen reden. Die Schuldenzahlen gehören auf den Tisch, ebenso die Tatsache, dass weitere Grundsteuererhöhungen drohen, wenn beim städtischen Personal nicht ausreichend gespart werden kann. Dann haben die Bürger auch Verständnis, wenn es im Einwohnermeldeamt etwas länger dauert als früher. Konsolidierung funktioniert auf Dauer nur, wenn die Bürger mitgenommen werden.

Betriebsbedingte Kündigungen sind bisher ausgeschlossen. Wird das so bleiben können?
Junkernheinrich: Heute finanzieren viele Kommunen - insbesondere in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und im Saarland - einen Teil ihrer laufenden Ausgaben mit Kassenkrediten. In dem Maß, in dem die Kommunalaufsicht dieser Praxis einen Riegel vorschiebt, können auch betriebsbedingte Kündigungen notwendig werden. In NRW greift die Aufsicht schon jetzt im Zuge des kommunalen Stärkungspaktes härter durch. Wenn auf die Kommunen neue, nicht gegenfinanzierte Lasten wie die Aufnahme von Flüchtlingen zukommen, wird die Haushaltskonsolidierung noch schwerer. Dann reicht es möglicherweise nicht mehr, die normale Fluktuation für den Stellenabbau zu nutzen.

Mit jeder Tariferhöhung explodieren die Personalkosten förmlich. Müssten die kommunalen Arbeitgeber mit den Gewerkschaften härter verhandeln?
Junkernheinrich: Wer einen unbefristeten Vertrag im öffentlichen Dienst hat, genießt im Vergleich zur Privatwirtschaft eine hohe Arbeitsplatzsicherheit. Das ist heutzutage viel wert und bei den Tarifverhandlungen zu berücksichtigen.

Städte wie Bonn bilden für künftige Beamtenpensionen keine realen Rücklagen. Ein Risiko?
Junkernheinrich: Ja. Ich denke, sie müssen eine echte Rücklage entweder mit Geld oder sonstigen Vermögenswerten bilden. Im Moment ist die Herausforderung allerdings, eine Anlageform zu finden, die sicher ist, aber auch genug Ertrag abwirft.

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